11452.jpg

Normung und Zertifizierung vermeiden Arzneimittelvergiftungen bei Kindern | Annähernd 100.000 Kinder pro Jahr erleiden in privaten Haushalten Vergiftungen, die durch sachgemäß und kindergesicherte Verpackungen vermieden werden könnten. Etwa 10.000 Kinder müssen gar im Krankenhaus behandelt werden. Dabei schreiben unterschiedlichste Gesetze und Verordnungen längst den Einsatz geeigneter Packmittel vor.

Die dreijährige Greta liegt im Krankenhaus. Sie hat sich mit Arzneimitteln vergiftet, als sie zu Besuch im Haushalt ihrer Großeltern war. Wie zuhause machte Greta auch im großelterlichen Haushalt eine Erkundungstour. Dass Greta dabei schwer verunglücken konnte, dachte niemand. Nur kurz hatte Greta´s Großmutter die Enkelin aus den Augen gelassen, als diese auf dem Nachtisch ihres Großvaters diese leckeren Bonbons fand...

Solche Unglücke sind vermeidbar. Kindergesicherte Verpackungen stellen ein geeignetes Mittel dar. Wichtig ist aber, dass diese vor dem Einsatz auf Ihre richtige Funktion hin überprüft werden. Hier erbringen Zertifikate entsprechend den internationalen Normen die notwendigen Nachweise für kindergesicherte Verpackungen. Fehlen diese, sollte auf die Verwendung der Verpackungen verzichtet werden.

Etwa 100.000 Kinder pro Jahr erleiden in privaten Haushalten Unfälle
in Zusammenhang mit einer Vergiftung.

Statistische Spurensuche zum
Unfallschwerpunkt Vergiftungen

Die Geschichte von Greta ist leider kein Einzelfall. Vielmehr sprechen Statistiken zu Vergiftungsunfällen von Kindern eine deutliche Sprache. Etwa 100.000 Kinder pro Jahr erleiden in privaten Haushalten Unfälle in Zusammenhang mit einer Vergiftung. Davon müssen 10.000 im Krankenhaus behandelt werden. Bei 500 ist der Verlauf lebensbedrohlich1. „Eine Vergiftung (wissenschaftlich: Intoxikation) ist eine gesundheitsschädigende Einwirkung von chemischen, tierischen, pflanzlichen, bakteriellen oder sonstigen Stoffen auf den Körper. Die Aufnahme kann über den Verdauungskanal, die Atmungsorgane, die unverletzte Haut, durch Wunden oder durch Injektion erfolgen. Der Schweregrad der Gesundheitsschädigung wird von der aufgenommenen Menge (Dosis) bestimmt, die Art der Schädigung von der Besonderheit der Stoffwirkungen."2 Im Alter von ca. 7 Monaten bis etwa 4 Jahren gehören Vergiftungen und Verätzungen durch Reinigungsmittel, ätherische und Lampenöle, Medikamente und Giftpflanzen zu den häufigsten Unfallarten. Angeführt von Vergiftungen durch Arzneimittel. Sie verursachen mehr als 50 Prozent aller behandlungsbedürftigen Vergiftungen im Kindesalter. Dies nicht nur durch verschreibungspflichtige, sondern auch durch rezeptfrei erhältliche Produkte3.

Die Perspektive des Verbrauchers
Kindergesundheit ist Eltern wie Großeltern ein besonderes Anliegen - denn ihr (Enkel-) Kind ist ihnen das Wichtigste. Trotzdem ist die Vorstellung, alles aus dem Aktionsradius von Kindern zu verbannen, in der Praxis nur schwer durchführbar. Und auch bei der besten Fürsorge wird es im einen oder anderen Fall immer mal wieder zur Ablenkung der Aufmerksamkeit kommen. Es kann auch sein, dass Eltern und Großeltern einfach unterschätzen, wie rasant sich ihre Kinder teils entwickeln und wie lebhaft, neugierig und unternehmenslustig sie gelegentlich sind. Verletzungen lassen sich häufig nur vermeiden, indem wir unser Lebensumfeld sicherer gestalten. Kindergesicherte Verpackungen bieten dazu einen geeigneten Ansatz. Auf einfache Weise gewährleisten sie die Sicherheit und Gesundheit von Kleinkindern, indem sie z. B. nur durch einen Trick (wie gleichzeitiges Drücken und Drehen) zu Öffnen sind. Wirkungsvolle Barrieren verhindern so einen möglichen Missbrauch des verpackten Produktes, dessen Akzeptanz durch die Konsumenten steigt. Der Verbraucher kann das Produkt nicht nur mit der Hülle, sondern auch wegen der Hülle kaufen.

