v. l. n. r.: Frank Würthner, Branchenmanagement Verpackungstechnik und Andrew Plater, Global Market Manager Food, Beverage and Tobacco, Beckhoff Automation.

v. l. n. r.: Frank Würthner, Branchenmanagement Verpackungstechnik und Andrew Plater, Global Market Manager Food, Beverage and Tobacco, Beckhoff Automation. (Bild: Beckhoff)

neue verpackung: Welches sind die derzeitigen Branchentrends beziehungsweise Endanwenderforderungen im Packaging-Umfeld?

Frank Würthner: Bislang wurden in der Regel sehr große Mengen beziehungsweise Stückzahlen, zum Beispiel an Kaffee oder Schokoriegeln, einheitlich produziert und verpackt. Nun geht der Trend aber eindeutig in Richtung kleinerer Chargen bis hin zu einzelnen personalisierten Produkten. Beispiele hierfür sind individuelle Bestellkombinationen, beispielsweise von Kaffeekapseln, oder die Möglichkeit, Standardprodukte mit dem eigenen Namen oder einem Bild zu personalisieren. Auf solche Marktanforderungen muss der Verpackungsmaschinenbau reagieren, Stichwort Losgröße-1-Produktion. Hinzu kommt, dass diesem Trend folgend zukünftig vermehrt auch Big Player im B-to-C-Bereich, wie zum Beispiel Amazon, als direkte Kunden der Maschinenbauer auftreten werden.

Andrew Plater: Für jeden Anbieter hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die Produktvielfalt extrem erhöht. Das führt zwangsläufig zu den genannten kleineren Losgrößen und damit auch zu deutlich kürzeren Produktionslaufzeiten. Zum immer entscheidender werdenden Produktions- und Maschinenfaktor wird daher die für einen Produktwechsel notwendige Umrüstzeit. Die Verpackungsmaschinen müssen zukünftig noch flexibler und über einen konsequent modularen Aufbau noch besser zu konfigurieren sein. Die reine Ausstoßgeschwindigkeit tritt als Maschinenanforderung eher in den Hintergrund. Hinzu kommt für neue Produkte die Forderung nach einem minimalen Produktionsrisiko und einer möglichst kurzen Time-to-market, was sich unter anderem mit Simulation und Virtual Reality erfüllen lässt.

neue verpackung: Und welche neuen Anforderungen zeigen sich konkret bei den Verpackungen?

Andrew Plater: Grundsätzlich greifen die Verbraucher zum Beispiel im Supermarkt meist zu gewohnten Produkten. Es muss also ein Anreiz geschaffen werden, um ein neues Produkt in den Fokus zu rücken. Dementsprechend innovativ zeigt sich der Verpackungsbereich, unterstützt durch den genannten Trend zur Personalisierung. Neben den Standardverpackungen gibt es schon heute immens viele Sondergrößen, Aktionspackungen usw.

Frank Würthner: Für die pharmazeutische Industrie kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Ist bei Food & Beverage sowie für Konsumerprodukte das Look-and-feel sehr wichtig, so gibt es in der Pharmaindustrie Vorgaben, wie die FDA-Vorschrift 21 CFR Part 11. Danach muss beispielsweise bei einer neuen Knieprothese durch die Verpackung sichergestellt werden, dass sie absolut sauber und keimfrei den Transport zum Krankenhaus übersteht. Und Produktrückverfolgbarkeit ermöglicht es den Endkunden, Haftungsrisiken zu minimieren.

neue verpackung: Spielen auch gesellschaftliche Faktoren, wie steigendes Durchschnittsalter und kleinere Haushalte, eine Rolle?

Frank Würthner: Die insgesamt kontinuierlich steigende Bevölkerungszahl und das zumindest in Europa immer höhere Durchschnittsalter steigern den Bedarf und verändern die Anforderungen an moderne Lebensmittelverpackungen. So müssen schlechteres Sehvermögen und geringere Kraft von älteren Personen zum Beispiel durch bessere Druckverfahren, Sichtfenster oder ergonomisches Verpackungsdesign berücksichtigt werden. Ein Beispiel sind einfachere Verschlusssysteme, um die im Alter geringere Kraft und Beweglichkeit der Finger auszugleichen.

Andrew Plater: Ein gutes Beispiel gibt es in der pharmazeutischen Industrie: Nach einer Studie nehmen etwa 40 Prozent der älteren Menschen rund 100 Tabletten pro Monat ein, und zwar bis zu sieben verschiedene Produkte. Und wenn man schlechter sieht, entstehen Probleme beim Lesen und Öffnen der Verpackung – gerade wenn so viele Medikamente notwendig sind. Abhilfe schaffen Verpackungen, die unterschiedliche Medikamente kombinieren und genau angeben, wann welche einzunehmen sind. Dementsprechend muss eine Verpackungsmaschine anstelle von vielen hundert Pillen in Blisterverpackungen zukünftig eher auf den einzelnen Patienten abgestimmte, individuelle Blisterverpackungen ermöglichen.

