Kunststoffe und deren Additive sind weitgehend EU-harmonisiert geregelt, während die anderen Materialien mit Lebensmittelkontakt durch nichtbindende EU-Resolutionen und nationale Vorschriften risikobewertet werden.

Kunststoffe und deren Additive sind weitgehend EU-harmonisiert geregelt, während die anderen Materialien mit Lebensmittelkontakt durch nichtbindende EU-Resolutionen und nationale Vorschriften risikobewertet werden. (Bild: Fotolia)

Es wäre sehr aufwendig, müsste sich jeder Hersteller einer Lebensmittelverpackung für alle seine Materialien die ganze wissenschaftliche Hintergrundarbeit selbst erarbeiten. Hier kommen die Regularien ins Spiel, die als ausgearbeitete Hilfen/Werkzeuge zur Risiko-Bewertung betrachtet werden können. Das heißt, die in den Regularien gelisteten Stoffe wurden bereits wissenschaftlich auf ihr Gefährdungspotential untersucht und daraus entsprechende Grenzwerte abgeleitet. Für solche Materialien, für die bereits gut ausgearbeitete Regularien vorliegen, ist die Risikobewertung mit einem relativ geringen Aufwand durchzuführen. Andere Materialien erfordern mehr Aufwand. Die Ausarbeitung und der Gültigkeitsumfang der Regularien sind dabei für verschiedene Materialien sehr unterschiedlich. Im Folgenden wird auf einzelne Materialien spezifisch eingegangen.

Kunststoffe

Im Gegensatz zu natürlichen Stoffen stehen viele Verbraucher künstlichen Stoffen mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Allerdings können künstlich produzierte Stoffe so „designed“ werden, dass sie genau die gewünschten Eigenschaften haben. Aus diesem Grund haben sich auch im Verpackungs- und Bedarfsgegenstände-Bereich viele Kunststoffe als „Material der Wahl“ durchgesetzt.

Im Prozess einer europäischen Harmonisierung der nationalen Regelungen (Standards, Empfehlungen, Gesetze) war Kunststoff im primären Fokus der Behörden. Er ist deshalb ziemlich umfassend geregelt mit der EU-Verordnung 10/2011 und ihren mittlerweile 5 Änderungs-Verordnungen (Amendments) - das 6. Amendment liegt als Entwurf bereits vor.

Im Gegensatz zu natürlichen Stoffen stehen viele Verbraucher künstlichen Stoffen mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Künstliche Stoffe können jedoch so hergestellt werden, dass sie genau die gewünschten Eigenschaften verkörpern.
Im Gegensatz zu natürlichen Stoffen stehen viele Verbraucher künstlichen Stoffen mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Künstliche Stoffe können jedoch so hergestellt werden, dass sie genau die gewünschten Eigenschaften verkörpern. (Bild: Fotolia)


Die 10/2011 enthält im Anhang 1 eine Liste von erlaubten Stoffen, eine sogenannte Positivliste mit Limits für spezifische Stoffe, die als SML (= Spezifisches Migrations Limit) abgekürzt werden. Diese Stoffe dürfen somit für die Herstellung von Verpackungen und Lebensmittel-Bedarfsgegenständen eingesetzt werden.

Verpackungen aus Papier und Pappe: Weit verbreitet, gibt es für dieses Material jedoch kein bindendes und harmonisiertes Gesetz in der EU.
Verpackungen aus Papier und Pappe: Weit verbreitet, gibt es für dieses Material jedoch kein bindendes und harmonisiertes Gesetz in der EU. (Bild: Fotolia)