Skala der Normen und Bestimmungen
Im Falle von Arzneimitteln regelt den Einsatz von kindergesicherten Verpackungen verbindlich das Arzneimittelgesetz. Ein Zweck des „Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln" ist es, für Sicherheit im Umgang mit Arzneimitteln zu sorgen. Dies zu erreichen, hat die oberste Bundesbehörde die Möglichkeit, Bestimmungen zu erlassen, nach denen Arzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen kindergesichert zu verpacken sind und bestimmten Normen zu genügen haben. „Auflagen [..] können angeordnet werden, um sicherzustellen, dass das Arzneimittel in einem Behältnis in bestimmter Form, bestimmtem Verschluss oder sonstiger Sicherheitsvorkehrung in den Verkehr gebracht wird, soweit es geboten ist, um die Einhaltung der Dosierungsanleitung zu gewährleisten oder um die Gefahr des Missbrauchs durch Kinder zu verhüten."4

Nach dieser Auflagenbefugnis wurden Bestimmungen erlassen, nach denen Arzneimittel, die für Kleinkinder eine Gesundheitsgefahr bei Missbrauch darstellen können in kindergesicherten Verpackungen verpackt werden müssen (vgl. u.a. BtMVV §12, Kindergesicherte Verpackungen für Arzneimittel: Anordnung eine Auflage nach § 28 AMG vom 17.09.84, BAnz Nr.178 vom 20.09.84, S.10683). Doch in welcher Form wird die Kindersicherheit einer Verpackung sichergestellt? Wer garantiert das richtige Funktionieren? Wie wird gewährleistet, dass Kleinkindern die Öffnung nicht möglich ist, ein problemloses Öffnen durch Senioren aber erhalten bleibt?

Mit den Normen DIN EN ISO 8317 (Internationale Norm mit Anforderungen und Prüfverfahren für wieder verschließbare Verpackungen in der Fassung von 2004) und DIN EN 14375 (Deutsche Norm für nicht wieder verschließbare Verpackungen in der pharmazeutischen Industrie in der Fassung von 2004 ) bestehen international gültige Prüfverfahren. Diese beschreiben Testverfahren nach denen eine Gruppe mit bis zu 200 Kleinkindern im Alter von 42 bis 51 Monaten bis zu 10 Minuten Zeit erhalten, die zu prüfende Verpackung zu öffnen. Darüber hinaus müssen die Teilnehmer aus einer Gruppe von 100 Senioren der Altersklasse 50 bis 70 Jahre in der Lage sein, die Verpackungen problemlos innerhalb einer Minute zu öffnen und ggf. wieder richtig zu verschließen. Die Prüfung und die Zertifizierung erfolgt dabei durch akkreditierte Institute, die der DIN EN 45011 für Zertifizierungstellen entsprechen, z. B. www.ivm-childsafe.de.

Vorreiter USA
Auch in den USA gibt es mit der Consumer Product Safety Comission eine Behörde, die für in Frage kommende Produkte, Anforderungen an die Verpackungen und die Testverfahren festlegt. Bereits seit den 1970er Jahren ist hier der Einsatz von kindergesicherten Verpackungen, die entsprechenden Prüfverfahren genügen müssen, für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel nahezu vollständig verpflichtend. Dabei schreibt der „Poison Prevention Pack-aging Act" (PPPA) den Einsatz von Spezialverpackungen vor, um den umfassenden Schutz von Vergiftungsschäden von Kindern im Haushalt zu gewährleisten. Und das Prüfverfahren für kindersichere Packungen nach US 16 CFR § 1700.20 stellt ein Pendant zu der DIN ISO 8317 und EN 14375 (die europäischen Normen lehnen sich stark an die amerikanische Vorlage an) dar.

