Neben dem schnellen Umgang 
mit kleinen Traglasten besteht die Stärke dieses kompakten Mehrzweck-Industrieroboters in der höheren Reichweite.

Neben dem schnellen Umgang
mit kleinen Traglasten besteht die Stärke dieses kompakten Mehrzweck-Industrieroboters in der höheren Reichweite. (Bild: Fanuc)

Was manuell ganz einfach ist, kann automatisiert zu einer echten Herausforderung werden: Einen Plastikbeutel oben so zu raffen, dass man ihn verschließen kann, ist erst dann ein komplexer Vorgang, wenn ihn ein Roboter erledigen soll. Das Beispiel zeigt, dass in der Verpackungsindustrie die Trends nicht unbedingt durch neue Robotermodelle, sondern durch neue Applikationen geprägt werden. Entwickelt wurde die automatisierte Beutelraff-Verschließmaschine von ASA Automatisierungs- und Fördersysteme, Mainhausen. Zwei LR Mate-Roboter übernehmen das Handling – und auf einmal sieht auch der automatisierte Ablauf einfach aus.

Es ist also Bewegung im Robotermarkt, wie auch ein Blick in die Statistik zeigt. Verglichen mit anderen Anwendungen wächst die Zahl der Roboter im Verpackungsbereich unauffällig, aber stetig. Im aktuellen Report des internationalen Verbandes IFR, der die Zahlen inklusive 2015 berücksichtigt, heißt es: „Packaging und Pick-&-Place sind im Segment ‚Handling Operations‘ seit 2009 der drittstärkste Anwendungsbereich." 481 Roboter beim Palettieren und 1.189 Roboter sind für Packaging, Picking und Placing hinzugekommen – ein Plus von immerhin fünf Prozent.

Das sieht aber beispielsweise für China ganz anders aus. Bei der vergleichbaren Ziffer 117 der internationalen Statistik sind für das Palettieren in China 3.869 neue Roboter dazugekommen. Das bedeutet gegenüber dem Jahr zuvor ein Plus von 71 Prozent. Packaging, Picking and Placing wuchsen dort von 2014 auf 2015 sogar dreistellig um 229 Prozent. 3.833 Roboter wurden neu verkauft.

Trotzdem: Neue Roboter wird es zur interpack nicht geben. Yaskawa hatte auf der Cebit den Stand des Partnerlandes Japan für eine Anlagenpremiere mit einem Roboterprototyp genutzt: Vier Miniroboter mit einer Traglast von 500 g waren dort zum Teilehandling eingesetzt. Nach Angaben des Unternehmens sollen auch Pick-Aufgaben einmal zum Betätigungsfeld des Ein-Pfünders gehören.

Die diversen Industrie-4.0-Plattformen – japanische Firmen nennen das eher IOT/Internet of Things – sollen die unterschiedlichsten Anlagenkomponenten miteinander verbinden. Yaskawa nennt es „Motoman Cockpit", Fanuc nennt es „Field". Kuka setzt, wie Siemens mit Mind-Sphere, auf die Microsoft Cloud Azure. Was Florian Kohut, Key Account Manager Packaging Industry bei Yaskawa, sagt, könnte für alle Anbieter gelten: „Wir prägen den aktuellen Megatrend Industrie 4.0 aktiv mit und begegnen den spezifischen Herausforderungen mit intelligenten Steuerungs- und Softwarekonzepten." Bezogen auf die Robotik stellt das Unternehmen in Düsseldorf Lösungen für standardisierte Schnittstellen und für die virtuelle Simulation von Anlagen und Prozessen vor. Wie sich Motoman-Roboter über die neue Schnittstelle Moto-Logix im gängigen IEC-61131-Umfeld schnell und unkompliziert über die SPS programmieren und steuern lassen, zeigt Yaskawa als Mitaussteller bei So-Matec Yilong.

