Aufbauend auf dem Know-how zum Nachweis von hormonaktiven Substanzen, arbeitet das OFI nun daran, die Bioassay-Batterie auf andere kritische Gefahrenstoffe auszuweiten.

Aufbauend auf dem Know-how zum Nachweis von hormonaktiven Substanzen, arbeitet das OFI nun daran, die Bioassay-Batterie auf andere kritische Gefahrenstoffe auszuweiten. (Bild: Fotolia)

Traditionell liegt der Fokus bei der Risikobewertung von Lebensmittelkontaktmaterialien auf den, dem Hersteller bekannten, Ausgangsmaterialien für die Verpackungsproduktion, sogenannten IAS (intentionally added substances): Monomere, Additive, Farbstoffe und Polymerisationshilfsstoffe können mit chemischen Analyse­methoden gezielt identifiziert und analysiert werden. IAS-Quantifizierung in Lebensmittelverpackungen ist heutzutage ein gut etabliertes Standardprozedere und stellt keine große analytische Herausforderung mehr dar. Anders ist das bei der Risikobewertung von NIAS.

Schon einmal von NIAS gehört?

Im Lebensmittelverpackungsbereich stehen diese vier Buchstaben für non-intentionally added substances. Damit sind unbeabsichtigt eingebrachte Substanzen gemeint, die durch Kontaminationen der Ausgangsmaterialien in die Verpackung gelangen oder durch Sekundärreaktionen während der Verpackungsproduktion gebildet werden. Wie IAS können auch NIAS in verpackte Waren übergehen und dadurch Einfluss auf Lebensmittel und Gesundheit nehmen. Folgt man der europäischen Verordnung (EU) 10/2011 muss die toxikologische Unbedenklichkeit von Lebensmittelkontaktmaterialien aus Kunststoff garantiert werden. Im Bereich der NIAS-Risikobewertung hinken die analytischen Möglichkeiten den gesetzlichen Anforderungen allerdings hinterher. Breit angelegte GC- oder HPLC-MS-Screenings von Lebensmittelverpackungsmigraten resultieren meist in einer großen Anzahl von Peaks, die das durch die Verordnung (EU) 10/2011 vorgeschriebene Mindestdetektionslimit von 10 µg/L überschreiten. Bei einem Großteil dieser Peaks handelt es sich um NIAS, die oftmals auch nach Abgleich mit etablierten Strukturdatenbanken nicht eindeutig identifiziert werden können – die Identifizierung von NIAS ist allerdings Voraussetzung für eine toxikologische Evaluierung.

Rund um Dr. Christian Kirchnawy hat sich am OFI ein junges ForscherInnenteam etabliert, das bereits vor fast zehn Jahren mit der Entwicklung neuer Analysenmethoden für hormonell wirksame Substanzen begonnen hat. Mit chemischen Analysenmethoden konnten damals zwar bekannte Substanzen, die bewusst als Verpackungsrohstoffe eingesetzt wurden (zum Beispiel Bisphenol A) quantifiziert werden, unbekannte hormonell wirksame NIAS wurden damit allerdings nicht erfasst. Mit viel Know-how und Engagement ist es durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit am OFI gelungen, eine verlässliche Methode zum Nachweis von hormonell wirksamen NIAS zu entwickeln und zu validieren.

Dieses Prozedere kombiniert chemische Spurenanalytik mittels GC-MS/FID und HPLC-MS mit biologischen Tests. Mit in Kulturgefäßen gezüchteten Humanzelllinien kann die Wirkung von Hormonen im menschlichen Körper simuliert werden.

Neue Challenge: Genotoxische Substanzen erkennen

Aufbauend auf dem Know-how zum Nachweis von hormonaktiven Substanzen, arbeitet das OFI nun daran, die Bioassay-Batterie auf andere kritische Gefahrenstoffe auszuweiten. Mit breitem Zuspruch der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie forschen das OFI und die FH Campus Wien gemeinsam in dem FFG-geförderten COIN-Aufbau-Projekt Migratox an Methoden zur Erleichterung der Risikobewertung von unbeabsichtigt eingebrachten genotoxischen Substanzen.

Genotoxische Substanzen rufen Schädigungen am genetischen Material von Zellen hervor, indem sie entweder den genetischen Code der DNA verändern (Mutation) oder zum Beispiel in Chromosomenstruktur oder Zellteilung eingreifen. Diese Schädigungen können negative gesundheitliche Auswirkungen haben und zur Krebsentstehung beitragen.

Schädliche Effekte können dabei bereits durch sehr geringe Konzentrationen entstehen. Basierend darauf wurde nach dem „Threshold of Toxicological Concern (TTC)"-Konzept festgelegt, dass die Aufnahme von Genotoxinen nur dann als unbedenklich einzustufen ist, wenn weniger als 0,15 µg pro Tag aufgenommen werden. Derartig niedrige Nachweisgrenzen sind allerdings mit moderner chemischer Spurenanalytik, wie auch mit biologischen Tests, heutzutage technisch nicht realisierbar. Folgt man daher stattdessen der Verordnung (EU) 10/2011 für Kunststoffe, muss ein Mindestdetektionslimit von 10 µg/L erreicht werden. Wie bei hormonell aktiven Substanzen, setzt man auch bei Genotoxinen vermehrt auf biologische Testsysteme (Genotox-Assays), die zurzeit nicht darauf ausgelegt sind, die beschriebene Nachweisgrenze zu erreichen. Im Zuge des FFG-Projekts Migratox werden verschiedene Ansätze gewählt, um die Detektionslimits der biologischen Tests zu verbessern. Um das breite Eigenschaftsspektrum (Polarität, Flüchtigkeit) von Genotoxinen abzudecken, sollen Verbesserungen an den zurzeit standardisierten Probenvorbereitungsmethoden vorgenommen werden. Darüber hinaus werden die Genotox-Assays selbst weiterentwickelt. Da etablierte Genotox-Assays zur Testung von Reinsubstanzen optimiert wurden, muss das Testdesign auf komplexe Substanzgemische, wie Lebensmittelverpackungsmigrate, umgelegt werden.

Erste Ergebnisse von bereits durchgeführten Screenings geben Entwarnung – ein Großteil der getesteten Verpackungen zeigt keine Genotoxizität.

Für Sie entscheidend

Über Migratox
Im Rahmen des FFG-geförderten COIN-Aufbau-Projektes Migratox forscht das OFI in Zusammenarbeit mit der FH Campus Wien an einer Erleichterung der Risikobewertung von NIAS. Wenn durch ein In-vitro-Screening hochkritische Substanzen, wie zum Beispiel genotoxische Chemikalien, ausgeschlossen werden können, müssen NIAS in geringen Konzentrationen nicht mehr einzeln identifiziert und toxikologisch bewertet werden.

 

Sie möchten gerne weiterlesen?