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(Bild: Fanuc)

Als Teil seines globalen Produktionsnetzwerkes betreibt Takeda Standorte in Singen und Oranienburg. Während der Standort Singen auf die Herstellung flüssiger und gefriergetrockneter Arzneimittel spezialisiert ist, werden in Oranienburg feste Darreichungsformen produziert. Hier werden jährlich über 6 Mrd. Tabletten und Kapseln hergestellt.

Diese Menge an Medikamenten muss am Ende jeder Produktionslinie kommissioniert und versandfertig palettiert werden – ein echter Knochenjob. Die Diskussion ging also nicht darum, ob man automatisiert, um Mitarbeiter zu entlasten, sondern im Prinzip nur darum, wo man damit beginnt. Ein Blick auf den Krankenstand „erleichterte“ die Entscheidung ganz enorm.

Hohe Akzeptanz für Cobot

Bis zu zehn Kilogramm schwere Kartons sind beispielsweise am Ende einer Linie zu handhaben. Im Laufe einer Schicht summiert sich das auf rund fünf Tonnen. Takeda-Projektleiter Robert Gundlach erinnert sich: „Zunächst war ein kollaborativer Roboter noch kein Thema.“ Am Ende der Projektgespräche mit Fanuc habe sich aber das Argument durchgesetzt, dass ein Cobot die Mitarbeiter nicht nur entlastet, sondern auf deutlich mehr Akzeptanz stoßen wird, als ein gelber Roboter hinter einem Schutzzaun. Sebastian Steinbach, der von Fanuc aus das Projekt vor Ort betreut, fasst die grundlegende Idee zusammen: „Die Mitarbeiter können beim kollaborativen Roboter auf Tuchfühlung gehen. Das hat die Einführung der neuen Technik akzeptabel gemacht.“ Schon nach dem ersten Kontakt mit Fanuc war die Richtung klar. „Da wussten wir schon ziemlich genau, was wir haben wollten.“

Dabei war Fanuc nicht der einzige Hersteller, der kontaktiert wurde. Aber, so Gundlach, kein anderer Hersteller sei in der Lage gewesen, Takeda ein kollaboratives System in der erforderlichen Traglastklasse und entsprechender Reichweite anbieten zu können. Denn schon vor der Installation des ersten Roboters ging der Blick weiter: Das Handling von Gebinden oder Fässern über 20 kg, das bisher noch manuell erfolgt, rückt in absehbarer Zukunft in den Fokus der Automatisierung.

Weil Takeda einen Systemintegrator in der Nachbarschaft wollte, fiel die Wahl auf SKDK, ein Berliner Unternehmen, das in der Roboter- und SPS-Programmierung zuhause ist, seit 2012 Fanuc-Robotersysteme programmiert und inzwischen auch mit kleineren Anlagen ins Projektgeschäft eingestiegen ist. Arnardo Schulze, Geschäftsführer von SKDK, erklärt: „Durch die positiven Erfahrungen wollen wir als Systemintegrator weiterhin Projekte im Anlagenbau in Kombination mit der Programmierung aus einer Hand realisieren.“ Die Besonderheit bei der Takeda-Anlage habe darin bestanden, dass zum einen in der Pharmaindustrie Roboter noch nicht so populär wie in anderen Branchen sind, zum anderen hohe Standards in der Reinigung von Robotersystemen erfüllt werden müssen.

Aus zahlreichen anderen Projekten weiß Robert Gundlach, wie sehr es auf die Akzeptanz der Mitarbeiter ankommt: „Deshalb binden wir bei einem neuen Projekt die Mitarbeiter so früh und so intensiv wie möglich ein.“

So gab es für die Leute in der Konfektionierung mehrere Informationsveranstaltungen, auf denen Technik und geplante Umsetzung ausführlich erläutert wurden. Gundlach dazu: „Da wird den Leuten klar, dass ein Roboter nichts anderes ist als ein Tritthocker, eine Arbeitserleichterung. Wir haben den Roboter als neuen Kollegen verkauft, nicht als neue Technik.“

Als großes Plus für den CR-15 IA zählte, dass der Roboter nicht hinter einem Zaun „versteckt“ werden muss. Ohne Käfig sind die Vorbehalte offenbar geringer.

