Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verpackungsinstituts e.V. (dvi)

Thomas Reiner, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Verpackungsinstituts e.V. (dvi) (Bild: dvi)

Unternehmen der Verpackungswirtschaft wollen mit dem 1. Tag der Verpackung einen Blick hinter die Kulissen der Verpackung geben. Dieser findet rund um den 11. Juni in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Hersteller von Verpackungen und Verpackungsmaterialien sowie Forschungsinstitute, Verbände und Agenturen öffnen an diesem Tag ihre Türen und geben Einblicke in eine Industrie, die für unsere Versorgung grundlegend ist. Thomas Reiner vom Deutschen Verpackungsinstitut e.V. (dvi) in Berlin zeigt bereits vorab einige Vorteile von Verpackungen auf:

Stillt den Hunger und löscht den Durst

„Ohne Verpackung gelangen unsere Lebensmittel nicht dorthin, wo sie gebraucht werden: Auf unsere Tische und in unsere Mägen“, sagt Reiner. „Erst mit Hilfe einer Verpackung können wir unsere Lebensmittel sammeln, transportieren, lagern und vor schädlichen Einflüssen schützen. Lebensmittel und ihre Verpackung gehören zusammen, schon seit der Steinzeit, als die Menschen Blätter zu Tüten gedreht oder Tierhaut zu Beuteln gebunden haben, um ihre Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern.“

Neben Schutz, Transport und Lagerung haben heutige Lebensmittelverpackungen noch weitere Aufgaben. „Sie erleichtert die Handhabung des Inhalts, informiert über Menge, Herkunft und Inhaltsstoffe, garantiert die Unversehrtheit und bewahrt die Qualität, wirbt, kommuniziert, ist markenbildend und geht - als Pionier der Kreislaufwirtschaft - am Ende ihres Lebenszyklus in das Recycling“, eklärt Reiner. In Deutschland wurden 2013 nach Auskunft der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung fast 97 Prozent aller Verpackungen der Verwertung zugeführt, über 80 Prozent wurden recycelt.

Lebensmittelverluste und -verschwendung

Die Verpackung fällt besonders dort auf, wo sie fehlt. Nach Angaben des World Food Programms leben 98 Prozent der Hungernden in Ländern, in denen mehr als 40 Prozent der Lebensmittel nach der Ernte verloren gehen, lange bevor sie den Verbraucher erreichen. Mehr als 800 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen. An Hunger sterben laut der World Health Organization (WHO) jährlich mehr Menschen als an AIDS, Malaria und Tuberkulose zusammen. „Wenn wir erreichen, dass die Nahrungsmittel auf dem Weg vom Feld zum Markt ordentlich verpackt sind, sodass sie länger halten und nicht verderben, können wir im Kampf gegen den Hunger viel erreichen“, zeigt sich Reiner überzeugt.

Aber auch in den Industriestaaten gehen mehr als 40Prozent der Lebensmittel verloren. Im Unterschied zu den weniger entwickelten Ländern verdirbt die Nahrung jedoch nicht auf dem Weg zum Konsumenten, sondern nachdem sie ihn erreicht hat. So stellt eine Untersuchung von WWF Schweiz und foodwaste.ch fest, dass in der Schweiz zwei Prozent der Lebensmittel im Großhandel verloren gehen, fünf Prozent im Einzelhandel und 45 Prozent beim Konsumenten. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft kommt für Deutschland auf 61 Prozent. Das sind elf Millionen Tonnen Lebensmittel oder mehr als 80 Kilogramm pro Jahr und Haushalt. Für Europa spricht die Landwirtschaftskammer Österreich von jährlich 89 Millionen Tonnen Lebensmittel, das sind fast 180 Kilogramm pro Bürger. Das Essen, das wir in Europa im Müll entsorgen, würde zwei Mal reichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren, rechnet der Dokumentarfilmer Valentin Thurn in seinem Film „Die globale Lebensmittelverschwendung“ vor.