Für Applikationen und Verpackungsaufgaben in der Medizintechnik, auf dem Pharmasektor, aber auch in der Getränke­industrie startete Yaskawa erst im vergangenen November den Verkauf des Motoman MH5BM, ein Sechsachser in Hygienedesign. Keineswegs eine Nische sind Roboter in Hygienedesign für Stäubli, Bayreuth. Dass die Roboter des Unternehmens in der Lebensmittelindustrie bevorzugt eingesetzt werden, hat gute Gründe, wie Gerald Vogt, Geschäftsführer Stäubli Tec-Systems und als Group Division Manager weltweit für die Robotik der Gruppe verantwortlich, sagt: „Gefragt sind – bezogen auf die Robotik – Hygienedesign, leicht zu reinigende Oberflächen und lebensmittelverträgliche Schmierung. Genau dabei kann Stäubli punkten." Denn schon in der Standardkonfiguration erfüllen die Roboter die Bedingungen für den Einsatz in Reinraumklasse ISO 5 und lassen sich bei Bedarf bis zur Stericlean-Variante für aseptische Produktionsbedingungen aufrüsten. Selbst den Fastpicker TP80 gibt es in HE-Ausführung.

Als Stäubli diesen Roboter auf den Markt brachte, schrieb das Manager Magazin online unter dem Titel „Roboter, auf die Sie achten sollten": Schneller geht es nicht. In der Tat sind Pickzahlen um oder über 200 Picks pro Minute immer noch das Maß der Dinge. Gerald Vogt: „Der Fastpicker TP80 erreicht über 200 Picks pro Minute und setzt damit weiterhin Maßstäbe." Er gibt aber auch zu, dass sich bei der technisch darstellbaren Dynamik die Frage stelle, ob das zu handhabende Produkt für die auftretenden Momente geeignet sei. „In einigen Verpackungsapplikationen müssen wir aufgrund produktseitiger Restriktionen mit reduziertem Speed zur Sache gehen."

Auch die Deltaroboter von Omron Adept kommen in der Praxis auf 200 Picks, wie Anwendungsingenieur Fabien Benoteau von einer Verpackungslinie für Kekse aus Frankreich berichtet. Zwei Quattro s650H nehmen mit einem Mehrfachgreifer bereits abgepackte Kekse vom Band und legen sie in einer Zwischenverpackung ab. Das Visionsystem ist hier ein elementarer Bestandteil der Picklinie. Ein dynamischer Puffer gleicht Störungen oder Schwankungen im Nachschub aus.

Rechnerisch noch darüber liegt der Deltaroboter M-2iA von Fanuc. Dieser Roboter bewältigt einen Pickzyklus (25 Millimeter/305 Millimeter/25 Millimeter) in 0,27 s und kommt so auf 222 Picks pro Minute.

Sind zwei Arme doppelt so geschickt?

Versucht wird, sowohl den wieder häufiger auftretenden zweiarmigen Robotern als auch den sogenannten kollaborativen Robotern ein Betätigungsfeld beim Picken und Packen zu verschaffen. Doch zweiarmig bedeutet ja nicht unbedingt schneller, vielleicht vielfältiger einsetzbar und geschickter. Unter den Roboterherstellern gibt es aber auch die Verfechter der „Ein-Arm-ist-besser"-Praxis: „Es gibt nichts, was ein zweiarmiger Roboter besser kann als zwei einarmige Roboter", sagt ein ehemaliger Geschäftsführer eines Roboterherstellers.

So werden auf der interpack 2017 Applikationen im Vordergrund stehen. Martin Modrack, Projektingenieur beim Mainhausener Systemintegrator ASA, sieht „Mass Customization" stärker im Kommen: „Damit werden einerseits die Vorteile der Massenproduktion genutzt, andererseits wird so den Anforderungen des Marktes nach kleinen Losgrößen und einer individuellen Produktion Rechnung getragen."