Frank Würthner: Aber auch der – in Asien übrigens wachsende – jüngere Bevölkerungsanteil stellt besondere Anforderungen. So werden vermehrt moderne und stylische Verpackungen als Verkaufsargument erkannt. Zudem zeigt sich ein Trend hin zu den für eine direkte Nutzung geeigneten Verpackungen, das heißt Portionspackungen, Aufstellverpackungen usw. sowie zu kleineren Portionsgrößen für Single-Haushalte und als To-go-Varianten. Insgesamt werden auch Vakuum-, Multi-Layer- sowie Multi-Portions- und Multi-Funktionsverpackungen stärker nachgefragt. Dazu kommen neue Verpackungsarten, um zum Beispiel Verpackungen mit Elektronikkomponenten zu verbinden.

Andrew Plater: Auch unterschiedliche regionale Anforderungen erhöhen insbesondere für die weltweit aktiven Produkthersteller den Bedarf nach flexiblen Verpackungsmaschinen. Sie unternehmen zurzeit große F-&-E-Anstrengungen, um die Anforderungen für bestimmte Regionen umsetzen zu können. So sind viele europäische Markenprodukte auch in Asien oder Fernost sehr beliebt, müssen aber mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen regional angepasst werden. Die Portionsgrößen sind ebenfalls sehr oft entscheidend. Kauft man beispielsweise in Großbritannien eher kleine 25-g-Chipspackungen, sind in den USA vor allem Großpackungen beliebt. Aber auch in Amerika wächst der Bedarf nach kleineren Packungsgrößen, ebenso wie nach Multi-Verpackungen mit verschiedenen Geschmacksrichtungen und spezielle Werbeaktionsverpackungen, zum Beispiel mit Aufdrucken zu populären Sport-Events. Dies alles erfordert eine möglichst flexible Verpackungstechnik.

In der Zahnbürsten-Verpackungsanlage von Koch Pac-Systeme ersetzt XTS aufwendige Mechanik durch Software-Funktionalität und sorgt so für eine kompakte Bauform, hohe Flexibilität und extrem kurze Produktwechselzeiten.
In der Zahnbürsten-Verpackungsanlage von Koch Pac-Systeme ersetzt XTS aufwendige Mechanik durch Software-Funktionalität und sorgt so für eine kompakte Bauform, hohe Flexibilität und extrem kurze Produktwechselzeiten. (Bild: Beckhoff)

neue verpackung: Welche besonderen Vorteile bietet PC-based Control von Beckhoff für den Verpackungsmaschinenbauer und für den Maschinenanwender?

Andrew Plater: Die Standard-SPS-Technik hat zunehmend Leistungsprobleme bei der Steuerung der modernen, hochflexiblen Verpackungsmaschinen. PC-based Control liefert hingegen ausreichend Leistungsreserven, um solche Anlagen effizient und zuverlässig zu betreiben beziehungsweise möglichst schnelle Produktwechsel zu ermöglichen. Zudem stellt sie als durchgängige Plattform auch die Visualisierung und eine einfache Anbindung an überlagerte Systeme, wie Scada, MES und ERP, zur Verfügung. Weiterhin lässt sich mit PC-based Control der aktuelle Trend hin zu einer bedarfsorientierten Produktion optimal umsetzen. Dahinter stehen Lösungen auf Basis von IOT, Industrie 4.0 und Smartphones, mit denen beispielsweise Social-Media-Umfragen zur Beliebtheit von Geschmacksrichtungen direkt in den Herstellungsprozess einfließen können. Auf diese Weise lässt sich die Produktion besser auf den tatsächlichen Marktbedarf abstimmen und so die Überproduktion insbesondere von Produkten mit geringer Haltbarkeit vermeiden. Dadurch reduziert sich die Verschwendung wichtiger Ressourcen und die Produktionseffizienz steigt.

Frank Würthner: Aus diesen Gründen hat sich PC-based Control im Verpackungsmaschinenbereich bereits etabliert, und Beckhoff bietet dementsprechend in der Automatisierungssoftware Twincat alle für Packaging-Aufgaben notwendigen Funktionalitäten an. Ein zusätzlicher Vorteil entsteht im Zusammenhang mit Industrie-4.0-Konzepten, die sich mit PC-basierter Steuerung von Maschinen sehr viel einfacher als über Standard-SPS-Technik umsetzen lassen.

Andrew Plater: Und bei all dem bleibt der ursprüngliche Vorteil der IPC-Technik bestehen: Alle Maschinenfunktionen bis hin zu Hochleistungs-Motion-Control lassen sich durch die hohe Rechenleistung der Industrie-PCs mit nur einem Gerät realisieren. Bei konventionellen Maschinen hingegen bedeuten die getrennten Systeme für SPS, Motion Control, Safety-Steuerung, Robotersteuerung und HMI deutlich mehr Platzbedarf, Hardware- und Instandhaltungsaufwand sowie Kosten. Darüber hinaus haben wir bereits Belege dafür, dass die Vorteile von PC-based Control den Verbrauch von Verpackungsmaterialien um bis zu 40 Prozent reduzieren können.