Der Grund für die Verschwendung: Wir kaufen als Verbraucher oft zu viel ein oder werfen Lebensmittel aus falscher Vorsicht weg. So gilt das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) auf der Verpackung zu oft als Datumsgrenze für die Mülltonne. Die EU erwägt deshalb eine Abschaffung des MHD für lange haltbare Lebensmittel. „Aber schon lange vor dem Ablauf der Mindesthaltbarkeit verleiten uns kleine Macken oder Verfärbungen dazu, die Nahrung wegzuwerfen. Zudem machen Frischeprodukte den größten Teil der Verluste aus“, erklärt Reiner. „Auch hier kann eine Verpackung helfen, denn sie sorgt dafür, dass die Nahrungs- und Genussmittel ihre Qualität lange halten und dabei frisch und appetitlich aussehen - auch im subjektiven Auge des Konsumenten. Und der entscheidet letztlich, was in der Mülltonne landet, und was auf dem Tisch.“

Dieser Ansatz wird auch von der Politik aufgegriffen. In einem Antrag der großen Koalition vom 13. Januar 2015 wird unter dem Titel „Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschätzen“ gefordert, kleinere Verpackungen einzusetzen und die Innovationen in der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben, damit weniger Lebensmittel in Mülleimer landen.

Ressourcen schonen

Lebensmittelverluste stellen auch für Umwelt und Volkswirtschaften ein Problem dar. Ein Umstand, der gleichermaßen auf entwickelte und weniger entwickelte Länder zutrifft. Denn in jedem Lebensmittel steckt Energie, Wasser, Ackerfläche, Arbeitszeit und Geld. Die Verschwendung geht also weit über das Brot, die Milch oder die Mango hinaus.

Lebensmittelabfälle kosten die Welt nach Angaben der FAO schon jetzt jedes Jahr rund 2,5 Billionen Euro. Die verlorene Produktion macht dabei etwa eine Billion Euro aus. 700 Milliarden Euro entfallen auf die Umwelt-, 900 Milliarden Euro auf die sozialen Kosten.

Laut den Experten des UNESCO Institute for Water Education gehen mit jeder Tomate rund 13 Liter Wasser verloren, mit jedem Ei rund 200 Liter und mit 100 Gramm Rindfleisch sogar über 1.500 Liter. Die Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass bei der Produktion von einem Kilogramm Nahrung rund ein Kilogramm des klimaschädlichen Gases CO2 entsteht. Bei 1,3 Milliarden Tonnen weltweiten Lebensmittelverlusten pro Jahr sind das 1,3 Milliarden Tonnen CO2. Britische Studien sprechen von sieben Prozent des weltweiten, jährlichen CO2-Ausstoßes.

„Lebensmittel verpacken lohnt sich“, sagt Reiner. „Die ökonomischen und ökologischen Kosten der Verpackung liegen deutlich unter den Kosten der verpackten Lebensmittel. So stammt etwa bei Lebensmitteln 90 Prozent der ökologischen Belastung vom Lebensmittel und nur zehn Prozent von der Verpackung. Die Verpackung ist ein kleiner Aufwand, der großen Ertrag bringt. Und sie wird auch selbst immer besser im Hinblick auf die eingesetzten Ressourcen. So brauchen wir für die Herstellung von Behälterglas heute nur noch 40 Prozent der Energie, die Anfang der 60er Jahre nötig war. Aus der gleichen Menge Holz produziert die Verpackungswirtschaft heute bis zu 80 Prozent mehr Karton als noch vor 30 Jahren. Eine Getränkedose war Mitte der 50er viermal so schwer wie heute, eine Bierflasche dreimal. Das Gewicht einer PET-Flasche hat sich in den letzten Jahrzehnten um mehr als 50 Prozent verringert.“

