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(Bild: pickup – Adobe Stock)

Digitale Faltschachteln gibt es noch nicht. Aber digitale Drucktechnik für Faltschachteln. Wenn auch erst seit vergleichsweise kurzer Zeit. Wie ein Unternehmen wie Heidelberger Druckmaschinen überhaupt erst auf die Idee kommt, eine Maschine wie die Primefire zu bauen, das war Thema des Vortrags von Bernhard Schaaf, Senior Project Manager bei Heidelberger Druckmaschinen.

Bisher war der Maschinenbauer bekannt als Marktführer im Bereich Offsetdruck sowie im Verpackungsdruck. Doch eine ganze Reihe von Trends beziehungsweise Forderungen führte zu einem Bedarf nach neuen technologischen Möglichkeiten:

  • Segmentierung: Markenartikler variieren ihre Produkte immer stärker auf ihre einzelnen Zielgruppen. In der Praxis heißt das: Das Gesamtvolumen bleibt gleich, aber die Segmentierung steigt immer weiter an. „Früher war dies eine Sonderdienstleistung, bei der erhöhte Preis durchzusetzen waren. Heute ist dies schlicht nötig, um am Markt bestehen zu können“, kommentiert Bernhard Schaaf.
  • Stetig kürzere Lieferzeiten: Noch wichtiger ist laut Bernhard Schaaf der Faktor Zeit: „Wir brauchen Beschleunigung bei den Prozessen. Nicht nur das Internet hat alles beschleunigt, es werden immer kurzfristigere kleinteilige Kampagnen gefahren.“
  • Variabilität: Brand Protection wird immer wichtiger.
  • Kostenreduktion: In der Vergangenheit produzierten Unternehmen Verpackungen „ins Lager rein“ und arbeiteten die Bestände im Anschluss auf Abruf ab. Hatte sich dann etwas am Layout geändert, mussten die Bestände vernichtet werden. Darum bewegt sich die Industrie mittlerweile in Richtung „Packaging on Demand“.
  • Druckqualität: Die Brandfarbe muss nicht ungefähr, sondern ganz genau passen.

Damit, diese Forderungen des Marktes zu erkennen, war es alleine natürlich noch nicht getan, denn eine Lösungsblaupause lag weder bei Heidelberger Druckmaschinen noch woanders in der Schublade bereit. Es wurde also investiert. Sowohl in Personal als auch in die Forschung, wie Bernhard Schaaf berichtet: „Zu Beginn bauten wir ein Team hauseigener Chemiker auf, und natürlich auch IT-Spezialisten.“ Dann folgten die ersten konkreten Schritte mit der Schwarz-Weiß-Bedruckung von Bällen, gefolgt von Vierfarbdruck. Es folgte, in Kooperation mit Fuji, Drucktechnik für Label-Anwendungen. Und dann der Einstieg in die höchste Komplexitätsstufe: wasserbasierter Inkjet, womit sich der Markt für das Bedrucken von Lebensmittelschachteln öffnete.

„Eines der größten Probleme am Anfang des Digitaldrucks war, dass anfangs schlicht noch die Betriebsmittel fehlten, die uns jetzt aber zur Verfügung stehen“, erinnert sich Bernhard Schaaf. Stand der Dinge ist es nun möglich, mit bis zu sieben Farben digital zu drucken. Die Wirtschaftlichkeit endet aktuell allerdings noch bei Faltschachtel-Auflagen zwischen 10.000 und 20.000 – bei allem darüber empfiehlt sich aktuell noch immer der bewährte Offsetdruck. Mit Verweis auf den ehemals markführenden Handyanbieter Nokia gab Bernhard Schaaf den Teilnehmern zum Abschluss seines Vortragsteils noch einen Rat mit auf den Weg: Wichtig sei es, sowohl für Anbieter als auch Anwender, jetzt zu beginnen, Know-how aufzubauen.

