Mit „Atelier“ sind verschiedene Druckverfahren, Verarbeitungen, Veredelungen und nachgelagerte Prozesse möglich.

Mit „Atelier“ sind verschiedene Druckverfahren, Verarbeitungen, Veredelungen und nachgelagerte Prozesse möglich. (Bild: Sappi)

Ein schneller Griff in die Maschine – Rob de Koning holt eine weiße, feuchte Masse hervor. „Es enthält noch zu 75 Prozent Wasser, aber es ist schon Papier“, erklärt der Prozess- und Qualitätsmanager, der bei dem Papierhersteller Sappi Europe arbeitet. 300 Gramm Endpapier werden aus der Papiermasse in dem Sappi-Werk in Maastricht entstehen, wenn der Prozess durch die 150 Meter lange Maschine ohne Störungen zu Ende läuft. Das noch unfertige Papier, das de Koning aus der Papiermaschine gezogen hat, läuft von dieser Stelle aus weiter. Zwei Filzbahnen pressen das überschüssige Wasser aus der Papierbahn. Und da soll nichts kaputtgehen? Ganz ohne Verzögerungen läuft der Papierherstellungsprozess nicht, aber „wir haben hier maximal zwei Prozent Abriss“, sagt de Koning. Und dies bei Geschwindigkeiten von bis zu 850 Metern pro Minute, die die Papierbahn durch die Maschine rattert.

In der Papiermaschine im Maastrichter Werk von Sappi entsteht der neue Faltschachtelkarton „Atelier“, den das Unternehmen Anfang April 2015 auf den Markt gebracht hat. Die Papiermaschine PM6 wurde 1996 für die Fertigung von Spezialpapieren, speziell für grafische Papiere, umgerüstet, berichtet Werksleiter Peter Loubele. 280.000 Tonnen kann Sappi in dem niederländischen Werk, das direkt an dem Fluss Meuse liegt, pro Jahr produzieren. Der neue Karton „Atelier“ wird nach einem mehrlagigen Konzept auf einer Einzelsieb-Kartonmaschine hergestellt, was laut Sappi bislang noch keinem anderen Papierhersteller gelungen ist.

Der Karton zeichnet sich durch sehr hohe Weiße, Kartonglanz sowie seidenmatte Haptik aus. Mit dem neuen Faltschachtelkarton will Sappi zum Lösungsanbieter werden. „Unsere neue Entwicklung erweitert die Palette an Möglichkeiten, aus der Kunden für unterschiedliche Verpackungslösungen wählen können“, sagt Sappi-CEO Berry Wiersum. „Atelier“ soll als Faltschachtelkarton/Chromokarton (Folding box board: FBB) das bereits seit über zehn Jahren bestehende Sortimentsangebot an gebleichten Zellstoffkartonen der Sappi-Produktfamilie „Algro Design“ erweitern und ergänzen. Als FBB-Produkt ist „Atelier“ für die Massenproduktion bestimmt, „aber in diesem Segment im oberen Qualitätsbereich anzutreffen“, so Lars Scheidweiler, Product Group Manager Rigid Packaging.

Das magische Papier-Dreieck

In der Papierfabrik in Maastricht ist es um die Papiermaschine herum laut, feucht und heiß, ein bisschen wie in einer Dampfsauna. An anderen Stellen ist es dafür wieder erstaunlich kühl. „Eine Papiermaschine braucht viel Luft“, erläutert de Koning. Dementsprechend groß ist auch die Halle um die Maschinen. Rund 5.500 Quadratmeter Fläche nimmt sie ein. Den größten Teil der Papiermaschine bestimmt das Trocknen der frisch gepressten Papierbahn. Dies geschieht über beheizte Walzen. Durch den Trocknungsprozess erhält das Papier seine Festigkeit, die es für die nachfolgenden Verfahren benötigt. Zum Beispiel für das Coating, bei dem Stärke und Streichfarben auf die Papieroberfläche aufgetragen werden. Eines der wichtigsten Farbpigmente für die Weiße ist übrigens Calciumcarbonat – Oma und Opa schrieben damit in der Schule noch an die Tafel.