Verpackung und Gesellschaft

Amphoren, Ballen, Kisten, Körber und Fässer waren in der Antike und im Mittelalter die Grundlage für den sich entwickelnden Handel mit Lebensmitteln. „Die Vielfalt an Nahrungs- und Genussmitteln, die uns heute täglich zur Verfügung stehen, ist historisch einzigartig. Ganz selbstverständlich greifen wir zu Produkten rund um den Erdball. Kaffee und Tee, Schokolade und Früchte, Gemüse und Fleisch - unsere Ernährung und unser Genuss sind international“, so Reiner. Nach Zahlen des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft stehen in den Regalen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels über 160.000 verschiedene Produkte. Weltweit ist die Menge der transportierten Lebensmittel in den vergangenen 20 Jahren um 90 Prozent gestiegen.

Es sind auch demografische Faktoren, die dazu führen, dass die Zahl der eingesetzten Lebensmittelverpackungen steigt. So müssen immer mehr Menschen in städtischen Ballungsräumen mit Nahrung versorgt werden. Dazu kommt eine steigende Zahl von kleinen Haushalten, die andere Portions- und Packungsgrößen erforderlich machen. Laut dem Statistischen Bundesamt bestanden 1991 schon 64 Prozent der Haushalte in Deutschland aus maximal zwei Personen. Bis 2012 stieg diese Zahl auf 75 Prozent. Bis 2030 rechnet man mit 30 Millionen Menschen in Zwei-Personen- und 18 Millionen in Single-Haushalten.

Ein weiterer Punkt: Unsere veränderten Essgewohnheiten. „Die Entscheidung, was, wo, wie und mit wem wir essen, hängt stark von unseren Lebensumständen und dem Alltag ab“, sagt Reiner. „Quer durch alle Einkommensgruppen essen 46 Prozent der Bundesbürger mindestens einmal am Tag etwas zwischendurch. Die Nachfrage nach Essen und Trinken „to-go“ steigt seit Jahren kontinuierlich. Fertige Salate, geschnittenes Obst, Kaffee im Pappbecher, Sushi oder Chinanudeln aus der Box sind allgegenwärtig. In den USA machen Snacks schon fast 40 Prozent der gesamten, verpackten Lebensmittel aus.“

Die Anforderungen der Menschen an ihre verpackten Lebensmittel wandeln sich also. Nach einer Studie der Technikerkrankenkasse von 2013 greifen 50 Prozent der Berufstätigen aller Altersgruppen mindestens einmal pro Woche zu verpackten Fertiggerichten aus der Tiefkühltruhe oder für die Mikrowelle. Besonders die 18- bis 25-Jährigen greifen hier zu. Spezielle Bedürfnisse hat aber auch die wachsende Zahl älterer Menschen. „Produkte, die sich nur mit größerem Kraftaufwand oder viel Geschick öffnen und wiederverschließen lassen, werden gerade von Senioren kein zweites Mal gekauft“, so Reiner.

Smart Packaging

Möglich ist die weltweite Lebensmittelversorgung nach Wunsch und Notwendigkeit der unterschiedlichen Konsumenten nur mit Hilfe von Verpackungen, „die immer leistungsfähiger und gleichzeitig individueller werden“, erläutert Reiner. „86 Prozent der Verpackungsmittelhersteller betreiben deshalb eine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Den meisten Verbrauchern ist gar nicht bewusst, wie komplex scheinbar einfache Supermarktverpackungen sind. Dahinter steckt viel Know-how und Kreativität.“

Welche Innovationen das sind, sieht man zum Beispiel bei den Preisträgern des Deutschen Verpackungspreises, den das dvi jährlich unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie durchführt. „Jedes Jahr erreichen uns neue Lösungen für verbesserte Handhabung und Hygiene, verringerten Materialeinsatz, verlängerte Haltbarkeit, optimierte Restentleerung oder einfachere Wiederverwertung“, weiß Reiner.

