Nanomaterialien setzen sich aus Nanopartikeln zusammen – winzige Teilchen in der Größenordnung von 1 nm bis 100 nm. Johannes Bott untersuchte das Migrationspotenzial von Nanomaterialien in LDPE-Folien.

Nanomaterialien setzen sich aus Nanopartikeln zusammen – winzige Teilchen in der Größenordnung von 1 nm bis 100 nm. Johannes Bott untersuchte das Migrationspotenzial von Nanomaterialien in LDPE-Folien. (Bild: Fotoliaxrender/Fotolia.com)

Verpackungstechnik 4.0 – intelligent, flexibel, nachhaltig. Unter diesem Motto veranstaltete die Dresdner Außenstelle für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik des Fraunhofer IVV zusammen mit der Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung (IVLV) einen Workshop in Dresden. Neben Verpackungsmaschinen und dem Thema hygienegerechte Produktion standen Packmittel im Fokus. Oder genauer, welche Funktionen und Potenziale neuartige Verpackungslösungen ermöglichen.

Rund ein Drittel aller Nahrungsmittel geht während der Wertschöpfungskette vom Feld bis zum Verbraucher laut der Initiative Save Food verloren oder wird verschwendet. 84 Prozent der Verbraucher gaben 2011 in einer Forca-Umfrage an, dass sie Lebensmittel wegwarfen, weil diese verdorben waren oder das Haltbarkeitsdatum überschritten hatten. Dabei können Verpackungen Lebensmittel schützen und vor unnötiger Verschwendung bewahren. Cornelia Stramm vom Fraunhofer IVV, Freising, stellte in diesem Zusammenhang die Entwicklung von Biopolymeren für Verpackungen anhand verschiedener Projekte vor, an denen auch die Wissenschaftler Markus Schmid, Martina Lindner und Verena Jost beteiligt waren. Der Vorteil von Biopolymeren: Sie bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen und können biologisch abbaubar sein. Eine geeignete Verpackung kann dabei helfen, Nahrungsmittelverluste zu reduzieren, denn „ein unzureichender Produktschutz führt zu Produktverlusten“, erläuterte Stramm. Produktverluste verursachen laut der Wissenschaftlerin weit größere CO2-Emissionen als durch die Vermeidung überflüssiger Verpackung eingespart werden können.

In dem aktuell laufenden Projekt Bio4Map, an dem Lebensmittelhersteller, Kunststoffverarbeiter und Forschungspartner beteiligt sind, wollen Forscher recycelbare sowie biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien entwickeln, die zugleich eine Barrierefunktion gegenüber Stickstoff, Sauerstoff, Wasser oder Kohlenstoffdioxid bilden. Dies ist beispielsweise für MAP (Modified Atmosphere Packaging) nötig, damit frische Lebensmittel, wie Käse, Pasta oder Kuchen, in der Verpackung haltbar bleiben. Als Materialkombination wählten die Forscher Polymilchsäure (PLA) zur Thermoformbarkeit, Polyvinylalkohol (PVOH) für die Sauerstoffbarriere, einen bioabbaubaren Haftvermittler zur Coextrusion sowie eine bioabbaubare Beschichtung auf Basis von natürlichen Wachsen als Wasserdampfbarriere. Für letztere untersuchten die Forscher Wachse von Zitrusfrüchten, Oliven, Efeu und Fichte. Mit gutem Ergebnis: Die Entwicklung wachsbasierter Dispersionen zum Auftrag auf PLA sei vielversprechend. „Bisher funktionierte die Extraktion dieser Wachse zu über 95 Prozent im Becherglas. Nun müssen wir das Verfahren auf den Pilotmaßstab übertragen“, so Stramm.

Das Projekt Wheylayer dagegen dreht sich um Biopolymere auf Proteinbasis, zum Beispiel aus Molke. Aufgrund der Thermoformbarkeit soll das Material für Trays und Blister eingesetzt werden. Das Projekt lief bis Ende 2014 erfolgreich: Die Forschungspartner – Vertreter aus der Milchindustrie, Forschungsinstitute sowie Verpackungsunternehmen – konnten bereits Blister und Tuben herstellen sowie Abpackversuche und Lagertests abschließen. Zusammen mit einem spanischen Partner will das Fraunhofer IVV die Tiefzieheigenschaften von proteinbasierten Barriereschichten in einem weiteren Projekt allerdings noch verbessern. Denn die Thermoformeigenschaften verändern sich mit der Lagerzeit: „Nach zwei Tagen Lagerzeit bei 23 °C und 50 Prozent relativer Luftfeuchtigkeit ist es nicht mehr möglich, den Mehrschichtaufbau zufriedenstellend unter Wärmeeinwirkung zu formen“, erklärte Stramm. Nach sechs Tagen lässt er sich gar nicht mehr formen. Hier gibt es also noch Optimierungsbedarf für die Forscher, um eine länger anhaltende Thermoformbarkeit zu erreichen. So soll sich die Lagerfähigkeit laut Stramm auf eine Woche erhöhen. Ziel sei es dann, thermoformbare Beschichtungen mit guten Barriereeigenschaften zu entwickeln, aus denen Becher und Schalen geformt werden können.