Um fünf Tonnen pro Schicht entlastet der „Tobot“ genannte CR-15 IA Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Versandabteilung.
Um fünf Tonnen pro Schicht entlastet der „Tobot“ genannte CR-15 IA Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Versandabteilung. (Bild: Fanuc)

Wo der CR-15 IA arbeitet

Der Packtisch am Ende einer Tabletten-Produktionsanlage besteht aus einem Doppelarbeitsplatz: Die mit Tabletten gefüllten Glasfläschchen werden zu mehreren in Schachteln verpackt. Diese Schachteln werden pausenlos auf den Packtisch geschoben, von zwei Mitarbeitern fünferpackweise gegriffen und in einen Karton gesetzt. Ist der Karton voll, wird er auf eine flexible, leicht abschüssige Rollenbahn gesetzt. An deren Ende scannt der CR-15 IA zunächst das Etikett, um den Karton dann so zu greifen, dass er ihn mit dem Etikett nach außen auf der Palette stapeln kann. Während es bei den Mitarbeitern Schichtwechsel gibt, arbeitet der Roboter im 24/7-Betrieb.

„Seit Mitte Dezember läuft das System reibungslos“, berichtet Gundlach. „Die relative Flexibilität der Konstruktion liegt im Rollenband.“ Dabei handelt es sich um eine Scherenrollenbahn, die eine Reihe von Verstellmöglichkeiten hat, und die bei Bedarf auf die Seite geschoben werden kann. So könnte für eine Wartung oder Servicearbeiten am Roboter ganz einfach Platz geschaffen werden. In diesem Fall könnte wie bisher weiter manuell palettiert werden. Gundlach: „Mit der gewählten Lösung haben wir uns nach vorn entwickelt, aber wir haben uns auch den Rückweg nicht verbaut.“ Für eine erste Applikation sieht er darin einen großen Vorteil mit überschaubarem Risiko.

Dabei ist die Station mit dem grünen Fanuc-Roboter nur eine von insgesamt 14 Kommissionierbahnen bei Takeda. Die guten Erfahrungen mit Technik von Fanuc und Systemleistung samt Programmierung von SKDK will man auf weitere Projekte über-tragen.

Nun könnte man durchaus die Arbeit am Packtisch ebenfalls automatisieren. In der jetzigen Form wird der Roboter jedoch als Unterstützung wahrgenommen. Und auch die Überlegung, von zwei Packplätzen auf einen zu reduzieren, hat man zugunsten der Verfügbarkeit der Anlage aufgegeben: Bliebe der Roboter stehen, weil sich beispielsweise ein Paket verkantet hat, kann am Packtisch immer noch weitergearbeitet werden, während der zweite Mitarbeiter die Störung behebt.

Verbesserungsvorschläge schnell umgesetzt

Rund 8.000 Pakete sind seit dem Start schon über die Anlage gelaufen. „Dabei haben wir noch keinen technischen Ausfall gehabt“, zieht Gundlach eine erste Zwischenbilanz. Dabei war er eigentlich „nur“ vorsichtig optimistisch, er habe mit einer flacheren Anlaufkurve gerechnet. Einen erheblichen Anteil rechnet er SKDK an. Wenn es irgendwo hakte im Ablauf, oder wenn Mitarbeiter Verbesserungsvorschläge im Detail hatten, sei SKDK immer greifbar gewesen und habe „kleine Sachen“ umgehend verbessert. „Da gab und gibt es nichts, was zu irgendwelchen Instabilitäten geführt hat.“

Wie sicher die Systemintegratoren gearbeitet haben, zeigt sich am Beispiel von Updates, die man immer direkt habe einspielen können. Das gebe eine gewisse Sicherheit bei erforderlichen Anpassungen. Gundlach ist sicher: „Da haben wir einen Partner, der standfest ist.“

Die Aufgabe des Roboters bei Takeda besteht eigentlich nur darin, die Kartons richtig auf die Palette zu setzen, immer acht Kartons pro Lage und vier Lagen hoch – und mit dem Etikett nach außen. Mit einer Reichweite von 1.441 mm und einer maximalen Traglast erfüllt der Fanuc-Roboter diese Aufgabe mühelos. Die für den kollaborierenden Betrieb mögliche Verfahrgeschwindigkeit reicht für den Betrieb völlig aus.

