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Alois Allgaier, Hauptbereichsleiter Steuerungstechnik von Multivac

neue verpackung: Die RFID-Technik gilt in vielen Branchen als Zukunftsmodell. Der echte Durchbruch der smarten Tags steht meistens aber noch aus. Wie sieht es diesbezüglich in der Verpackungsindustrie aus?
Alois Allgaier: Nicht anders. Es gibt eine Reihe äußerst vielversprechender Ansätze. Von einem Durchbruch möchte ich aber auch in unserem Industriesegment noch nicht sprechen.

neue verpackung: Wo setzt Multivac RFID ein?
Allgaier: Wir bieten die Radiofrequenz-Technologie optional zur Benutzeridentifikation an den IPC-Steuerungen unserer Verpackungsmaschinen an. Bislang geschieht dies meist mit Hilfe eines Passworts - ein Verfahren, das erfahrungsgemäß nicht hundertprozentig sicher ist, da der Nutzer sein Passwort vergessen kann, oder Passwörter ja auch geknackt werden können. Mit dieser zum Patent angemeldeten Lösung auf RFID-Basis können wir diese Risiken minimieren, da sich der jeweilige Bediener kontaktlos über seinen Mitarbeiterausweis an der Maschine identifiziert. Der Ausweis enthält dazu einen eindeutigen Schlüssel, der per Funk übertragen wird und auch für unterschiedliche Berechtigungskonzepte genutzt werden kann.

neue verpackung: Was heißt das?
Allgaier: Wir haben in der IPC-Steuerung unserer Verpack-
ungsmaschinen ein mehrstufiges Bedienkonzept hinterlegt. So kann beispielsweise nur der Nutzer die Maschine warten, der dazu berechtigt ist. Das verbessert die Bediensicherheit. Auch Änderungen von Maschinenparametern lassen sich so jederzeit beschränken und nachvollziehen. Gleichzeitig verwenden wir das gleiche System, das als Zugangskontrollsystem zum Verpackungsraum verwendet wird.

neue verpackung: Wie funktioniert das Ganze technisch?
Allgaier: Wir haben einen kombinierten RFID-Lese/Schreibkopf in die Maschinensteuerung integriert. Für die Benutzer-identifikation wird allerdings nur die Lese-Funktion verwendet. Die Daten werden dann vom Lesegerät über eine Standard-USB-Schnittstelle in das Steuerprogramm der Maschine übertragen und dort verarbeitet. Auch die Identnummern der zu lesenden Karten werden in der Steuerung verwaltet und die entsprechenden Rollen oder Benutzerlevel zugeordnet. Beim Anmelden erfolgt automa-
tisch ein Vergleich: Ist der Bediener berechtigt, wird die entsprechende Rolle gesetzt.

neue verpackung: Wie groß ist derzeit das Interesse an der Option „kontaktlose Benutzeridentifikation"?
Allgaier: Weltweit liefern wir etwa jede zehnte Maschine mit RFID aus, Tendenz steigend. Allerdings ist die Nachfrage regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. Die größte Nachfrage kommt aus Deutschland und der Schweiz.

neue verpackung: Wie sieht es dagegen bei den Spezialkammermaschinen aus, bei denen Sie die RFID-Technik einsetzen?
Allgaier: Hier ist die Situation eine ganz andere: Die RFID-Tags werden in diesem Fall ja nicht zur Identifikation von Personen sondern von Objekten eingesetzt. Bei unserer Spezialkammer-
maschine C 400 TC dienen die Funketiketten dazu, die Beutelhalterung zu identifizieren. Die medizintechnische Industrie ist heute mehr und mehr mit einer hochgradigen Individualisierung von Verpackungsinhalt und Kennzeichnung konfrontiert, und hier leistet die RFID-Technik hervorragende Dienste.

neue verpackung: Wie funktioniert das konkret?
Allgaier: Die Kammermaschine erkennt die eingesetzte Beutelhalterung kontaktlos anhand seines RFID-Tags. Mit dem Einsetzen der Beutelhalterung wird in der Steuerung automatisch das richtige Rezept zu dieser Halterung geladen. Der Bediener muss zusätzlich noch den Barcode von Produkt und Beutel einscannen. Dabei wird überprüft, ob alle Komponenten zusammenpassen. Ist das nicht der Fall, wird der Bediener sofort informiert. Das Verfahren eröffnet der medizintechnischen Industrie die Möglichkeit, ihre Verpackungsprozesse sicher, reproduzierbar und nachvollziehbar zu gestalten. Zudem wird der gesamte Prozess lückenlos dokumentiert und durchgängig überwacht.