Komplette Verpackungslösungen konnten die Forscher um Stramm auch in einem Projekt zu ökoeffizienten und bioabbaubaren flexiblen Verpackungen mit Barriere für Lebensmittel herstellen. Die Forscher verfolgten hier das Ziel, Umweltverträglichkeit durch die Weiterverarbeitung von Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie zu erreichen – etwa aus der Verarbeitung von Öl, Milch, Oliven, Stroh oder Bier. Aus Resten von Milch und Oliven gelang es ihnen, einen Biopolyester zu entwickeln, der sich für Blasfolien, Flachfilm-Extrusion sowie beim Spritzguss und Thermoformen einsetzen lässt. Konventionelle Polymerschichten könnten dadurch in Zukunft ersetzt oder ergänzt werden sowie Vorteile hinsichtlich Recycling, biologischer Abbaubarkeit und nachwachsender Rohstoffe bringen. Die Sprödigkeit des Biopolymers erschwere derzeit noch die Verarbeitung, so Stramm. Es gelang jedoch, eine Sandwich-Verpackung zu produzieren, die eine vergleichbare Haltbarkeit zu einer herkömmlichen Verpackung aufweist. Für Frischeprodukte sind laut der Wissenschaftlerin weitere Optimierungen notwendig. Dies könnte zum Beispiel durch eine perforierte Deckelfolie erzielt werden.

Nanopartikel wenig mobil

Ein anderes, immer wieder heiß diskutiertes Thema bei Lebensmittelverpackungen ist die mögliche Migration von Stoffen aus der Verpackung in das Lebensmittel und die Frage, ob sie die Gesundheit beeinträchtigen könnten. In der Industrie werden häufig Nanomaterialien eingesetzt – Materialien, die winzige Partikel in der Größenordnung von 1 nm bis 100 nm enthalten. Sie ermöglichen eine Vielzahl von Vorteilen: etwa die Verbesserung von Polymeren, die für Verpackungen eingesetzt werden. Und es geht noch weiter: Nanomaterialien ermöglichen aktive und intelligente Verpackungen. So werden die abgepackten Produkte länger haltbar und sehen länger frisch aus. Beim Einsatz in intelligenten Verpackungen warnen sie Verbraucher, indem sie anzeigen, dass eine undichte Stelle in der Verpackung vorliegt oder die Kühlkette unterbrochen wurde.

Johannes Bott vom Fraunhofer IVV, Freising, stellte Untersuchungen zum Migrationspotenzial von Nanomaterialien aus Kunststoff-Lebensmittelverpackungen vor. Zusammen mit Roland Franz und Angela Störmer hatte der Wissenschaftler die Migration von Nanosilber in LDPE-Folien untersucht – laut Bott ein „Worst-Case-Material, welches im Vergleich zu anderen Nanomaterialien und Polymeren am ehesten eine Migration erwarten lässt“. Es gibt jedoch Entwarnung: Die von den Wissenschaftlern untersuchten Nanomaterialien gingen nicht auf Lebensmittel über. Mittels verschiedener Trennmethoden (AF4/MALS, AF4/MALS in Kombination mit ICP-MS) konnten sie Nanomaterialien in den Proben direkt messen, was die Gefahr falsch-positiver Ergebnisse durch aufwendige Probenaufbereitungsschritte verringerte. Im Fall der Nanosilber-Studie konnten die Wissenschaftler zwar eine Migration von Silber feststellen, sie konnten jedoch zeigen, dass Silber nicht in Form eines Nanopartikels, sondern in Form von ionischem Silber migriert, welches sich unter gewissen Umständen von der Partikeloberfläche lösen kann. Auf dieser Abgabe von Silberionen beruht die Wirksamkeit des Nanosilbers, nicht auf der Abgabe ganzer Partikel. Bott und seine Kollegen fanden zudem heraus, dass Nanopartikel bereits ab einem Durchmesser von drei bis vier nm eine so geringe Beweglichkeit in der LDPE-Folie aufwiesen, dass sie gar nicht mehr migrieren konnten. Solch kleine Strukturen kommen laut Bott isoliert jedoch gar nicht vor. Nanomaterialien sind in der Regel eine untereinander fest verbundene Anhäufung von Partikeln in Dimensionen von 100 nm und mehr. „Es ist daher nicht davon auszugehen, dass eine Migration stattfindet“, resümierte Bott.

