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Neben den gesetzlichen Vorgaben regeln zahlreiche von Unternehmen oder Normungsgremien erstellte Standards die Herstellung von Lebensmitteln und deren Verpackungen. Allen Standards gemein ist die Zielsetzung, durch einheitliche und transparente Bewertungskriterien Lebensmittelsicherheit herzustellen, die chemische, mikrobiologische oder physikalische Verunreinigung des Lebensmittels zu vermeiden, sowohl die Produktqualität als auch die Legal Compliance sicherzustellen, und nicht zuletzt den Handelsunternehmen und Lieferanten durch eine nur einmalige Zertifizierung Aufwand zu ersparen.

Auch Druckereien und Converter, die Lebensmittelverpackungen herstellen, haben über die letzten Jahre hinweg Hygiene-
managementsysteme eingeführt. Zwei Vorgehensweisen sind etabliert: Dies sind entweder Systeme, die auf der europäischen Norm EN 15593 oder der internationalen Norm ISO 22000 basieren, oder es sind Systeme, die auf Initiativen von Unternehmen wie BRC/IOP (British Retail Consortium/Institute of Packaging), IFS Food (International Featured Standard Food ) oder die GFSI (Global Food Safety Initiative) zurückgehen. Alle Systeme erwarten die Durchführung von Risikoanalysen, betrachten die Produktion, Lagerung und den Transport und enthalten die Forderung, dass Zulieferer in das Hygienemanagement einzubinden sind.

Besonders die Norm EN 15593 richtet sich in der Lebens-
mittelzulieferkette an Verpackungshersteller und enthält einen detaillierten, auf Verpackungshersteller zugeschnittenen Anforderungskatalog. Oft kommt es in der Folge dazu, dass eine Druckerei Hygienerisiken der Lebensmittelverpackungsherstellung eins zu eins auf Druckfarben überträgt. Dies ist jedoch nur eingeschränkt sinnvoll, denn die erwähnten Standards sind alle gedacht, auf Lebensmittel oder Lebensmittelkontaktmaterial angewandt zu werden. Druckfarbe wird jedoch auf der vom Lebensmittel abgewandten Seite aufgebracht. Um einen möglichen Stoffübergang der Farbe durch die Verpackung auf das Lebensmittel zu vermeiden, haben Druckfarbenhersteller längst mit Produkten reagiert, die speziell für Lebensmittelverpackungen geeignet sind, sogenannte migrations- und gerucharme Farben (MGA-Farben).

Hygienerisiken von Druckfarben
Bei einer Analyse von Hygienerisiken von Druckfarben - in der Regel mittels der FMEA- (Failure Mode and Effects Analysis, Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse) Methode - werden nur indirekt Risiken für die Verpackung bzw. den Druckprozess betrachtet. Um die Druckereien in ihrer Risikoanalyse für die fertige Lebensmittelverpackung besser zu unterstützen, werden direkt mögliche chemische, physikalische oder mikrobiologische Verunreinigungen für das verpackte Lebensmittel durch Druckfarbe untersucht. Die technische Qualität der Druckfarbe oder des Druckfarbenfilmes ist hierbei nicht Gegenstand der Betrachtungen.

Mögliche Risikoauslöser können zum Beispiel die in der Druckfarbe eingesetzten Rohstoffe sein, aber auch Mitarbeiter, Verschleppung in Anlagenteilen, eingesetzte Hilfs- und Schmiermittel, Wartungs- und Reinigungsarbeiten sowie die örtlichen Gegebenheiten in den Produktions- und Lagerräumen selbst.

Chemische Verunreinigung eines Lebensmittels kann entstehen, wenn niedermolekulare Bestandteile aus der Druckfarbenschicht durch den Bedruckstoff hindurch in das Lebensmittel migrieren oder Druckfarbenbestandteile durch unsichtbaren Abklatsch im Stapel - auch als invisible set off bezeichnet - später mit dem Füllgut in Berührung kommen. Des Weiteren ist eine Beein-
trächtigung des Füllguts auch ohne direkten Kontakt über den Luftraum innerhalb der Verpackung möglich. Gegenmaßnahmen müssen dann ergriffen werden, wenn unbewertete Stoffe in Mengen größer 10ppb und bewertete Stoffe in Mengen über dem stoffspezifischen Migrationslimit bzw. dem Gesamtmigrationslimit in das Lebensmittel übergehen können. Bei MGA-Farben ist das Ziel darüber hinaus, Migration über gesetzliche Vorgaben hinaus deutlich zu reduzieren. Die FMEA unterscheidet nicht zwischen Primär- und Sekundärlebensmittelverpackung. Zum einen ist die Begrifflichkeit nicht eindeutig, zum anderen stellen Verpack-
ungsbestandteile wie zum Beispiel PE Innenbeutel, die mit dem Füllgut in Berührung kommen, häufig keine wirksame Barriere für chemische Substanzen dar.

