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(Bild: Schreiner Medipharm)

Gefälschte Medikamente fügen der pharmazeutischen Industrie Jahr um Jahr beträchtlichen Schaden zu. Vor allem stellen sie jedoch eine massive Gefahr für die Patientensicherheit dar. Laut WHO sterben weltweit jedes Jahr etwa 1 Mio. Menschen am Konsum gefälschter Arzneimittel. Wie groß das Problem ist, hat erst wieder die in 2018 durchgeführte Aktion „Mismed 2“ der Europäischen Polizeibehörde Europol gezeigt: Während der sieben Monate dauernden Ermittlungen wurden 13 Mio. illegale Medikamente im Wert von 165 Mio. Euro sichergestellt – darunter befanden sich beispielsweise Opiate, leistungssteigernde Mittel und Arzneimittel zur Behandlung von Krebs und Herzerkrankungen. 16 europäische Länder waren an den Ermittlungen beteiligt, insgesamt wurden 24 Gruppen der organisierten Kriminalität zerschlagen. Bei etwa 50 Prozent der beschlagnahmten Substanzen handelte es sich um gefälschte Medikamente – insbesondere für an schweren Erkrankungen leidende Patienten bedeutet das ein erhebliches gesundheitliches Risiko.

Fehlender Manipulationsschutz von Primärcontainern

Um diesem illegalen Handel mit Medikamentenfälschungen entgegenzuwirken, gilt seit dem 9. Februar 2019 europaweit die Fälschungsschutzrichtlinie 2011/62/EU. Sie verpflichtet Pharmahersteller, auf der Umverpackung verschreibungspflichtiger Medikamente eine individuelle Seriennummer als 2-D-Code zur Identifikation aufzubringen, sowie einen Manipulationsnachweis, beispielsweise ein Siegeletikett, der die Unversehrtheit der Verpackung anzeigt: Nach dem Öffnen muss dann eine eindeutig sichtbare, irreversible Veränderung oder Beschädigung der Verpackung und/oder des Etiketts erkennbar sein.

Als zuverlässige Erstöffnungsanzeige haben sich Klebepunkte, spezielle Faltschachtelkonstruktionen und verschiedene Siegellösungen, beispielsweise mit irreversiblem Void-Effekt, etabliert. Komplette Verkaufseinheiten, die erst nach positiver Überprüfung der Sicherheitsmerkmale zum Patienten oder der medizinischen Fachkraft gelangen, lassen sich damit absichern. Doch die Umverpackung wird häufig entsorgt und insbesondere im Krankenhaus werden bis zur Anwendung ausschließlich die darin enthaltenen Primärcontainer gelagert. Eine Integritätsprüfung des Behälters vor der ersten Anwendung wäre hier essenziell – doch die EU-Direktive adressiert mit ihren Maßnahmen lediglich die Sekundärpackmittel.

Eine große Gefahr stellen zudem illegal wiederverwendete Medikamentenbehälter mit Originaletikett dar: Produktfälscher suchen in Abfallcontainern nach leeren Originalbehältern, befüllen diese und verkaufen sie als vermeintliches Original. Werden diese gefälschten Arzneimittel in Verkehr gebracht und unkontrolliert verabreicht, besteht eine akute Gesundheitsgefahr für den Patienten. Für eine umfassende Produkt- und Patientensicherheit als Resultat einer durchgängig abgesicherten Supply Chain sollten daher für Primärverpackungen unbedingt entsprechende Sicherheitslösungen implementiert werden.

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Mit einem speziellen Adapter auf dem Primärverschluss der Spritze werden die unterschiedlichen Radien von Spritzenkörper und -verschluss ausgeglichen. Anschließend wird das Label zur Manipulationsanzeige appliziert. (Bild: Schreiner Medipharm)

Analoge Erstöffnungsnachweise für Vials und Spritzen

Um die Integrität von Primärgefäßen sicherzustellen, gibt es verschiedene Sicherheitskonzepte. Bei Glas-Vials bietet sich ein neuartiger Ansatz an, der zuverlässig und einfach in der Anwendung ist: Eine Folienkappe mit integriertem Öffnungsstreifen wird auf das gefüllte und verschlossene Gefäß gestülpt und mit einem Kennzeichnungslabel fixiert. Nach dem Aufreißen des Öffnungsstreifens verbleibt der untere Teil der Kappe mit dem Label auf dem Gefäß. Beim Versuch, den Rest der Kappe zu entfernen, wird das Label zerstört und die Erstöffnung eindeutig und irreversibel angezeigt. Ein unbemerktes Wiederverwenden des Gefäßes ist dann nicht mehr möglich.

Die Kappen-Label-Kombination kann auf unterschiedliche Arten, Formen und Größen von Glasgefäßen adaptiert werden. Eine Farbcodierung der Kappen hilft zusätzlich Medikationsfehler zu verhindern. Um das Risiko von Glasbruch und Oberflächenkontaminationen zu minimieren, was beispielsweise bei onkologischen Produkten relevant ist, kann der Flaschenboden zusätzlich mit einer Kappe versehen werden. Auch kann durch eine spezielle Materialauswahl das enthaltene Medikament vor UV- oder anderen Lichtstrahlen geschützt werden. Anders als bei Lösungen mit Schrumpffolien wird die Kappe ohne Einwirkung von Hitze aufgebracht. Die Sicherheitslösung kann mit entsprechend konzipierten Etikettier- und Montageanlagen verspendet und leicht in den Produktionsprozess des Pharmaherstellers integriert werden.