  • Die SMLs basieren auf toxikologischen Daten, sodass bei einer lebenslangen täglichen Aufnahme des spezifischen Stoffes eine Gefährdung menschlicher Gesundheit ausgeschlossen werden kann. Die Migration eines Stoffes von der Verpackung ins Lebensmittel wird durch entsprechende Tests mit Lebensmittelsimulanzien ermittelt. Die jeweiligen Testbedingungen geben die Bestimmungen in der Verordnung 10/2011 vor. Sie sind entsprechend der spezifischen Anwendungen auszuwählen. Die Einhaltung der SMLs am Endprodukt ist der erste Schritt zur Konformität mit der Kunststoff-Verordnung und damit mit der Rahmen-Verordnung 1935/2004 für Lebensmittelkontakt.
  • Des Weiteren müssen die Globalmigration und das Vorhandensein bzw. die Abwesenheit nicht erwünschter bzw. nicht absichtlich zugesetzter Substanzen (NIAS) untersucht werden.
  • Die Globalmigration, auch als OM = Overall Migration bezeichnet, gilt als ein Maß für die Inertheit von Materialien und hat einen Migrationsgrenzwert 60 mg in einem Kilogramm Lebensmittel.
  • NIAS = non intentionally added substances sind alle unbeabsichtigt im Endprodukt vorhandenen Substanzen, sei es durch Verunreinigungen von Ausgangsstoffen, Nebenreaktionen bei der Polymerisierung, Abbauprodukte von Stabilisatoren oder Kontamination durch unsachgemäße Lagerung. Diese Substanzen müssen ebenso einer Risikobewertung unterzogen werden, wie die beabsichtigt enthaltenen, d. h. bekannten Substanzen. Zurzeit existiert hierfür kein fest definiertes einheitliches Vorgehen in der EU, sodass jeweils auf einen individuellen Ansatz zurückgegriffen wird.
  • „Dual use“: Es gibt Additive, die sowohl in Lebensmitteln als Lebensmittelzusatzstoff, als auch als Additive in Lebensmittelkontakt-Materialien einsetzbar sind. Für diese Dual use-Additive gilt am Endprodukt dann das jeweils niedrigste Limit aus den beiden Regularien. Damit der Lebensmittelhersteller weiß, ob Dual use-Additive vorhanden sind, muss die Konformitätserklärung vom Verpackungs-/Polymerenhersteller informieren, ob diese im Produkt vorhanden sind (siehe Grafik unten).

Papier und Pappe

 

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Als weit verbreitetes Verpackungsmaterial gibt es jedoch für Papier und Pappe kein bindendes harmonisiertes Gesetz in der EU. Dies bedeutet, dass für die Risiko-Bewertung auf nationale oder Europarat-Bestimmungen oder Leitlinien von Industrieverbänden, wie z. B. die Empfehlungen des BfR, zurückgegriffen werden sollte/muss:

  • BfR-Empfehlung XXXVI
  • Holländisches Warenwet
  • EU-Resolution für Papier und Pappe
  • CEPI-Leitlinie Food Contact (Papier und Pappe Industrie-Verband)
  • CEPI-Leitlinie GMP

 

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(Bild: Fotolia)

Auch hier gibt es Positivlisten, die jedoch prinzipiell anders aufgebaut sind. Hier wird der Gehalt beschränkt, der in einem Material verwendet werden darf - nur in wenigen Fällen die Migration von Substanzen ins Lebensmittel.

In der Praxis bewähren sich die Leitlinie des Verbandes CEPI und die Empfehlung XXXVI des BfR als wirksames Werkzeug zur Risiko-Bewertung. Entsprechende Bewertungen werden in der Regel in der Wertschöpfungskette anerkannt.

Der aktuelle Testansatz basiert auf Extraktion mit Wasser und Hexan bei - im BfR - definierten Bedingungen. Zur Risiko-Bewertung zieht man jedoch mehr und mehr auch Migrationen in MPPO (TENAX®) über die Gasphase heran, da dies oft auch den Anwendungsbedingungen entspricht.

Recycling

Die oben genannten Materialien Kunststoffe und Papier & Pappe werden auch als recyclierte Materialien im Lebensmittelkontakt eingesetzt.

Für Papier und Pappe sind spezielle Substanzlisten in BfR XXXVI entsprechend zu berücksichtigen. In Italien ist recyceltes Papier nur für trockene Lebensmittel erlaubt, während für wieder im Lebensmittelkontakt einzusetzende Kunststoffe eine eigene EU-Verordnung existiert (282/2008). Recycling-Kunststoffe für den Einsatz in Bedarfsgegenständen müssen aus einem durch die EG-Kommission zugelassenen Recyclingverfahren stammen. Die Konformitätserklärung für Gegenstände aus zugelassenem recycliertem Kunststoff muss darauf verweisen, dass das Recyclat aus einem zugelassenen Recyclingverfahren stammt.

