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Studie | Kein Mensch kann sich gewissen Schlüsselreizen entziehen. Das ist biologisch so festgelegt. Dieser Fakt lässt sich auch entscheidend für wirkungsvolle Markenkommunikation nutzen. Eine aktuelle Grundlagenstudie zeigt auf, wann und warum sich Gestaltungselemente von Verpackungen, so genannte Farb- und Form-Cues als Schlüsselreize positiv ergänzen und wann und warum ihre negative Interaktion eine Kaufentscheidung beim Konsumenten sogar verhindert.

Dem sehr anschaulichen Begriff Schlüsselreiz liegt die Vorstellung zugrunde, dass die auslösenden Merkmale einem Schlüssel gleichen, der genau in ein Schloss eingeführt werden kann und dieses öffnet. Die Bauteile des Schlosses und deren Anordnung entsprechen dabei einem angeborenen Auslösemechanismus. Dadurch wird ein bestimmtes Verhalten in Gang gesetzt. Die Verhaltensbiologie zeigt, dass beispielsweise der Angstruf eines Hühnerkükens ein Schlüsselreiz für die Hühnermutter ist. Wird ein Hühnerküken unter eine schalldichte Glasglocke gesetzt, so kommt diesem seine eigene Mutter nicht zu Hilfe, obwohl sie das rufende Küken sehen kann. Allerdings reagiert sie sofort auf den Angstruf des Kükens, selbst wenn sie es nicht sehen kann. Ein Schlüsselreiz ruft also immer eine bestimmte Handlung hervor. Dies ist genetisch bedingt, muss also von dem Lebewesen nicht erlernt werden.

Auch beim Menschen existieren Schlüsselreize, die ein bestimmtes Verhalten auslösen. Das so genannte „Kindchenschema" ist ein Schlüsselreiz - der über einen Auslösemechanismus beim Menschen das Brutpflegeverhalten auslöst. Auch bei der Sexualität existieren Schlüsselreize, was sich im Verhaltensmuster vieler Menschen niederschlägt. Der Mensch ist jedoch eher in der Lage ein vorgegebenes Muster willentlich zu durchbrechen.

Im Jahr 2004 bat das amerikanische People Magazin seine Leserinnen und Leser, die perfekte Frau zu küren. Das Ergebnis klang vielversprechend: Die perfekte Frau hätte die vollen Lippen von Angelina Jolie, die zarte Nase von Sienna Miller, die Haarpracht von Jessica Simpson, die geheimnisvollen Augen von Kate Bosworth und das üppige Dekolleté von Salma Hayek. Diese Komposition aus idealen Schlüsselreizen (=Cues) wurde dann auch gleich bildlich in Form einer Fotomontage umgesetzt.

Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile
Das Ergebnis ist - allen Erwartungen zum Trotz - wenig attraktiv, ansehnlich oder begehrenswert. Die so konstruierte „perfekte Frau" erinnert stattdessen frappierend an bekannte Beispiele missglückter plastisch-chirurgischer Eingriffe und ist gleichzeitig eine plakative Bestätigung bekannter psychologischer Erkenntnisse: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. In der Interaktion funktionieren die einzelnen Elemente nicht. Das Ergebnis wirkt vielmehr abschreckend als verlockend.

Die aktuelle Grundlagenstudie „Package Design - State of the Art & State of Science" des Marktforschungsinstitutes Target Group Marketing Research aus Frankfurt, der Wiesbaden Business School (Hochschule RheinMain), sowie der Agentur für Markengestaltung Jack Smith, Wiesbaden, nimmt sich genau dieses zentralen Themas an und zeigt auf, wann die Interaktion von Schlüsselsignalen bei der Gestaltung von Konsumgüterverpackungen die Attraktivität beim Konsumenten steigert und ihn so zu Kaufentscheidungen hin stimmt. Sie zeigt auch, wann sich Cues eher stören, gegenseitig in ihrer Wirkung beeinträchtigen und dadurch der Kaufanreiz abnimmt.

Fehler im Verpackungsdesign
Bei der Gestaltung einer neuen Packung oder beim Packungs-Relaunch muss über eine Vielzahl zu kommunizierender Schlüsselinformationen entschieden werden, wie Markenname und auslobende Textelemente, Gestaltungselemente wie Material, Form, Farbe, Typographie, verwendete Bilder bzw. graphische Elemente, deren Anordnung und Größe. Jedes Signal, jeder Cue einer Verpackung kommuniziert und trägt zum Gesamteindruck der Packung und ihrer Wirkung bei und hat direkten Einfluss auf die Kaufentscheidung des Verbrauchers.

