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(Bild: Hanna – Adobe Stock)

Die pharmazeutische Verpackungsindustrie ist durch umfangreiche Regularien geprägt und daher in der Innovationsdynamik etwas eingeschränkt. In einem sechsmonatigen Projekt zur Entwicklung von Zukunftsszenarien für die Pharmaverpackung wurde aufgezeigt, dass zwar neue Technologien, wie
E-Labels oder Kindersicherungen, die Marktreife erreicht haben oder in Kürze erreichen werden, neue Anforderungen in absehbarer Zukunft aber weiteren Entwicklungsbedarf erfordern. Die pharmazeutische Verpackungsindustrie muss sich zusammen mit ihren Kunden und Technologielieferanten enger und intensiver austauschen, um die nächste Verpackungsgeneration, Smart Packaging 2.0, auf den Weg zu bringen.

Smart Packaging 2.0


Smart Packaging 2.0 steht für die nächste Generation der Pharmaverpackung. Die Funktionen der Verpackung und deren Gewichtung werden neu definiert: Die Schutzfunktion tritt in den Hintergrund und wird als hochwertig und sicher vorausgesetzt, eine Differenzierung ist damit nicht mehr möglich. Auch die Produktwerbung wird eine geringere Rolle spielen und in digitaler Form integriert werden. Hohe Bedeutung wird die Interaktion mit der Umwelt gewinnen, die den Kern von Smart Packaging 2.0 darstellt. Technologisch wird dazu zwischen aktiven und intelligenten Verpackungslösungen unterschieden. Aktives Smart Packaging stellt die Qualität und Haltbarkeit des Produktes über die Lieferkette sicher, und intelligentes Smart Packaging ermöglicht die Kommunikation mit der Außenwelt, insbesondere dem Patienten beziehungsweise Endverbraucher.

Der demografische Wandel und das Nutzungsverhalten der Verbraucher definieren neue Anforderungen an die Pharmaverpackung, die sich zunehmend auf Kommunikationselemente fokussiert. Durch interaktive Bildschirme werden Informationen für den Patienten multimedial angezeigt, beispielsweise Videos zur Einnahme oder Handhabung des Medikaments. Gleichzeitig dienen diese smarten Devices als Schnittstelle für Sensorik, beispielsweise zur Füllstandsanzeige bei Flüssigkeiten, Temperatur- und Umwelteinflussmessung zur Überprüfung von verderblich wirkenden Einflüssen etc.
Verpackungen mit integriertem Bildschirm und Sensorik sind bereits heute erhältlich. Für die Pharmaverpackung sind sie jedoch wenig praxistauglich, da die zugrundeliegende Elektronik zu viel Raum einnimmt und kleinere Medikamentenverpackungen damit nicht realisiert werden können. Für die Pharmaindustrie muss daher eine Weiterentwicklung der Technologien erfolgen mit Augenmerk auf die Miniaturisierung.

Die vier Komponenten für Smart Packaging 2.0: Bildschirm (optional mit Touch-Funktion), Recheneinheit, Energiequelle und Datenschnittstelle.
Die vier Komponenten für Smart Packaging 2.0: Bildschirm (optional mit Touch-Funktion), Recheneinheit, Energiequelle und Datenschnittstelle. (Bild: Hochschule Reutlingen)

Technologien für Smart Packaging 2.0


Um eine Verpackung mit einem Bildschirm auszustatten, kommen mehrere elektronische Komponenten zur Anwendung: Ein Bildschirm (optional mit Touch-Funktion), eine Energiequelle, eine Recheneinheit und eine Datenschnittstelle. Der Erfolg für eine digitalisierte Verpackung basiert insbesondere auf der Entwicklung platzsparender Batterien beziehungsweise Solarzellen, miniaturisierten Recheneinheiten und Daten- beziehungsweise Kommunikationsschnittstellen mit Bluetooth oder NFC.

Die ersten gedruckten Batterien aus Zink-Braunstein und anderen chemischen Zusammensetzungen sind bereits produzierbar. Und gedruckte Solarzellen können in Verbindung mit einer Batterie die Bildschirmfunktionalität auch bei geringer Lichteinstrahlung ermöglichen. Die Stromschnittstelle zu einem Display wird mit gedruckten Leitungen flexibel in einem Etikett integriert.