Die Anatomie der Verpackung
Entlang der Bandbreite von unterschiedlichsten Verpackungslösungen schaffen die Normen das verbindende Element. Dadurch werden für -heutzutage meist international agierende- Unternehmen Standards geschaffen, die eine wertvolle Orientierung bieten, obgleich die Anatomie möglicher Verpackungen vielfältig ist. Eine für Arzneimittel häufige Art der Verpackung stellt neben anderen Möglichkeiten die Blister-Verpackung dar. „Der Begriff Blister (Durchdrückpackung, Medikamentenblister) wird in der Medizin meistens als Ausdruck für eine spezielle Form der Medikamenten-Verpackung verwendet. Sie enthält das einzunehmende Medikament in vorsortierter Form und wird normalerweise mittels Kunststoff- oder Aluminiumverbundfolien hygienisch versiegelt. Für jede Arzneimitteleinheit ist ein eigener „Napf" vorhanden, aus welchem diese mit den Fingern herausgedrückt werden kann. Oftmals können die Einzeldosierungen auch per Hand abgetrennt werden."5

Blister-Verpackungen bieten also Vorteile, von denen ein wesentlicher beispielsweise die Einzelentnahme der Medikamentendosis ist. Soll die Verpackung gleichzeitig aber auch kindersicher sein, so sollte diese nicht auch der Sichtbarkeit des Inhalts dienen. Denn Kinder halten die bunten Tabletten oft für Bonbons, an die sie durch „Aufpulen" oder „Aufkratzen" der Folie versuchen heranzugelangen. Dies fällt Kindern umso schwerer, je besser die Medikamente in die Aussparungen der Unterfolie passen. Außerdem bieten hier Blister mit mehrschichtigen Folien eine erhöhte Sicherheit. Bei Blistern, die zudem nach dem so genannten „Peel-Push-Prinzip" funktionieren, wird zunächst die oberste, sehr schwer zu durchdringende Folie abgezogen, um dann die Pille oder Tablette durch die leichte Unterfolie herausdrücken zu können.6 Insgesamt ein Prinzip, welches es Kindern sehr schwer oder unmöglich macht, an das Medikament heran zu gelangen - sollten sie überhaupt an den „farblosen" Medikamenten Interesse zeigen. Unabhängig davon, welche Lösung schließlich im jeweils individuellen Fall gewählt wird, muss jeder Prozess mit einer Kontrolle der Mindestanforderungen durch die Prüfung und Zertifizierung der Verpackung nach der Norm abschließen.

Kooperation ist gefragt
Um zu gewährleisten, dass die Verpackung die mit den Normen erforderliche Konformität aufweist, ist ein frühzeitiges Handeln der beteiligten Akteure gefragt. Für Verpackungshersteller und Pharmaunternehmen gilt an dieser Stelle, die für Entwicklung und Einkauf zertifizierten kindergesicherten Verpackungen als Soll-Kriterium festzulegen. Dies gewährleistet, dass einerseits die bestehenden Anforderungen an die Verpackung erfüllt werden sowie andererseits der Gefahr möglicher Vergiftungsunfälle durch Kleinkinder in verantwortungsvoller Weise begegnet wird. Dabei schafft die möglichst frühzeitige Zusammenarbeit aller Akteure eine allseitige Win-Win-Situation. Agieren Verpackungshersteller und Pharmaunternehmen rechtzeitig als Interessengemeinschaft, kann auch das Prüfinstitut [www.ivm-childsafe.de] vor dem eigentlichen Zertifizierungsprozess sowohl bei der Entwicklung der Verpackung (Verpackungshersteller) als auch bei deren Auswahl (Inverkehrbringer) als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, um das Ziel der Kindersicherheit von Verpackungen problemlos zu erreichen. In einem transparenten und kooperativen Prozess.

Für Sie entscheidend
Besteht eine gesundheitliche Gefährdung bei Missbrauch von Arzneimitteln durch Kleinkinder, sind diese nur in kindergesicherten Verpackungen in Verkehr zu bringen.
Kindergesicherte Verpackungen sind vor Ihrem Einsatz auf Ihre korrekte Funktion hin zu überprüfen.
Die Überprüfung erfolgt nach den dazu bestehenden internationalen Normen.
Die Normenkonformität wird durch Zertifikate belegt.
Die Institute, die die Prüfungen und die Zertifizierungen durchführen benötigen eine Akkreditierung (nach DIN EN 45011) als Zertifizierungsstellen für kindergesicherte Verpackungen um international anerkannt zu sein.

4 Bundesministerium der Justiz (Hrsg.), Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln, [Online in Internet], URL: http://www.gesetze-im-internet.de/amg_1976/, [Stand 17.07.2011].
5 Lexikon medizinischer Begriffe, [Online in Internet], URL:  https://www.gesundheit.gv.at/Portal.Node/ghp/public/content/lexikon/m/Blister.html, [Stand 02.08.2011].
6 Antonischki, H., Kindergesicherte & seniorengerechte Verpackungen. Zwei Generationen – Ein Thema, Heidelberg 2005.

Sie möchten gerne weiterlesen?