Ein Trend, der gerade in den letzten Jahren an Bedeutung zugenommen hat, ist das sogenannte „Smart Packaging“. Dabei greifen aktive oder intelligente Verpackungen aktiv ein, um zum Beispiel die Haltbarkeit zu verlängern oder die Qualität für den Konsumenten zu garantieren. So versetzen moderne Transportcontainer ihre Lebensmittel über Klimakontrolle in einen künstlichen Winterschlaf. Schutzverpackungen mit MAP-Technik (Modified Atmosphere Packaging) schützen vor dem Kontakt mit Sauerstoff und verlängern so nicht nur die Haltbarkeit der Lebensmittel, sondern bewahren gleichzeitig deren Aroma und Farbe. Zudem beugen sie gerade bei Frischeprodukten aus Milch und Fleisch der Keimbildung vor.

Bei Obst und Gemüse absorbieren spezielle Folien und Kartonbeschichtungen die Feuchtigkeit oder das - zum Beispiel von Äpfeln abgegebene -Reifegas Ethylen. Intelligente Etiketten überwachen die Temperatur der verpackten Lebensmittel und schlagen Alarm, wenn Qualität oder Haltbarkeit in Gefahr sind. Über aufgedruckte Chips und Codes können Wege vom Erzeuger bis zum Verbraucher lückenlos dokumentiert werden. Hightech-Siegel garantieren, dass es sich nicht um eine Produktfälschung handelt oder die Ware bereits geöffnet wurde. Der US-Marktforscher Markets and Markets schätzt, dass der weltweite Markt für intelligente Verpackungen 2015 bereits 24 Milliarden US-Dollar schwer ist.

Werben und Verkaufen

Eine Lebensmittelverpackung muss aber nicht nur gut funktionieren, sie muss auch gut aussehen. Und sie muss sich durchsetzen in den Regalen der Supermärkte. Dort haben Verbraucher „im Durchschnitt die Wahl aus etwa 10.000 verschiedenen Produkten. Rund 75 Prozent entscheiden sich erst beim Einkauf, welches Produkt sie tatsächlich in den Korb legen. Dabei haben weniger als 50 Prozent überhaupt Werbung für das Produkt gesehen oder können sich beim Einkauf noch daran erinnern. Ohnehin werden nur rund 20 Prozent der Produkte über die klassischen Kanäle beworben. Das heißt, dass rund 80 Prozent der Lebensmittel in den Regalen nur über die Verpackung für sich werben können. Die Verpackung ist hier das einzig relevante Medium für Information, Werbung und Differenzierung“, sagt Reiner.

Verpackungsdesigner und -techniker müssen deshalb eine ganze Reihe von Faktoren bei ihrer Arbeit berücksichtigen, zum Beispiel die Produktkategorie, Geschlecht, Alter oder soziologische Faktoren. Nur dann kann die Verpackung die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, eine positive Reaktion auslösen und im Gedächtnis bleiben.

Unverpackt?

Zuviel oder schlechte Verpackung ist ein Ärgernis. Das sieht auch Reiner so: „Aber wenn wir das große Bild anschauen, ist die Lebensmittelverpackung ohne Alternative. Auch die Lebensmittelgeschäfte, die unter dem Label 'zero packaging' oder 'unverpackt' für sich werben, wären ohne Verpackungen leer. Die Ware käme erst gar nicht dort an. Und wer einen Blick in die Läden wirft, sieht auch dort eine ganze Reihe von Verpackungen wie zum Beispiel Flaschen, Körbe, Weckgläser, Steigen, Kanister oder Papiertüten. Selbst die Lebensmittel, die lose angeboten werden, sind in Wirklichkeit eher ausgepackt als unverpackt. Und das ist auch gut so, denn die Verpackung schützt Lebensmittel bis zum Zeitpunkt des Verzehrs vor der Verunreinigung mit Schmutz und Keimen“, so Reiner abschließend.

(mns)

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

DVI Deutsches Verpackungsinstitut e.V.

Kunzendorfstr. 19
14165 Berlin
Germany