Besondere Innovationsfähigkeit beweist PC-based Control zum Beispiel mit dem Extended Transport System (XTS), das hier bei einer Kosmetikabfüllanlage von Groninger eine hohe Abfüllgeschwindigkeit mit einer extrem kompakten Maschinenbauweise vereint.
Besondere Innovationsfähigkeit beweist PC-based Control zum Beispiel mit dem Extended Transport System (XTS), das hier bei einer Kosmetikabfüllanlage von Groninger eine hohe Abfüllgeschwindigkeit mit einer extrem kompakten Maschinenbauweise vereint. (Bild: Beckhoff)

neue verpackung: Inwieweit unterstützt Beckhoff auf dem Weg zur optimalen Packaging-Anwendung?

Andrew Plater: Traditionell spricht der Komponentenlieferant mit dem OEM und dieser wiederum mit dem Endanwender. Wir versuchen hingegen, alle Partner an einen Tisch zu bekommen. So lassen sich die letztendlich zu erreichenden Business-Vorteile für den Endanwender, wie höhere Produktqualität, flexiblere Fertigung und schnellere Lieferfähigkeit, viel besser erschließen. Es handelt sich also um einen besonderen Partnerschaftsansatz, bei dem der Endanwender seine Anforderungen einbringen und der OEM genau darauf eingehen kann.

Frank Würthner: Für alle Beteiligten hat sich dieser Weg in den vergangenen Jahren als Erfolgsrezept erwiesen. Denn gerade durch die enge Zusammenarbeit sind häufig wirklich gute Lösungen entstanden, wie zum Beispiel eine Verpackungslinie mit deutlich reduziertem Footprint und maximierter Anlagenverfügbarkeit im 24-Stunden-/Sieben-Tage-Betrieb.

neue verpackung: Was zeichnet die Packaging-Lösung von Beckhoff aus?

Andrew Plater: Wir bieten dem Maschinenbauer eine komplette Lösung an, vom extrem breiten I/O-Spektrum über das HMI mit High-Level-Steuerungssoftware bis hin zu High-end-Motion-Control und -Antriebstechnik. Hinzu kommt der Vorteil der Offenheit, durch die sich PC-based Control auch für heterogene Automatisierungslandschaften eignet. Ein Highlight unserer Lösung ist das lineare Transportsystem XTS, das Innovationspotenzial für die Maschinenkonstruktion eröffnet.

Frank Würthner: Die Umsetzung von Bewegungs- und Handlingaufgaben mit XTS reduziert deutlich den Mechanikaufwand. Zudem lassen sich die Maschinen viel kompakter und leichter sowie mit weniger Verdrahtungsaufwand aufbauen. Und natürlich sind die Anlagen weitaus flexibler, die Prozessabläufe schneller und der Wartungsaufwand geringer. Gerade der kleine Maschinen-Footprint ist sehr wichtig, denn insbesondere die großen Endanwender sind meist alteingesessene Unternehmen mit oft noch mitten in den Städten liegenden Produktionsstätten und dementsprechend limitierten Platzverhältnissen. XTS ist hier ein entscheidender Faktor, zumal es nicht nur darum geht, zum Beispiel ein vorhandenes Förderband zu ersetzen. XTS ermöglicht vielmehr ein komplett neues Maschinendesign.

Andrew Plater: Wie zu Beginn erläutert, ändern sich derzeit zunehmend die etablierten Geschäftsmodelle der Endanwender. XTS erfüllt hervorragend alle dadurch an die Verpackungsmaschine gestellten Anforderungen, wie zum Beispiel einen möglichst schnellen Produktwechsel, und macht ihre Fertigung zukunftssicher.

neue verpackung: Wie lässt sich dies konkret verdeutlichen?

Andrew Plater: Als wir mit den ersten XTS-Applikationen begonnen haben, wurden recht einfache Prozesse betrachtet. Mit der Zeit haben die Kunden aber erkannt, wie stark sie die Maschinen mit neuen Bewegungsprofilen optimieren und den gesamten Prozess verändern können. Im Endeffekt hat dies sehr schnell zu einem konsequent modularen Maschinendesign geführt. Hier sehen wir auch die Zukunft: eine XTS-basierte Maschine, bei der ohne großen Aufwand einzelne Module ausgetauscht, verändert oder ergänzt werden können und sich so auf einfachste Weise neue Produkte herstellen lassen. Die mechanischen Änderungen sind dabei minimal. Die eigentliche Anpassung geschieht einfach und schnell per Software.

Frank Würthner: Das große Optimierungspotenzial zeigt sich besonders deutlich bei einer Abfüllanlage für den Pharmabereich. Diese mit XTS realisierte Maschine kann – zusätzlich zur Abfüllfunktion – über komplexe Mover-Bewegungen auch die fehlerfreie Funktion des Medikamentenspenders testen und so mehrere bisher notwendigen Einzelmaschinen ersetzen. Das war bislang mit keiner anderen Technologie in dieser Weise möglich.

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