Einen Anwender, der bereit war, die Reise ins Land des Digitaldrucks gleich von der ersten Stunde an zu begleiten, ist die Firma Colordruck Baiersbronn. Deren Geschäftsführer Thomas Pfefferle war ebenfalls zum Packaging Summit nach München gereist, um Bernhard Schaafs Vortrag um die Perspektive des Praktikers zu ergänzen: „Am Anfang stand bei uns natürlich dieselbe Frage, die sich aktuell viele Unternehmen stellen: Kriegen wir so eine Anlage überhaupt ausgelastet?“, erklärt Thomas Pfefferle. Doch die Chance, ein neues Geschäftsfeld aufzubauen, überwog nach kurzer Diskussion die Bedenken. Colordruck wollte umfassender Anbieter für Lösungen im B2C- und B2B-Bereich werden, „und mit digitalen Lösungen werden Short-runs wie Mock-ups wie Messen oder Promotionaktionen wirtschaftlicher“, fasst Thomas Pfefferle zusammen. Vor allem sind für Colordruck aber die Prozessvorteile wichtig: schnelle Time-to-Market, keine Lagerung und Bestandsverwaltung und das seitens der Kunden geforderte „Packaging on Demand“.

Die Schachteln selbst seien am Ende zwar nicht günstiger, aber, argumentiert Thomas Pfefferle, Unternehmen sollten die Gesamtkosten betrachten: So fielen mit der Digitaldruck-Lösung keine Lager-/Verwaltungskosten an. Mit dem Fallbeispiel eines Kunden aus der Pharmaindustrie, bei dem gerade einmal ein Siebtel der anfallenden Kosten die reinen Produktkosten für die Verpackung seien, der Rest Prozesskosten, unterstrich Thomas Pfefferle zum Abschluss seines Vortrags diesen Punkt.

„One size fits it all“ ist vorbei

„Ist Ihre Verpackung gerüstet für die Zukunft?“ – Mit dieser Frage leitete Stefan Kunzmann, Sales, Marketing & Innovation Director Region Central Europe bei DS Smith Packaging Deutschland, seinen Vortrag zur Verpackung 2.0 ein. Und die Frage ist berechtigt, denn die bereits jetzt rasante Geschwindigkeit bei der Entwicklung neuer Technologien wird wahrscheinlich künftig noch zunehmen. Trotzdem sind die aktuellen Verpackungskonzepte (meistenteils) noch die alten. Weshalb sich Stefan Kunzmann und sein Team damit beschäftigen, was die Verpackung in Sachen Markenaktivierung und Markenschutz leisten kann.

Die Konsumenten der Zukunft, so die Erwartung, werden ein völlig anderes Konsumverhalten als heute haben; dazu gehört auch eine andere Markentreue zu Produkten als es heute noch der Fall ist. Und nicht zuletzt: Die kommende Generation ist eine ungeduldige Generation die erwartet, dass neue Produkte wahnsinnig schnell erhältlich sind. Wobei dies keine reine Zukunftsvision darstellt. „Bereits heute werden die Produktlebenszyklen immer schneller. Das heißt: schneller entwickeln – aber dabei auch die Kosten im Griff behalten“, erklärt Stefan Kunzmann. In diesem Umfeld gerieten traditionelle Marken immer mehr unter Druck. Stefan Kunzmann identifizierte die folgenden Themen als entscheidend für Unternehmen:

  • Individualisierung: „One size fits it all“ ist vorbei. Produkte müssen künftig immer stärker individualisiert sein – oder dem Konsumenten zumindest das Gefühl geben. Als Beispiele führte Stefan Kunzmann Nutella und Coca-Cola an, die als zeitlich begrenzte Aktion Primärverpackungen mit gängigen Vornamen bedruckte Etiketten am Point of Sale anboten.
  • Kommunizierende Verpackung: Track & Trace ist ein wichtiges Thema. Sei es, um Prozesse zu optimieren, oder aber auch beim Product-Recall: „Wenn ich genau weiß, wo ein Produkt ist, werden Rückrufe einfacher und vor allem auch kostengünstiger“, argumentiert Stefan Kunzmann.
  • Omni-Channel: Markenartikler können nicht ein und dieselbe Verpackung für alle Kanäle anbieten.
  • E-Commerce: 4,2 Milliarden Pakete werden aktuell jährlich in Deutschland versendet, wobei 25 Prozent der Verpackungen durchschnittlich mit Luft gefüllt sind – hier gilt es, zu optimieren. Gleichzeitig wird hier die Verpackung zum Schaufenster der Marke. Stichwort Unboxing-Experience: Die Marke muss den Käufer beim Auspacken anspringen.