Neben Vials sind vorgefüllte Injektionsspritzen eines der meist verwendeten Primärpackmittel. Für Luer-Lock-Spritzen eignen sich beispielsweise Siegellösungen auf Etikettenbasis als Erstöffnungsnachweis. Dazu werden zunächst mittels eines speziellen Kappenadapters, der auf den Spritzenverschluss aufgesetzt wird, die unterschiedlichen Radien von Spritzenkörper und Verschlusskappe ausgeglichen. Anschließend wird ein Label mit integrierter Perforation zur Manipulationsanzeige auf Spritzenkörper und Kappenadapter appliziert, sodass es beides fest umschließt. Da der Adapter mit dem Originalverschluss der Kappe verzahnt ist, kann die Spritze wie gewohnt in einem einzigen Schritt geöffnet werden. Dabei wird das Label gezielt zerstört und zeigt deutlich und irreversibel die Erstöffnung an. Für den Anwender wird durch den größeren Umfang des Adapters im Vergleich zum ursprünglichen Spritzenverschluss das Öffnen der Kappe erleichtert. Zudem sichert dieses Konzept die Sterilität und Integrität der Luer-Lock Spritze bis zur Anwendung. Auch bei dieser Lösung wird während der Applikation keine Hitze eingesetzt, sodass die Kappenadapter-Label-Kombination selbst für empfindliche Wirkstoffe geeignet ist. Die Adapter-Lösung kann optional mit zusätzlichen Funktionen ausgestattet werden – von UV-Schutz über haptische Elemente bis hin zu Fälschungsschutzmerkmalen oder abnehmbaren Dokumentationsteilen.

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Mit einem in das Label integrierten NFC-Chip und einer Smartphone-App können Anwender zweifelsfrei prüfen, ob ein Autoinjektor noch originalverschlossen ist oder bereits geöffnet wurde. (Bild: Schreiner Medipharm)

Digitaler Erstöffnungsnachweis für Autoinjektoren

Im Zuge der wachsenden Selbstmedikation müssen insbesondere Patienten im Homecare-Bereich ihre Injektionshilfen einfach und schnell auf Integrität und Authentizität prüfen können. In innovative Labels werden dazu NFC-Chips integriert. Sie fungieren als digitaler Manipulationsnachweis, indem sie via Smartphone-App ausgelesen werden und die entsprechende Information liefern. Dazu werden die NFC-Labels so appliziert, dass sie den Autoinjektor einschließlich der Kappe umschließen. Vor dem Abziehen der Autoinjektorkappe prüft der Anwender zunächst, ob es sich bei dem Produkt um ein Original handelt; die App zeigt nach Auslesen des Chips eine entsprechende Bestätigung an. Nach dem Öffnen der Kappe und erneutem Auslesen des Chips erscheint ein Warnhinweis, dass das Produkt geöffnet wurde. Erscheint der entsprechende Warnhinweis bereits vor dem ersten Öffnen durch den Patienten, weist dies auf eine mögliche Manipulation hin.

Zusätzlich zu der Erstöffnungsnachweis-Funktion kann der Chip für weitere Features genutzt werden: So können Pharmahersteller interaktive Anwendungen einbinden, wie etwa Produktinformationen oder Demovideos. Ein zusätzliches integriertes Geotracking ermöglicht es den Unternehmen, eventuelle Graumarktaktivitäten in lokalen Märkten zu erkennen und in der Folge zu unterbinden. 

Hoher Fälschungsschutz durch zusätzliche Authentifizierungsmerkmale

Sowohl die analogen als auch die digitalen Sicherheitslösungen stellen einen umfassenden Manipulationsschutz für Primärgefäße und Injektionshilfen dar und unterstützen medizinische Fachkräfte sowie Patienten in ihrem Alltag dabei, bereits geöffnete Container schnell zu erkennen. Im Sinne einer sicheren Supply Chain sind solche Sicherheitslösungen jedoch nicht ausreichend, da neben der Produktidentität und -integrität auch die Echtheit eines Produktes sichergestellt werden muss. Ein umfassender Schutz vor Fälschung und Manipulation kann erst durch die zusätzliche Kombination mit integrierten Authentifizierungsmerkmalen ermöglicht werden. Es können dabei offene, halbverborgene, verborgene und digitale Merkmale einzeln oder miteinander kombiniert eingesetzt werden. So können beispielsweise zusätzlich zu einem NFC-Chip analoge Echtheitsmerkmale in das Label integriert werden, wie etwa Hologramme, thermochrome Effekte oder eine Perforation, die ein unbemerktes Wiederverschließen einer Kappe verhindert.

Mit den entsprechenden Sicherheitskonzepten in Kombination mit Authentifizierungsmerkmalen haben die verschiedenen Stakeholder entlang der Supply Chain die Möglichkeit, sowohl die Sekundär- als auch die Primärpackmittel zu verifizieren. So können ein zuverlässiger Schutz vor Fälschungen, Missbrauch und Manipulation erreicht und eine umfassende Produkt- und Patientensicherheit gewährleistet werden. 

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