Druckfarben/Farben

Zunächst unterscheidet man zwischen Farben und Druckfarben, da diese sich sowohl durch die zugrundeliegende „Chemie“ als auch durch den regulatorischen Ansatz unterscheiden.

Farben werden Kunststoffen zugesetzt und sind voll in der Kunststoffmatrix verteilt. Für diese Anwendung sind überwiegend Reinheitsanforderungen zu erfüllen, dies sich in verschiedenen nationalen Regularien der EU-Mitgliedsstaaten widerspiegeln und bis auf wenige Ausnahmen kaum voneinander abweichen: z. B. BfR-Empfehlung IX „Farbmittel zum Einfärben von Kunststoffen und anderen Polymeren für Bedarfsgegenstände“. Lediglich Frankreich hat eine Positivliste (French Positiv List of Colorants = FPL), die sich aus mehreren Fragmenten zusammensetzt und auf EU-Ebene nicht offiziell anerkannt ist. Der französische Markt fordert jedoch eine Listung der eingesetzten Farbmittel auf der FPL (und die Einhaltung der Reinheitskriterien).

Druckfarben sind chemisch mit Beschichtungen verwand, da sie auf die Produktmatrix aufgebracht werden und erst dort vernetzten bzw. aushärten. Druckfarben dürfen per Definition nur auf der „Nicht-Lebensmittelseite“ aufgebracht werden. Deshalb unterliegen die Druckfarben (und Beschichtungen) anderen Regelungen als die Farbmittel für Kunststoffe. Es gibt weltweit nur ein bindendes Gesetz für Druckfarben mit einer Positivliste in der Schweiz. Zur Risikobewertung in Europa - die Schweiz ist kein Mitglied der EU - hat sich der Konformitätsansatz und die Substanzliste des europäischen Druckfarbenverbandes EUPIA etabliert und findet am Markt Anerkennung.

In Deutschland gibt es einen Entwurf einer nationalen Druckfarbenverordnung, der jedoch noch unter den „beteiligten Kreisen“ diskutiert wird.

Für die Sicherheit der Druckfarben gilt neben der zugrundeliegenden Chemie oftmals eine gute Verarbeitung als Voraussetzung, um sogenannten „set off“ zu vermeiden. Set off beschreibt einen Substanzübertrag bei der Stapelung oder beim Aufrollen von bedrucktem Kunststoff oder Papier. Im Fall von set off würde dann Druckfarbe von der Außenseite auf die Innenseite gelangen können, die dann später mit dem Lebensmittel in Kontakt kommt.

Beschichtungen

Für Beschichtungen gibt es eine Resolution des Europarates mit einer Positivliste AP 2004/1, die auf nationale Regularien verweist.

Folgende nationale Regelungen finden Anwendung:

  • BfR
  • Holländisches Warenwet
  • CEPE/ENPAC Leitlinie

Auch wenn das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung von nationaler Konformität in der EU gilt, werden am Markt häufig noch die nationalen Regularien gefordert. Der Verband CEPE/ENPAC gibt einen Leitfaden heraus, der Details u. a. zur Erstellung einer entsprechenden Konformitätserklärung enthält.

Metalle und Legierungen

Auf EU-Ebene hat der Europarat am 11. Juni 2013 eine Leitlinie herausgegeben, die Metalle und Legierungen regelt: „Resolution (2013) on metals and alloys used in food contact materials and articles”. Diese Europarats-Resolution deckt verschiedene Metalle ab und enthält unter der Bezeichnung Specific Release Limit (SRL) gelistete Migrationsgrenzwerte für Verunreinigungen. Diese Resolution findet im Allgemeinen am Markt eine sehr gute Akzeptanz, obwohl sie nichtbindenden Charakter hat. Zwei EU-Länder haben bereits eigene Regularien, deren Konformität am Endprodukt verlangt wird: Italien verfügt über spezifische Regelungen für Edelstahl, Frankreich über Regelwerke für Aluminium und Zinn. Exportiert man in diese Länder, sind diese Regelungen zusätzlich einzuhalten.