Der Trend hin zur Individualisierung, also der Differenzierung am Massenmarkt, war maßgeblich für die Entscheidung von DS Smith, in den Digitalduck einzusteigen. „Mittlerweile reden wir von einem digitalen Massenmarkt“, kommentiert Stefan Kunzmann. Der Vorteil der Digitaltechnik: Kunden können sich die Druckabnahme vor Ort sparen. Denn wenn das PDF passt, dann passt auch der Druck.

Um herauszustellen, wie wichtig es für Unternehmen ist, sich bereits heute auf die kommenden Anforderungen einzustellen, zog auch Stefan Kunzmann das Beispiel Nokia heran: „Der USP von Nokia war die lange Akkulaufzeit. Heute können beziehungsweise wollen Konsumenten nicht mehr ohne Apps leben. Und so wird dies voraussichtlich auch mit Verpackungen sein: Features wie Konnektivität werden irgendwann als Standard gelten.“ Der Digitaldruck ermögliche Unternehmen, die den Anschluss nicht verlieren wollen, gleich drei entscheidende Dinge: Maßanfertigung für den Massenmarkt, Markenaktivierung für die direkte Kundenansprache und nicht zuletzt den Markenschutz. Wobei Letzteres auch wiederum kein Trend, sondern ein bestehendes Problem darstellt: Bereits heute gehen Markenartiklern jährlich rund 440 Milliarden Euro durch Plagiate verloren. Um hier gegenzusteuern, ist es beispielsweise durch serialisierte Codes möglich, nachzuweisen, ob es sich bei einer Verpackung um ein Original handelt oder nicht. Eines der wichtigsten Anwendungsgebiete sei hier der Ersatzteilmarkt. Gleichzeitig können solche serialisierten Codes auch zur Kundenbindung eingesetzt werden, beispielweise in Form eines Gewinnspiels: So ist es für Unternehmen möglich, Codes in eine Verpackung aufzudrucken, sodass der Konsument diesen dann daheim nach dem Öffnen abscannen und sofort erkennen kann, ob er gewonnen hat.

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Stefan Kunzmann während seines Vortrags auf dem Packaging Summit. (Bild: Christopher Link)

An Kleinserien führt kein Weg vorbei

Klassische Differenzierung zwischen B2B und B2C verschwimmt immer mehr. „Im Grunde geht es heute um H2H, also Human2Human“, erklärt Marco Dembowski, Head of Business Development & Corporate Communications des Wormser Start-ups Pack Ex. Dabei haben sich auch die Kommunikationskanäle stark gewandelt: Von der Brieftaube über Mailverkehr hin zu Smart-Devices, Datentransfer über Cloudsysteme etc. Ebenfalls im Wandel befindet sich: das Auspacken. Früher ein emotionsfreier Vorgang, wird es heute mehr und mehr zum Erlebnis.

„Im Grunde führt kein Weg an Kleinserien vorbei“, argumentiert Marco Dembowski: Umfragen zufolge sind Kunden bereit, bis zu 150 Prozent mehr für ein personalisiertes Produkt auszugeben. Und das macht sich bemerkbar: Bereits im Jahr 2018 lag der Marktanteil von Kleinserien (Auflage < 5.000) bei 31 Prozent. „Und das, obwohl es heute kaum technische Lösungen gibt, Kleinserien kostengünstig darzustellen“, so Marco Dembowski. Denn der Status quo sieht für Unternehmen aus wie folgt: Bis zu zwei Monate Lieferzeit von der Auftragsaufgabe bis zur Lagerung, und das bei Kosten von 600 Euro bei 250 Stück bei einer durchschnittlich großen Standard-Faltschachtel.

