„Die entscheidende Frage für die Digitalisierung eines Unternehmens ist, wie man Prozesse und IT optimal verbindet.“ Ralf Schubert, Geschäftsführender Gesellschafter Technik,
Gerhard Schubert

„Die entscheidende Frage für die Digitalisierung eines Unternehmens ist, wie man Prozesse und IT optimal verbindet.“ Ralf Schubert, Geschäftsführender Gesellschafter Technik,
Gerhard Schubert (Bild: Gerhard Schubert)

neue verpackung: Ihr Unternehmen legt bereits seit einiger Zeit in seinen Messeauftritten einen Schwerpunkt zum Thema Digitalisierung. Da es ja bis zum heutigen Zeitpunkt keine allgemeingültige Definition für den Begriff „Industrie 4.0“ gibt – können Sie uns ein Bild von Schubert 4.0 zeichnen?
Ralf Schubert: Den Begriff Industrie 4.0 verwenden wir in der Tat nicht so gern, weil alle davon reden und nicht genau definiert ist, was Industrie 4.0 bedeutet. Bei uns heißt es deshalb Grips World.
Grips ist unser Prozessmanagementsystem, bei dem es um die Definition, aber auch um die kontinuierliche Verbesserung unserer Prozesse geht. Prozesse und IT gehören untrennbar zusammen und die entscheidende Frage für die Digitalisierung eines Unternehmens ist, wie man beides optimal verbindet. Das ist nicht ganz einfach, weil die Menschen aus der Produktion und der IT sehr unterschiedliche Sprachen sprechen.


Grips World könnte man deshalb als die IT von Grips bezeichnen. Es geht um die Digitalisierung und Verbesserung unserer Produktionsprozesse. Man kann hier somit von Smart Processes reden, was unsere Kunden nur indirekt interessiert, sich aber in geringeren Kosten und besseren Durchlaufzeiten der Maschinen bemerkbar machen wird.
Neben den Smart Processes reden wir auch von Smart Products und Smart Services, wie das andere Maschinenbauer sicher auch tun.
Unser Produkt, also unsere TLM-Maschinen, sind schon seit Jahrzehnten sehr digital und Track & Trace, Losgröße 1 oder automatische Werkzeugwechsel sind für uns keine besonderen Herausforderungen. Dennoch sind wir auch bei unseren Produkten sehr aktiv, weil die Maschinen sich zukünftig selbst überwachen sollen. Ziel ist es, dass bei unseren Kunden keine ungeplanten Maschinenstillstände mehr auftreten.
Wenn die Basis dazu geschaffen ist, werden Smart Services für unsere Kunden entstehen, mit denen wir unsere Wettbewerbsfähigkeit sichern und unsere technologische Vorreiterrolle ausbauen wollen.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass es sich bei Grips World um eine Web-Plattform handelt, über die alle unsere Mitarbeiter kommunizieren und auf die auch unsere Kunden, Lieferanten und unsere TLM-Maschinen zugreifen.

neue verpackung: Bereits im Jahr 2012 prophezeiten Sie ja, dass Entwicklungen wie der digitale Zwilling künftig dazu führen würden, dass sich beispielsweise die Konstruktion einer Verpackungsmaschine auf wenige Stunden reduzieren könnte; die Zeit bis zur finalen Auslieferung sogar mehr als halbieren. Wo stehen Sie hier im Jahr 2018?
Ralf Schubert: Wir arbeiten an unserem digitalen Zwilling. Dabei handelt es sich um ein sehr großes Projekt, das wir deshalb in fünf Phasen unterteilt haben. Die beiden ersten Phasen laufen bereits.
Die erste Phase ist die virtuelle Inbetriebnahme unserer Maschinen mit unserer „realen“ VMS-Steuerung. Mit den virtuellen Inbetriebnahmen werden wir für die ersten Maschinen bereits Mitte dieses Jahres beginnen. Unsere VMS-Steuerung überträgt dann alle Motorwerte einer Maschine im Zweimillisekundentakt an ein 3-D-Modell, das in Echtzeit auf Grips World bewegt wird.
Für die zweite Phase entwickeln wir im Moment einen Konfigurator für unsere Pickerlinien, der natürlich ebenfalls webfähig ist. Vorkonfigurierte Standard-Pickerlinien, mit oder ohne Flowmodul, können dann in wenigen Minuten konfiguriert werden. Das Ergebnis des Prozesses sind das 3-D-Modell, die Stückliste, der Elektroplan, der Pneumatikplan und unser VMS-Programm. Bis Ende 2019 werden wir diese vorkonfigurierten Standardmaschinen dann direkt von der Vormontage zu unseren Kunden liefern, das heißt die Lieferzeiten werden je nach Auslastung zwischen sieben und zehn Wochen liegen.
Die anschließenden Phasen befassen sich mit einer neuen Programmiersprache für Mechaniker. Außerdem muss unsere VMS-Steuerung mit zum Beispiel 1.000 Softwareprozessen oder mehr in echten Maschinen virtuell in der Cloud beziehungsweise in Grips World laufen können. Eine weitere Aufgabe besteht darin, einen Konfigurator und Simulator für unsere Kunden zu bauen. Ich hoffe, dass wir den fertigen digitalen Zwilling auf der interpack im Jahr 2023 unseren Kunden vorstellen können.