neue verpackung: Warum reicht der klassische Barcode hier nicht alleine aus?
Allgaier: Nun, die Transponder-Chips können wesentlich mehr und flexiblere Daten aufnehmen, als sich mit den klassischen Strich- oder Barcodes darstellen lassen. Während die EAN-Nummer nur generell über die Art des Artikels informiert, lassen sich mit dem auf RFID-Chips gespeicherten Elektronischen Produktcode (EPC) zusätzliche Informationen verarbeiten. Außerdem ist kein direkter Sichtkontakt zwischen Reader und Transponder nötig.

neue verpackung: Stichwort Drucken: Wie sieht es mit der Handhabung von Funketiketten bei Multivac aus?
Allgaier: Auf den Kennzeichnungssystemen von Multivac Marking & Inspection können RFID-Etiketten von der Rolle verarbeitet werden. Ihre Handhabung ist allerdings anders als die von herkömmlichen Papier- oder Folienetiketten. Da RFID-Etiketten ein Inlay aus Mikrochip und Antenne enthalten, sind sie vergleichs-
weise steif. Bei der Abwicklung über kleine Rollen lösen sie sich daher sehr schnell vom Trägerband ab. Aus diesem Grund setzen wir zur Verarbeitung dieser Etiketten eine besondere Form der Etikettenabwicklung ein.

neue verpackung: Welche Einsatzszenarien sind für Ihre Kunden besonders wichtig?
Allgaier: Unserer Erfahrung nach werden RFID-Etiketten häufig bei hochpreisigen Waren zur Diebstahlsicherung eingesetzt. Dabei empfehlen wir unseren Kunden, die RFID-Etiketten im Inneren der Verpackungen anzubringen, damit sie am PoS nicht entfernt werden können. Umsetzen lässt sich das sehr leicht mit Hilfe eines Querbahnetikettierers, der vor der Siegelstation auf der Verpack-
ungsmaschine montiert wird. Er platziert die Etiketten auf die Packungsinnenseite, bevor die Packung versiegelt wird. Wir selbst haben RFID-Konzepte aber auch schon im Zusammenhang mit Produktpiraterie erprobt.

neue verpackung: Inwiefern?
Allgaier: Maßnahmen zum Schutz des eigenen geistigen Eigentums und zur Rückgewinnung von Marktanteilen von Nachahmer-Firmen sind Bestandteil unserer Unternehmens-
strategie. Eine Möglichkeit, Komponenten oder Maschinenteile vor Fälschungen zu schützen, stellen RFID-Systeme dar. Wir haben 2008 bis 2011 an einem entsprechenden Verbundprojekt mitgewirkt, an dem auch drei Lehrstühle der Technischen Universität München beteiligt waren.

neue verpackung: Das Verbundprojekt lief damals unter dem Namen „Pro Authent". Sie haben entsprechende Sicherungssysteme für den Verpackungsmaschinenbau untersucht?
Allgaier: Genau. Unser Ziel war es, unternehmenskritische Bauteile von Verpackungsmaschinen durch Kennzeichnungs-
systeme und sichere Authentifizierungsverfahren absolut fälschungssicher zu machen. Dabei haben wir uns auf zwei Bauteile konzentriert, nämlich die Folientransportkette und die Siegeldichtungen für unsere Tiefziehverpackungsmaschinen. Um Produktpiraterie bei diesen Bauteilen zu verhindern, haben wir die RFID-Technologie zur Produktauthentifizierung genutzt. Dabei kamen Hochfrequenztransponder sehr kleiner Bauart zum Einsatz. Diese wurden durch konstruktive Änderungen direkt in die beiden Bauteile eingebaut.

neue verpackung: Welches Ergebnis haben Sie erreicht?
Allgaier: Wir konnten eingebaute Maschinenteile mit Hilfe einer Teilenummer und einer Signatur eindeutig als Originale identi-
fizieren. Neben dem Einbringen der Transponder in die zu schützenden Bauteile haben wir eine Verpackungsmaschine umkonstruiert und mit den erforderlichen Lesegeräten ausgestattet. Mit der Lösung lässt sich die Echtheit nicht nur entlang der gesamten Wertschöpfungskette prüfen, sondern ist sogar während des gesamten Lebenszyklus möglich.

neue verpackung: Welche Vorteile hat diese Lösung für Ihre Kunden?
Allgaier: Unsere Kunden können die Daten aus der Produkt-
identifizierung in ihrem Produktionsprozess einsetzen. Die Instandhaltung lässt sich verbessern, da sich das Verschleißverhalten durch eine bauteilindividuelle Standzeiterfassung besser vorhersagen lässt, und man so die Kosten besser abschätzen kann. Außerdem kann es beim Wechsel der Maschinenteile zu keiner Verwechslung mehr kommen, da sich das Bauteil eindeutig identifizieren lässt. Der Prozess ist also sicherer und schneller, was die Stillstandzeiten reduziert.

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Unternehmen

Multivac Sepp Haggenmüller SE & Co.KG

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