Verpackungsfolie mit neuen Funktionen

Fraunhofer-Institute forschen nicht nur im Bereich Lebensmittelverpackungen. Auch für Medizinprodukte sollen neue Produkte verbesserte Lösungen bieten. Andrea Liebmann vom Fraunhofer IVV, Dresden, und Manuela Reitzig vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) forschen an einer „Verpackungsfolie mit Zusatznutzen“. Das im Rahmen des Fraunhofer-Verbundprojektes Steri-Health entwickelte Verpackungssystem erfüllt die Anforderungen an Endverpackungen für sterile Medizinprodukte und dient gleichzeitig zur Kontrolle: die Verpackungsfolie ist mit einer neuen Funktion ausgestattet und erlaubt nun eine Aussage, ob eine Sterilisation tatsächlich stattgefunden hat. Die Wissenschaftlerinnen integrierten in die Verpackung ein Kontrollsystem, das auf die Sterilisation mit Niedrigenergieelektronen ausgelegt ist – ein alternatives Sterilisationsverfahren für thermolabile Medizinprodukte im Gegensatz zu den klassischen Methoden wie Heißdampfsterilisation oder Ethylenoxidsterilisation. Für die Elektronenstrahlsterilisation existierte bislang noch kein in-situ-Nachweissystem, das heißt, kein System, das direkt anzeigen kann, ob die Sterilisation gelungen ist. Diese Lücke soll die neue Verpackungsfolie schließen. Liebmann und Reitzig brachten dafür optisch aktive Partikel in die Polyethylenschicht einer PET/PE-Folie ein. Die Partikel ändern im Zuge der Elektronenbestrahlung ihre optischen Eigenschaften. Diese Änderung kann der applizierten Elektronenstrahldosis eindeutig zugeordnet werden. „Die Folie erfüllt dabei alle Anforderungen aus dem Sterilisationsprozess und für Medizinprodukteverpackungen“, sagte Liebmann: Die Folie ist optisch transparent, weist ein gutes Siegelverhalten sowie mechanische Eigenschaften auf. Zudem ist sie reißfest und zugleich dehnbar, außerdem biokompatibel. „Wir hatten erwartet, dass die Partikel in der PE-Schicht den Wärmeübergang beim Siegeln beeinflussen würden, aber dies ist nicht der Fall“, erklärten Liebmann und Reitzig. Auch bei der Migrationsprüfung ging keine Gefahr durch die neue Folie aus. Die Wissenschaftlerinnen haben daher sowohl Verpackungsmaterial als auch das Herstellungsverfahren zum Patent angemeldet.

 

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Über das Fraunhofer IVV
Das Fraunhofer-Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) ist in acht Geschäftsfelder unterteilt. Neben den Bereichen Lebensmittelprozesse und -produkte, Lebensmittelqualität und sensorische Akzeptanz sowie Konformität Verpackung gehört dazu das Feld Verarbeitungs- und Verpackungsmaschinen. Auch funktionelle Zutaten für Lebensmittel, Futtermittel und Kosmetika sowie Funktionsmaterialien für Lebensmittelverpackungen und für technische Anwendungen gehören zum Forschungsfeld. Die Geschäftsfelder Biogene Rohstoffe und Kunststoff-Rezyklate komplettieren die Forschung des Fraunhofer IVV hinsichtlich einer effizienten Verwertung von Neben- und Abfallströmen. Der Geschäftsbereich Verarbeitungs- und Verpackungsmaschinen untersucht maschinelle Verarbeitungsprozesse in der Massenbedarfsgüterproduktion. Die Verarbeitung von Natur- und Kunststoffen steht dabei im Fokus sowie deren Einsatz in der Lebensmittel-, Pharma- und Verpackungsindustrie. Zu den Arbeitsschwerpunkten zählen unter anderem die Untersuchung des Siegelverhaltens von Verpackungsmaterialien, intelligente Technologien zum Formen von Packmitteln aus flexiblen Packstoffen sowie die Optimierung von Form- und Siegelprozessen.

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