In Deutschland gibt es keine spezifischen Regelungen für Metalle, sodass auch hier auf die EU-Resolution des Europarates von 2013 zurückgegriffen wird.

Elastomere: Gummi, Silikone

Bei den Elastomeren unterscheidet man zwischen unterschiedlich geregelten Gummis und Silikonen. Auch hier gibt es EU-Resolutionen mit Positivlisten. In der Praxis basiert die Riskiobewertung häufig auf den Tests aus den nationalen Regularien, wobei die BfR-Empfehlungen gute Anerkennung finden.

  • Empfehlung XV: Silikone
  • Empfehlung XXI: Gummi

Bei der Risikobewertung wird dabei zunächst die Listung in der Resolution und im BfR geprüft und dann die entsprechenden Tests gemäß den BfR-Bestimmungen durchgeführt.

Thermoplastische Elastomere (TPE) hingegen fallen unter die Kunststoff-Verordnung 10/2011.

Besonderer Fall: BPA = Bisphenol A

Bisphenol A wurde in regelmäßigen Abständen auf eventuell „hormonell wirksame Eigenschaften“ geprüft. Die Beurteilung fällt jedoch auch nach wissenschaftlicher Prüfung recht unterschiedlich aus: Während die meisten EU-Länder und die Schweiz z. Z. davon ausgehen, dass die bisherige Regulierung und Einschränkungen ausreichend sind, führte Frankreich Anfang 2015 eine eigene Gesetzgebung ein, die dem bereits harmonisierten EU-Recht widerspricht. Die Diskussion über eine finale Regulierung dauert derzeit an.

 

Für Sie entscheidend
Konformität mit der Rahmen-Verordnung 1935/2004 muss gegeben sein
Zusammenfassend kann man sagen, dass für alle Materialien mit Lebensmittelkontakt die Konformität mit der Rahmen-Verordnung 1935/2004 gegeben sein muss. Alle anderen Regularien, die Details für die einzelnen Materialien enthalten, sind als Hilfsmittel zu deren Umsetzung zu betrachten.

Kunststoffe und deren Additive sind weitgehend EU-harmonisiert geregelt, während die anderen Materialien mit Lebensmittelkontakt durch nichtbindende EU-Resolutionen und nationale Vorschriften risikobewertet werden. Für diese gilt das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung, d. h., wurde ein Produkt in einem EU-Mitgliedsstaat legal auf den Markt gebracht, darf es auch in den anderen Mitgliedsstaaten verkauft werden.

Schlussendlich geht es immer um die Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit, wenn entsprechende Regularien zu Rate gezogen werden. Die Regularien sind sozusagen nur ein Werkzeug, um die Sicherheit zu gewährleisten. Die Listen von erlaubten Substanzen stellen lediglich eine Liste von bereits risikobewerteten Substanzen dar, auf die man zurückgreifen kann.

Es ist wichtig, die abschließende Bewertung in einem Dokument festzuhalten und jederzeit zur Verfügung stellen zu können, wenn ein Vertreter der Kontrollbehörde das einfordert. Das gewährleistet für den Verbraucher, verpackte Lebensmittel kaufen und konsumieren zu können, die gesundheitlich unbedenklich sind.

 

Teil 2

Material-Aspekte
Dieser Beitrag ist der 2. einer Serie von 4 Artikeln zur Sicherheit von Lebensmittelkontakt-Materialien. Er beleuchtet den Konformitätsansatz für verschiedene Materialien detaillierter. Themen 3 und 4 stehen in den kommenden Ausgaben im Fokus:
Teil 1: Grundinformationen & Gesetze zu Lebensmittelkontaktmaterialien (erschienen in der Ausgabe 12/2015)
Teil 2: Material-Aspekte
(aktuelle Ausgabe)
Teil 3: Ermittlung & Bewertung von Migrationen (Ausgabe 02/2016)

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