Für den Bildschirm werden OLED (organic light emitting diode) eingesetzt, die ursprünglich als Beleuchtung und Alternative zur LED gedacht waren. Die OLED-Technologie findet als etablierte Technologie seit über zehn Jahren Anwendung in der Telekommunikation, in Fernsehgeräten etc. Die verwendeten organischen Komponenten sind ökologisch unbedenklich, und die OLED-Bildschirme sind unter anderem durch die Entwicklung des elektronischen Drucks hauchdünn sowie sehr flexibel und weisen einen deutlich geringeren Energieverbrauch auf als vergleichbare LCD- oder LED-Bildschirme. Ihre Anwendung auf Verpackungen hat aber derzeit noch keinen Durchbruch erlebt.

Für eine adäquate Applikation auf einer Verpackung müssen die vier Komponenten allerdings noch weiter optimiert und deren Kompatibilität sichergestellt werden. Um die erwartete Leistungsfähigkeit, Kosten, Umweltverträglichkeit und Dimensionierung der Gesamtelektronik für digitale Bildschirme auf Verpackungen zu erreichen, müssen entsprechende Komponentenkombinationen weiterentwickelt werden.

Arzneimittelverpackung mit integriertem OLED-Bildschirm zur Kommunikation wichtiger Patienteninformationen.
Arzneimittelverpackung mit integriertem OLED-Bildschirm zur Kommunikation wichtiger Patienteninformationen. (Bild: Hochschule Reutlingen)

Pharma Smart Packaging 2.0


Aktuell gibt es keine massentaugliche Verpackungslösung, die die beschriebenen Anforderungen kostengünstig realisiert. Die einzige erfolgreiche Anwendung der OLED-Technologie in der Verpackungsindustrie beschränkt sich auf die ursprüngliche Form der Beleuchtung durch OLED. So können beispielsweise Schriftzüge durch Beleuchtungseffekte hervorgehoben werden. Der aktuelle Stand der Technologie dient primär als Aushängeschild für die Hersteller und wird am Point of Sale für Marketingzwecke genutzt.

In der Pharmaindustrie werden „Over-the-counter“-Medikamente und verschreibungspflichtige Medikamente unterschieden. Während im ersten Fall die Produktvermarktung eine wesentliche Rolle spielt, steht im zweiten Fall die Informationsvermittlung mit der Verpackung im Fokus. Erst ein Mehrwert sowohl für den Patienten als auch für den Pharmahersteller und die Krankenkassen rechtfertigt die Zusatzkosten für eine smarte Verpackungslösung. Durch die Anwendung eines OLED-Bildschirms wird eine gesteigerte Patientenorientierung und verbesserte Informationsvermittlung erreicht, die die Medikamentenhandhabung vereinfacht und dadurch die Therapietreue erhöht. Aspekte wie Manipulationsschutz sowie Überwachungssensorik für Temperatur oder Feuchtigkeit können ebenfalls in die Anwendung integriert werden. Die Einführung des elektronischen Rezepts und die diskutierte Zulassung einer elektronischen Packungsbeilage erhöhen den genannten Nutzen sowie die Nachfrage nach smarten Lösungen.
Die OLED-Bildschirme werden die Basis für die nächste Generation des Smart Packaging 2.0 sein, da sie die Patientenorientierung und Informationsvermittlung verbessern werden. Anwendungsszenarien sind unter anderem Erläuterungsvideos zur Medikamenteneinnahme und -handhabung, optische Erinnerung zur Medikamenteneinnahme, Sicherheitshinweise zu Packungsöffnungszeiten und Kontrolle sowie Hinweise zur Einhaltung der Kühlkette für temperierte Medikamente.


Ausblick


Aktuell angebotene Smart-Packaging-Lösungen sind im Vergleich zu einer OLED-Implementierung verhältnismäßig kostenintensiv und daher nicht für den Massenmarkt tauglich. Auch die ökologisch einfache Verwertbarkeit der Elektronik sowie die technische Integration in das bestehende Produkt sind noch nicht ausreichend zukunftsfähig.

Die Entwicklungstreiber für eine massentaugliche Fertigung organischer Elektronik sind unter anderem die Automobil- und Flugzeugindustrie. Von der in naher Zukunft durch Skalierbarkeit erzielten Kostenreduktion wird die Verpackungsindustrie im Allgemeinen wesentlich profitieren. Bis dahin muss die Pharmaindustrie im Speziellen inhaltliche Konzepte entwickeln, in welcher Form und mit welchen Inhalten Smart Packaging 2.0 ausgestaltet werden soll. Diese Konzepte sind dann in Zusammenarbeit mit den Pharmaunternehmen in den langwierigen Prozess der Genehmigung mit den Behörden und Krankenkassen einzusteuern. Somit beginnt die Zukunft von Smart Packaging 2.0 heute auf Basis der OLED-Technologie.

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