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(Bild: Verpackungs-Museum Heidelberg)

In einem Impulsbeitrag machte der Direktor des Deutschen Verpackungs-Museums, Hans-Georg Böcher, auf die Gefahr einer zunehmenden Bevormundung des Verbrauchers aufmerksam. Er verwies auf die These des Philosophen Peter Sloterdijk aus dem Jahr 1983, der damals in seinem Werk „Kritik der zynischen Vernunft“ von einer zunehmenden „Enteignung körperlicher Kompetenzen“ sprach und über die totalitäre „herren-medizinische Kontrolle des ‚Gesundheits‘-Systems über das Somatische“ geätzt hatte. Heute schränken immer mehr regulatorische Vorgaben die Marke ein und verhindern die eigenverantwortliche Entscheidung des Verbrauchers. Und es geht um noch viel mehr, wie Böcher ausführte.

Vermeintlich Gutes, wie der ökologische Fußabdruck, wurde in den letzten Jahren zum neuen, leicht quantifizierbaren Maßstab für alleinig Erstrebenswertes erklärt. Das Gute soll ab sofort den moralischen Status eines Menschen definieren. Mit solcher Alleinstellung werde die demokratische Debatte jedoch mehr als erschwert und die eigenverantwortliche Entscheidung des Verbrauchers eingeschränkt, so Böcher.

Unter der Begrifflichkeit des „Nudging“ drängt die Europäische Kommission die Verbraucher zu gesundem Verhalten. „Der Verbraucher wird in eine vorgegebene Richtung geschubst“, führte Böcher aus. Werbeverbote für Marken (Beispiel Tabakwaren) und Vorgaben für die Kenntlichmachung von Produktmerkmalen, die Bedruckung der Markenverpackung, sind bereits an der Tagesordnung. All das sind Herausforderungen für die Marke, die in unterschiedlichen Facetten auch die nachfolgenden Vorträge der Referenten des Deutschen Verpackungsdialogs bestimmte.

Nachhaltigkeit wichtiger als Rendite

Moritz Bahlsen referierte als Vertreter der vierten Generation des 130-jährigen Unternehmens Bahlsen im Namen der Marke Lorenz, der salzigen Linie der Familie, unter anderem über besondere Herausforderungen an die Verpackung der Zukunft. Unverpackt, Karton oder biologisch abbaubarer Kunststoff? Reicht eine Verpackungsreduzierung, der Einsatz von Rezyklat, ein Hinweis zur Mülltrennung?

Oder gibt es weitere Alternativen, die zum Produkt und der Marke passen? Unternehmerisch positionierte sich Bahlsen klar: „Nachhaltigkeit stellen wir vor kurzfristige Rendite.“ Für die Zukunft setzt die Marke Lorenz auf mehr „On-the-go“-Verpackungen, gesteigerte Convenience und eine ernährungsphysiologische Optimierung der Produkte.

Aufbau neuer Markenikone

Thorsten Scheib, Geschäftsführer Marketing bei Philip Morris Deutschland, erläuterte den herausfordernden Transformationsprozess vom Lagerfeuer des „Marlboro“-Cowboys hin zu einem Elektro-Stick der Neuzeit, den elektronischen Glimmstengel „IQOS“.

Noch stecke man mitten in einem unternehmerischen Wandel, der ohne Beispiel ist. Der Marlboro-Cowboy ist in Rente, die Werbung für die Marke eingestellt. Weltweit unterschiedliche regulatorische Vorgaben der Politik waren sicherlich die Treiber für den schnellen Wandel der identitätsstarken Marke. Die einstige Ikone Marlboro soll in fünf bis zehn Jahren von einer neuen Markenikone abgelöst werden. Damit dafür Geld vorhanden ist, wird natürlich weiterhin Marlboro verkauft.

Der Plan mit dem elektronischen Glimmstengel scheint zu funktionieren: Schon heute – nach fünf Jahren – werden 23 Prozent des Umsatzes mit „Risk-reduced“-Produkten, wie der neuen Marke IQOS gemacht.

Weiterentwicklung einer Marke

William Verpoorten, ist Ururenkel des Gründers der Eierlikörmarke und als Inhaber auch der Marketingchef. Als Botschafter des seit 1960 meistverkauften Eierlikörs der Welt, versteht sich William Verpoorten als „Bademeister, der für Nachschub sorgt, die jungen Kundinnen und Kunden auf die Leiter bittet, wo oben am Sprungbrett noch die Alten stehen“. Mit seiner „Edition“ offeriert Verpoorten verschiedene Geschmacksrichtungen, wahlweise auch mit weniger Alkoholgehalt.

Immer wieder neue Ideen für Kombinationen mit Eierlikör bietet Verpoorten seinen Lizenzpartnern an. Bofrost, Reber, Kuchenmeister und viele andere verwenden den berühmtesten „Advocaat“ in ihren Produkten. Verpoorten machte in seinen Ausführungen deutlich, wie er es versteht, seine starke Marke konsequent weiterzuentwickeln.

Tradition mit gelbem Verschluss

Oliver Sladek ist seit nunmehr drei Jahren das Gesicht von Speyer & Grund, ein Unternehmen mit bald 120-jähriger Tradition. „Surig“ ist der Name der Essigessenz, die in der markenprägenden Flasche mit gelbem Verschluss bereits 1922 am Markt reüssierte.

Heute hat das Produkt eine Zielgruppe, die unterschiedlicher nicht sein könnte. „Da ist zum einen, die das Produkt am besten kennende Hausfrau 60+“, erläuterte Sladek, „zum anderen aber auch die unbedarften Singles beziehungsweise jungen Familien“, denen Surig erst einmal nahegebracht werden muss. Und es sind zwei Produktmerkmale – Lebensmittel versus Reinigungsmittel – die eigentlich nicht konträrer sein könnten und deshalb häufig nicht so leicht zu erklären sind.

Innovativ kommt 2019 die Speiseessig-Sprayflasche auf den Markt. Ein Ergebnis von Marktforschung für die moderne Produktpräsentation. Als 2017 die langjährige Primärverpackung Glasflasche gegen eine PET-Verpackung getauscht wurde, war man sicher, einen großen Wurf gemacht zu haben. Bruchsicher und leichter war Surig jetzt geworden.

Heute ist jedoch das Thema Kunststoffmüll, Meeresverunreinigung und Umweltbelastung in aller Munde. Sladek ist sich sicher, dass hier für sein Unternehmen die große Herausforderung der nächsten Zeit liegen wird.

Ebenfalls wurde im Rahmen des Verpackungsdialogs der Preis „Verpackung des Jahres“ verliehen, der in diesem Jahr an „Löwensenf Extra“ ging.

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