Die neue Studie belegt klar, dass bei der Auswahl und Kombination von Schlüssel-Cues immer noch eine Vielzahl von Fehlern gemacht werden. Wie im Beispiel der perfekten Frau werden Elemente miteinander kombiniert, die in Summe kontraproduktiv kommunizieren, die Attraktivität und Begehrlichkeit des Produkts reduzieren und die abverkaufswirksame Kommunikation behindern:

Farb- und Formcodes harmonieren nicht miteinander,

Kategorieregeln werden bei der Gestaltung verletzt,

der Produktname passt nicht optimal zum Produkterlebnis,

die Wertigkeit reflektiert sich nicht in der Gestaltung und

Störsignale verhindern eine positive Markenkommunikation.

Konkret heißt das, dass es Packungen gibt, die mit dynamischen Aktivitäts-Cues ausgestaltet sind, obwohl die betreffende Marke oder das betreffende Produkt eigentlich Entspannung verspricht und Verwöhnqualitäten aufweist. Umgekehrt kann gezeigt werden, dass langweilige und unprofilierte Verpackungssignale gewählt wurden, obwohl die Produkte Lebensfreude und Spaß kommunizieren sollen.

Auch werden elementare Eigenschaften der Produkte, wie bei Nahrungsmitteln zum Beispiel die weiche oder eher härtere Konsistenz, nur unzureichend im Verpackungsdesign widergespiegelt. Dadurch werden bei den Konsumenten eher falsche Erwartungen geweckt, die dann in der Folge zu einem negativen Produkterlebnis bis hin zur Produktenttäuschung führen.

Ein weiterer Knackpunkt: Nicht selten werden miteinander inkonsistente Schriften eingesetzt. Dann finden sich auf einer einzigen Verpackung sehr zarte und feminine Schriften und gleichzeitig Typos, die eher maskuline Prägung aufweisen. Dem Konsumenten fällt so die Beurteilung, ob das betreffende Produkt für ihn passend ist oder nicht - und somit auch die Kaufentscheidung - schwer. Selbst bei namhaften und renommierten Markenartikel-Verpackungen lässt sich ein suboptimales Cue-Management nachweisen.

Verpackungsdesign, das funktioniert
Aus den Studienergebnissen lassen sich aber auch unmittelbare Empfehlungen für die Entwicklung und Kreation von abverkaufsrelevanten Verpackungen und zielsicherer Verpackungskommunikation ableiten. Setzt man bewusst konsistente Signale ein - das lässt sich über die sensiblen Tools der tgmr TARGET GROUP Marktforschung im Vorfeld überprüfen - , dann werden Verpackungen für den Verbraucher attraktiver. Die Folge: eine gesteigerte Kaufpräferenz. Wenn also alle Signale (Cues) psychologisch in die gleiche Richtung kommunizieren, erleichtert das die Informationsverarbeitung beim potentiellen Verbraucher. Er entscheidet schneller und ist eher geneigt, zu dem harmonisch und stimmig gestalteten Produkt zu greifen. Für Unternehmen kann die Verpackungsgestaltung also zu einem zentralen Element der konsistenten Markenpflege werden, um sich im harten Wettbewerb von anderen Produkten und Marken dauerhaft attraktiv abzuheben.

Die Marktforschung legt den Grundstein
Die Forscher konnten nachweisen, wie wichtig es ist, auf Details zu achten. Denn bereits kleine, oft erst auf den zweiten oder dritten Blick erkennbare Unstimmigkeiten der Elemente Typographie, Bild, Farb- und Namensgebung können eine signifikant reduzierte Kaufabsicht zur Folge haben. Umso wichtiger ist es, Schwächen schon in der Konzeption und Gestaltungsphase zu erkennen und auszuschließen.

Die Messung inkonsistenter Cues verlangt nach besonders sensiblen Methoden der Marktforschung, die teilweise im krassen Widerspruch zu bislang in der Praxis häufig verwendeten qualitativen und quantitativen Instrumenten stehen. Aufbauend auf den Studienergebnissen wurde ein neues, zweistufiges Verfahren der Konsistenzforschung entwickelt, eine Kombination aus impliziten Verfahren und darauf aufgesetzt eine von den Spezialisten entwickelte Konsistenzanalyse. Außerdem wurde eine Cue-Database erstellt, die zeigt, wie gewisse Merkmale beim Verbraucher psychologisch verortet sind und wie sie dann als Signale in der Markenkommunikation emotional bedeutsam werden. Diese Systematik eröffnet neue Chancen und Perspektiven für alle Marken- und Produktmanager sowie für Verpackungsgestalter von Konsumgütern zur schnelleren und besseren Durchsetzung am Point of Sale.

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