Auch Knapp verfügt über ein umfangreiches Portfolio an Fördersystemen, die auf unterschiedliche Anforderungen zugeschnitten sind und sich für Hochleistungsanwendungen anbieten.
Auch Knapp verfügt über ein umfangreiches Portfolio an Fördersystemen, die auf unterschiedliche Anforderungen zugeschnitten sind und sich für Hochleistungsanwendungen anbieten. (Bild: Knapp)

Roboter bieten einen interessanten Kosten-Nutzen-Faktor

Auch die Entwicklung eines „intelligenten Line Tracking" lässt sich am Beispiel einer ASA-Anlage zeigen. In der Pickeranlage für Lebensmittel arbeiten Deltaroboter in fünf hintereinanderliegenden Zellen. Clou der Anlage ist die Software „IR Pick Tool". Das Tool dient dem Line Tracking in Einzel- und Mehrfachroboterlinien. Die Software soll nach Angaben des Anbieters nicht nur das Programmieren erleichtern, sondern verbessert auch die Abstimmung – bei Menschen würde man von Zusammenarbeit sprechen.

Dabei arbeitet die erste Zelle als Masterzelle und signalisiert den nachfolgenden Zellen, welche Teile noch nicht gepickt wurden. Die letzte Zelle in der Reihe arbeitet unabhängig von den anderen mit einem eigenen Visionsystem. Grund: Liegengebliebene Produkte können durch das vorhergehende Picken entlang des Förderbandes verschoben sein. Mit einem neuen Bild können alle Teile restlos gepickt werden.

Überhaupt ist der Einsatz von Bildverarbeitung immer häufiger. Beim Picken geht es kaum noch ohne Visionsystem und beim Packen und Palettieren gemischter Einheiten lassen sich einzelne Lagen und Positionen schneller und genauer erkennen. So erhielt jüngst die Knapp AG, Hart bei Graz, Österreich, für ihren Pick-it-Easy-Roboter einen Preis als „Bestes Produkt auf der Logimat 2017". Ganz entscheidendes Detail ist die integrierte Bildverarbeitung.

Aber es sind eben nicht Roboter oder Kamerasysteme oder Software-Optionen der Kern eines Systems. Insofern ist leicht nachvollziehbar, was Sabine Gauger, Marketingchefin der Optima Packaging Group, Schwäbisch Hall, zu Trends in der Automatisierung sagt: „Für den Käufer und Betreiber einer Anlage zählt nur das Ergebnis der kompletten Verpackungslösung." Selbstverständlich würden immer mehr Roboter eingesetzt, aber wenn über die „Verpackungsmaschine 4.0" gesprochen werde, dann sei ein Roboter nur Mittel zum Zweck. So ist auch das interpack-Motto von Optima zu verstehen: Mission Total Care. Eine Anlage bis zur letzten Produktionseinheit über die gesamte Lebensdauer zu konzipieren, setze zuverlässige Technik, vor allem aber vorausschauendes Denken voraus.

Kuka delegiert den interpack-Auftritt an Systempartner, wie beispielsweise Koch Robotersysteme, München (Hauptsitz Dernbach). Die seit über 20 Jahren eng mit Kuka verbundenen Automatisierungsspezialisten stehen für schlüsselfertige Anlagen – meist mit Roboter. Zu den Neuheiten zählt der Robot Flex Packer, eine robotergestützte Folien-Verpackungsmaschine mit der Möglichkeit, vom Roboter auch palettiert zu werden. In der Praxis gerne gesehen: die kompakte Ausführung und die automatische Produkt­umstellung. Auch in dieser Maschine ist ein handelsüblicher Roboter eingesetzt. „Kuka-Palettierroboter erfüllen sämtliche Anforderungen zukunftsweisender Automation", sagt Michael Fraede, Marktsegment Manager Consumer Goods bei Kuka Robotics. Dabei kennt er selbst die am häufigsten genannten Anforderungen an Palettierroboter: „Hohes Tempo, gerade in der Nahrungsmittelindustrie. Trotzdem darf die Präzision nicht auf der Strecke bleiben." Der größte Nutzen eines Robotereinsatzes generell sollte „ganz klar" die Steigerung der Produktionsleistung sein.

Florian Kohut, Yaskawa, noch einmal: „Die Verpackungsindustrie hat in den letzten Jahren erkannt, dass Roboter eine hohe Flexibilität und Vielseitigkeit bei einem sehr interessanten Kosten-Nutzen-Faktor bieten."

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