Die Liste der Maßnahmen gegen die chemische Verunreinigung von Lebensmittel durch Druckfarben ist lang. Eine Schlüssel-
funktion kommt der sorgfältigen Auswahl von Rohstoffen zu - so dürfen beispielsweise nur Stoffe eingesetzt werden, die in der Schweizer Bedarfsgegenstände-Verordnung 817.023.21 aufgeführt sind. Bei Verpackungen aus Plastik wird auf die Europäische Verordnung 10/2011 über „Materialien und Gegenstände aus Kunststoff, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen" zurückgegriffen, selbst wenn sie nicht für Druckfarbe gilt. Markenartikler schließen darüber hinaus häufig noch weitere Stoffe aus.

Für Lebensmittelverpackungen geeignete Rohstoffe werden im EDV-System markiert. Dies ermöglicht, automatisch jedes Farb- und Lackrezept für eine Lebensmittelverpackung dahingehend zu überprüfen, ob nur geeignete Rohstoffe enthalten sind und ob die Chargenrückverfolgung vollständig ist. Reinigungspläne für Anlagen und Gebäude, Listen zugelassener Hilfsstoffe und Reinigungsmittel und besondere Vorgaben für Wartungsarbeiten sind weitere Maßnahmen.

Für MGA-Produkte werden zusätzlich strengere Maßnahmen vorgeschrieben. Rohstoffe werden auf sogenannte NIAS (non intentionally added substances) hin untersucht, das Migra-
tionspotenzial wird nach dem worst-case-Prinzip beurteilt, das eine vollständige Migration eines Inhaltsstoffes annimmt. Rohstoffläger und Fertigungsstätten sind räumlich getrennt, es findet eine analytische Endkontrolle statt und Verpackungen sind versiegelt. Physikalische Verunreinigungen einer Druckfarbe durch Fremdkörper - wie Bruchteile von Holz, Metall oder Glas - stellen in der Praxis kein Hygienerisiko für das verpackte Lebensmittel dar, weil sie nicht über die Druckmaschine hinaus kämen. Da eine physikalisch verunreinigte Farbe nicht verdruckbar ist, werden Fremdkörper in einer FMEA natürlich trotzdem betrachtet.

Je nach Druckverfahren ist eine mikrobiologische Verunreinigung denkbar. In lösemittelbasierten Druckfarben, in unter UV-Licht aushärtenden Farben und in konventionellen Offsetdruckfarben ist Keimwachstum nicht möglich bzw. sehr stark eingeschränkt. In UV-Systemen werden Keime beim Trocknen durch UV-Licht abgetötet. In wasserbasierten Farbsystemen ist eine Verkeimung jedoch grundsätzlich möglich und muss dementsprechend verhindert werden. Neben einfachen persönlichen Hygieneregeln sind hier eine Ungezieferkontrolle durch zertifizierte Unternehmen wichtig und die Einhaltung strikter Reinigungspläne für Räume und Anlagen. Grundsätzlich werden Druckfarben für Lebens-
mittelverpackungen nur unter Anwendung der EUPIA Good Manufacturing Praxis (Guten Herstellungspraxis) rezeptiert, hergestellt und vertrieben. Lieferantenaudits unterstützen die sorgfältige Rohstoffauswahl.

Eine Schlüsselfunktion zum Erfolg des Hygienemanagements liegt bei dem sensiblen Thema der Lebensmittelverpackungen jedoch in der offenen Kommunikation der Beteiligten, im hier genannten Fall zwischen Druckfarbenhersteller und Drucker. Zu klären ist, welche Farbe für welchen Anwendungszweck geeignet ist und wie sie fachgerecht verarbeitet wird. Es bedarf aussagekräftiger technischer Information und detaillierter Angaben zur Zu-
sammensetzung der Druckfarbe. Eine MGA-Garantie schließt von vornherein gewisse Verschleppungsrisiken aus und hält Stoffübergänge auf niedrigstem Niveau. Abschließend lässt sich festhalten, dass die FMEA-Methode als bewährtes Werkzeug für Risikoanalysen auch ein hervorragendes Kommunikationsmittel zwischen Druckerei und Druckfarbenhersteller darstellt. Sie macht transparent, welche Punkte des Entwicklungs- und Herstellungsprozesses einer Druckfarbe ein Risiko für das verpackte Lebensmittel darstellen.

 

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