Um die Tamboure samt Papier zu bewegen, ist ein Kran erforderlich: Allein der Tambour wiegt 4,5 Tonnen – eine Rolle Papier bis zu 25 Tonnen.
Um die Tamboure samt Papier zu bewegen, ist ein Kran erforderlich: Allein der Tambour wiegt 4,5 Tonnen – eine Rolle Papier bis zu 25 Tonnen. (Bild: Sappi)

Auch nach der Trocknung enthält das Papier aber noch Wasser: „FBB besitzt eine Feuchte von 6,5 bis sieben Prozent, andere Papiere liegen bei fünf bis sechs Prozent“, erklärt de Koning. Desweiteren ist die Luftfeuchte für den späteren Druckprozess entscheidend. Ab Rolle wird beispielsweise eine relative Feuchtigkeit unter 40 Prozent benötigt. Für Bogenoffset liegt sie zwischen 45 und 50 Prozent. Nachdem das Papier gestrichen und getrocknet ist, wird es entweder in Form von Bogen auf Paletten gestapelt oder auf riesige Stahlkerne gewickelt: Ein solcher Stahlkern – ein sogenannter Tambour – wiegt 4,5 Tonnen – in etwa so viel wie drei VW Golf. Eine ganze Rolle Papier wiegt sogar 25 Tonnen – so viel wie ein durchschnittlicher Buckelwal. Abschließend werden die Papierrollen in kleinere Rollen geschnitten: Bei diesen Gewichten arbeiten die Werksarbeiter mit einem Kran.

Sappi betrat den Kartonmarkt vor gut zehn Jahren. Mit „Atelier“ ist dem südafrikanischen Papierhersteller nun ein Produkt gelungen, „das es so auf dem Markt noch nicht gegeben hat“, sagt Thomas Kratochwill, Director Sales and Marketing Speciality Papers bei Sappi. Dabei setzt das Unternehmen laut Scheidweiler auf das „magische Dreieck“ aus spezifischem Volumen, Steifigkeit und Oberfläche. Mit einem spezifischen Volumen von 1,8 sei „Atelier“ „einmalig“, so Scheidweiler. Der gelernte Kaufmann kam 2005 zu Sappi, um den Geschäftsbereich Rigid Packaging aufzubauen. Weil „Atelier“ so verhältnismäßig dick ist, seien auch tiefgehende Prägungen kein Problem. Scheidweiler liefert dazu einen einprägsamen Vergleich aus der italienischen Küche: „FBB ist wie eine Rigatoni“, sagt er. Die kurzen, dicken Fasern würden den Karton besonders steif und fest machen und damit einsetzbar „für alle erdenklichen Arten von Druckverfahren, Verarbeitungen, Veredelungen und nachgelagerten Prozesse“ – quasi ein Muss für die Verpackungsbranche. Erhältlich ist der Karton in Flächengewichten von 220 bis 350 Gramm pro Quadratmeter.

Drei Jahre steckten die Entwickler bei Sappi ihre Köpfe zusammen, um den neuen Faltschachtelkarton marktreif zu machen. Nun weist der Karton eine Weiße von 99 Prozent auf. Der Wert wird anhand der ISO-Weiße unter C-Licht bestimmt (ISO 2470). Das heißt, wie stark das blaue Licht des Papiers reflektiert im Vergleich zu dem ultimativen Helligkeitsstandard

Papierherstellung live: Durch die 150 Meter lange Papiermaschine in Maastricht laufen 850 Meter pro Minute.
Papierherstellung live: Durch die 150 Meter lange Papiermaschine in Maastricht laufen 850 Meter pro Minute. (Bild: Sappi)

(IR3-Standard). „Der Marktstandard liegt bei nur 92 Prozent“, betont Scheidweiler. Die Helligkeit ist in den Augen des Fachmanns deshalb so wichtig, weil Anwender damit genau die Farben erhalten, die sie haben möchten, „zum Beispiel ein strahlend weißes Lächeln“ auf einer Zahnpastaschachtel. Auf der Rückseite erzielt „Atelier“ eine Weiße von 98 Prozent. Der Vorteil: Der Karton lässt sich von beiden Seiten bedrucken. Denn immer mehr Anwender fragen beidseitig bedruckte Anwendungen nach, um die Werbewirksamkeit von Verpackungen zu erhöhen. Sappi kann sich über Aufträge für „Atelier“ nicht beklagen: „Die Papierfabrik in Maastricht ist bereits sehr gut gebucht“, freut sich Scheidweiler über den sich einstellenden Erfolg.

 

Für Sie entscheidend

Atelier
Der Faltschachtelkarton „Atelier“ ist in Flächengewichten von 220 bis 350 g/m² erhältlich. Er ist für den direkten Kontakt mit Lebensmitteln geeignet (FDA, BfR36 u.a.). „Atelier“ ist in vielen Bereichen einsetzbar: darunter Kosmetik und Parfüm, OTC-Produkte, Lebensmittelverpackungen aller Art oder Elektronik sowie grafische Anwendungen wie Promotion-Flyer.

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