Vier Lagen werden auf einer Palette gestapelt. Mit einer Reichweite von 1.441 mm für den Roboter kein Problem.
Vier Lagen werden auf einer Palette gestapelt. Mit einer Reichweite von 1.441 mm für den Roboter kein Problem. (Bild: Fanuc)

Vakuumgreifer mit Druckanzeige

Der Vakuumsauggreifer kommt von Schmalz und erfüllt selbstverständlich auch alle Anforderungen an einen kollaborativen Betrieb. Kleines Gimmick: An einer Digitalanzeige am Greifer lässt sich ablesen, mit wie viel Unterdruck der jeweilige Karton gehalten wird. Auch bei dem Greifer handelt es sich um ein Standardprodukt. Arnardo Schulze, Geschäftsführer der SKDK, legt Wert auf die Feststellung, „dass wir in Absprache mit Takeda ausschließlich Standardprodukte ohne Customizing eingesetzt haben.“ Lediglich bei der Gestaltung der Bedienoberfläche des Teach Pendant habe man ein kundenspezifisches Layout programmiert.

Dahinter steckt die Idee, das Teach Pendant nicht nur als Bedien- und Programmiergerät für den Roboter, sondern auch als Zellensteuerung zu benutzen. Schulze erklärt: „Wir wollten Kosten an Hardware und Entwicklung einsparen. Für uns als Software-programmierer ist es leichter, das Display des Fanuc I-Pendant für diese Aufgaben zu nutzen, als eine Darstellung auf einem anderen Gerät umzusetzen.“ Die Bedienoberfläche ist einfach und übersichtlich – mit unterschiedlichen Zugangsberechtigungen. Im einfachsten Fall werden nur Zustand der Zelle und Grundoperationen angezeigt oder vorgegeben. Ist beispielsweise eine neue Palette bereitgestellt, startet man den Roboter per Knopfdruck. Schulze erklärt das Prinzip: „Wir haben bei der Darstellung auf dem Display nicht das Rad neu erfunden, sondern die jeweilige Operation selbsterklärend optisch aufbereitet.“

Die Standardisierung der einzelnen Baugruppen hat einen zusätzlichen Vorteil. Zum einen kann die kollaborative Zelle für alle weiteren Packstationen im Haus als Vorlage dienen. Zum anderen, so Gundlach, befassen sich inzwischen auch andere Takeda-Standorte mit dem Einsatz von Robotern. Eine Wunschliste weiterer Roboterprojekte gibt es schon.

Roboter in der Verpackungsindustrie
(Bild: Hüthig)

2. Praxistagung: Roboter in der Verpackungsindustrie

Roboter kommen mittlerweile in faktisch jedem Bereich des Verpackungsprozesses zum Einsatz. Das gilt schon lange nicht mehr nur für Hochlohnländer in Europa, die ihre Wettbewerbsfähigkeit durch erhöhte Automatisierung sichern wollen, sondern auch für Emerging Markets wie Indien und China, die aufgrund einer schwer planbarer Personalfluktuation auf Roboter in der Produktion angewiesen sind.

Und nicht zuletzt Covid-19 führt zu einem erhöhten Bedarf an hochautomatisierten und damit hygienischen Prozessen.

Zusammen mit den Kollegen des Automatisierungstitels IEE veranstaltet neue verpackung darum am 13. Oktober 2019 die bereits 2. Praxistagung „Roboter in der Verpackungsindustrie“. Die Veranstaltung findet in diesem Jahr als Online-Event statt und gibt einen Überblick zum bereits technisch Möglichen in Form von Best-Practices sowie einen Ausblick in die (nicht allzu ferne) Zukunft. Mit dabei sind Vorträge von: VDMA, Packservice, Fraunhofer IPA, Codesys, Kuka, Ishida und SEW Eurodrive.

Weitere Informationen – natürlich inklusive der Möglichkeit zur Anmeldung – finden Sie unter www.verpackungsroboter.com.

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