Das Lösungskonzept von Pack Ex geht einen gänzlich anderen Weg: Hier ist der komplette Vorgang durch alle Prozessstufen hoch digitalisiert, automatisiert – und in die Cloud gehoben. Selbst die Auftragsvergabe erfolgt über eine B2B-App, wonach ein Algorithmus automatisch das jeweils passende Druckverfahren ansteuert (ausschlaggebende Faktoren sind beispielsweise die Komplexität der Individualisierung oder die Höhe der Auflage), gefolgt von Laser-Cutting sowie einer Qualitätskontrolle mittels Videokontrolle und smartem Versand in maßgeschneiderten Kartons. Das Ergebnis: Lediglich zwei bis fünf Tage vergehen zwischen Auftragseingang und Auslieferung. „Wir wollen mit unserem Ansatz die bisherige Technik nicht nur zeitlich, sondern auch von der Kostenseite unterbieten“, kommentiert Marco Dembowski. Das erklärte Ziel von Pack Ex: 250 Faltschachteln für unter 150 Euro anbieten zu können. Langfristig ist die Anbindung von Pack Ex direkt an die ERP-Umgebung der Kunden angedacht, die dann direkt das System  des Start-ups ansteuern – und somit die Produktion.

Durch die sehr kurzfristigen Lieferzeiten ist es für Unternehmen laut Marco Dembowski möglich, das eigene Verpackungslager in die Cloud auszulagern: „Der Kunde legt sich ein Produkt virtuell in seinem Konto an und ‚lagert‘ es somit ein. Danach kann er dort gespeicherte Verpackungen mit nur einem Klick binnen drei Tagen beziehen.“ Dies alleine klingt im Grunde bereits futuristisch, doch beim nächsten Punkt kommt endgültig Star-Wars-Stimmung auf. Denn anders als beim konventionellen Herstellungsverfahren, verzichtet Pack Ex auf das zeit- und kostenaufwendige Herstellen von Stanzwerkzeugen – sondern setzt hier auf Lasertechnologie. Dabei stanzt der Laser nicht nur die Konturen, sondern kann auch rillen.

Mit dem neuen Herstellungsprozess haben Unternehmen darüber hinaus die Möglichkeit, ihre Herangehensweise beim Bestellen ihrer Faltschachteln grundsätzlich zu überdenken, so Marco Dembowski: „Bei einem durchschnittlichen Bedarf von 50.000 Schachteln pro Jahr ist es unter Umständen sinnvoll, stattdessen zehnmal 5.000 Schachteln zu bestellen. Denn werden dann insgesamt nur 45.000 benötigt, müssen nicht 5.000 Schachteln zerstört werden. Das ermöglicht außerdem auch kurzfristige kleinere Änderungen am Design – und führt gegebenenfalls zu ganz neuen Möglichkeiten im Produktmanagement durch die iterative Weiterentwicklung von Verpackungslösungen.“

Zur Veranstaltung

Über den Packaging Summit

 

Nach erfolgreicher Erstveranstaltung ging der Packaging Summit am 3. und 4. April 2019 im Hochhaus des Süddeutschen Verlags in seine zweite Runde.  Mit „Smart Packaging – Design – Branding“ hatten die Veranstalter neue verpackung und Werben & Verkaufen auf die richtigen Themen gesetzt: knapp 120 Namen umfasste die Teilnehmerliste. Weitere Bilder sowie ein Video zur Veranstaltung mit Stimmen der Teilnehmer sind zu finden unter www.packagingsummit.de.

Und gleich vormerken: Der 3. Packaging Summit findet am 7. und 8. Juli 2020 statt. 

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