neue verpackung: Ihr Unternehmen liefert Verpackungsmaschinen für sehr unterschiedliche Produkte, vom verschreibungspflichtigen Wirkstoff bis zur Zahnbürste ist alles dabei. Während Unternehmen im Nahrungsmittelbereich ob des hohen Preisdrucks wahrscheinlich immer offenen Ohres sind, wenn sie durch eine Lösung wie Grips World ihre OEE optimieren können, ist ein Pharmahersteller da vielleicht etwas skeptischer wenn er seine Datenkanäle öffnen soll?
Ralf Schubert: Ich denke, dass Pharmahersteller heute ihre Maschinen nicht mit dem Internet verbinden möchten. Das liegt daran, dass nicht die OEE im Vordergrund steht, sondern die Sicherheit der Prozesse.
Aber auch für unsere anderen Kunden war für mich die IT-Security das größte Pro­blem bei der Frage, wie wir unsere Maschinen mit Grips World verbinden. Dabei kann ich mich auch nicht auf die Sicherheit des Netzwerks bei unseren Kunden verlassen. Deshalb haben wir das GS Gate entwickelt, ein Gateway, mit dem wir das Kundennetzwerk vor unseren Maschinen schützen und die Maschinen vor dem Kundennetzwerk. Mit dem GS Gate vermeidet man auch Upgrades von Betriebssystem-Software für die IT-Security in den Maschinen. Das ist für Pharmafirmen sehr wichtig, weil sonst sehr aufwendige Validierungsprozesse notwendig werden würden. Beim GS Gate handelt es sich um ein gemeinsames Produkt der Firmen Genua und Schubert System Elektronik. Genua ist eine Tochterfirma der Bundesdruckerei, die sich ausschließlich um das Thema IT-Security kümmert. Für unsere Verpackungsmaschinen benötigen wir circa 150 GS Gates pro Jahr, wir streben aber an, dass wir etwa 10.000 Gateways im Jahr bei Schubert System Elektronik bauen und das Gateway also auch in Maschinen anderer Hersteller zum Einsatz kommt. Sonst würde sich die Entwicklung nicht lohnen.
Unsere Kunden können festlegen, ob sie nur die Fernwartung oder auch die Übertragung von Daten zulassen und welche Daten das sind. Das GS Gate ist aktuell das Produkt Nummer 1 zum Thema IT-Security für Maschinen.
Alle Maschinen, die wir aktuell ausliefern, sind bereits mit einem GS Gate ausgestattet – auch für Kunden, die die Datenübertragung nicht zulassen. Denn wir sind davon überzeugt, dass viele dieser Kunden in den nächsten Jahren ihre Meinung ändern werden, wenn immer mehr Smart Services entstehen.

Auf dem Kundenportal Grips World lassen sich neben einzelnen Modulen die Leistungsdaten der Anlage und sogar ganzer Linien abrufen und analysieren.
Auf dem Kundenportal Grips World lassen sich neben einzelnen Modulen die Leistungsdaten der Anlage und sogar ganzer Linien abrufen und analysieren. (Bild: Gerhard Schubert)



neue verpackung: Seit ein paar Jahren experimentiert das Unternehmen nun auch mit der Herstellung von Werkzeugteilen via 3-D-Druck. Können wir uns die Zukunft vielleicht so vorstellen, dass eine irgendwo auf der Welt laufende TLM-Maschine, die via Grips World mit der Schubert-Zentrale verbunden ist, den baldigen Ausfall eines Bauteils meldet – und anstatt dass sich dann ein Servicemitarbeiter mit dem Ersatzteil auf den Weg macht, erhält der Anwender den Datensatz, um das entsprechende Teil selbst vor Ort auszudrucken und deren eigener Techniker baut dieses dann, unterstützt durch eine Augmented-reality-Bauanleitung, eigenständig ein?
Ralf Schubert: Wir bauen aktuell eine sehr flexible Zukunftsmaschine für das Befüllen, Etikettieren, Verpacken und Etikettieren von Shampooflaschen. Das erklärte Ziel für diese Maschine ist, dass unser Kunde alle Formatteile selbst drucken kann, das heißt alle Formatteile sollen 3-D-Druckteile sein.
Von Augmented Reality halte ich persönlich nicht besonders viel, weil die Datenbrillen noch zu groß und zu schwer sind. Für mich ist es wichtiger, dass Teile einfach getauscht werden können und unsere Kunden für unsere Maschinen gut geschulte Mitarbeiter besitzen.
Was die Vorhersage des Ausfalls von Bauteilen angeht – daran arbeiten wir bereits. Wir sammeln Daten von unseren Maschinen in Grips World und wollen vorhersagen, wann Bauteile ausfallen. Wir haben das für einige unserer Roboter bereits untersucht und dabei festgestellt, dass wir keine zusätzlichen Sensoren benötigen, weil wir bereits sehr leistungsfähige Antriebe einsetzen, die Verschleiß beziehungsweise Spiel rechtzeitig erkennen können. Wenn wir wissen, dass unsere Prognosen gut genug sind, werden wir unseren Kunden den entsprechenden Smart Service anbieten.

neue verpackung: Wenn Maschinenbauer von Industrie 4.0 reden, dann kommt die Sprache auch schnell auf die Möglichkeit neuer Geschäftsmodelle. Beispielsweise das sogenannte Betreibermodell, bei dem der Kunde nur noch eine Dienstleistung einkauft. Gibt es hier bei Schubert schon ähnliche Pläne?
Ralf Schubert: Für mich steht momentan im Vordergrund, unsere Maschinen und unsere Dienstleistungen weiter zu verbessern. Das muss zunächst einmal funktionieren, und wir müssen den Kundennutzen der entstehenden Dienstleistungen auch nachweisen. Natürlich machen wir uns auch Gedanken um die Geschäftsmodelle und das Verkaufen von Dienstleistungen, weil die Digitalisierung sehr viel Geld kostet. Wenn man viel über die Maschinen weiß, hilft das dann natürlich auch für Betreibermodelle. Hierfür haben wir bisher aber keine konkreten Pläne.

Die Fragen stellte Philip Bittermann, Chefredakteur neue Verpackung

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