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(Bild: FHCS)

Eine Autofahrt durch unberührte Landschaften Lateinamerikas, Afrikas, Asiens oder viele Länder Europas offenbart den Blick auf Wälder, Seen, Flüsse – und oft auf Berge von Abfall. Von Abhängen über Flussbetten wälzt sich der Müll früher oder später ins Meer. Immer mit von der Partie: Kunststoffe. Der Löwenanteil stammt aus Verpackungen.

Das Problem ist nicht die Verpackung aus Kunststoff an sich, sondern die Art des Umgangs mit ihr. Seit Jahren ist das geflügelte Wort Circular Economy in aller Munde. Kunststoff nicht zu Abfall werden lassen, lautet die Kernidee. Für Freudenberg Home and Cleaning Solutions (FHCS) mit Hauptsitz in Weinheim soll es nicht bei einem Lippenbekenntnis bleiben – das Unternehmen will diesen Anspruch Realität werden lassen.

Anfang Oktober dieses Jahres unterzeichnete FHCS das „New Plastics Economy Global Commitment“ der Ellen MacArthur Stiftung. Damit haben sich die Weinheimer zu ehrgeizigen Zielen verpflichtet. Die Gründe dafür erläutert Dr. Andreas Mack, President Global Marketing bei FHCS: „Immer mehr Kunden und Endverbraucher legen Wert auf mehr Nachhaltigkeit. Das spürt der Handel, über den wir unsere Produkte verkaufen. Die Akzeptanz für nachhaltige Verpackungslösungen wächst. Mit der Unterzeichnung des weltweiten „New Plastics Economy Commitments“ signalisieren wir, dass es uns nicht um Greenwashing sondern um wirkliche Veränderungen geht. Damit sind wir der erste Hersteller von Markenprodukten für die mechanische Haushaltsreinigung, der diese Verpflichtung eingegangen ist.“

25 Prozent PCR bis 2025

Die selbstgesteckten Ziele sind hoch: Bis 2025 sollen sämtliche Kunststoffverpackungen recyclebar, kompostierbar oder wiederverwertbar sein. Alle unnötigen oder problematischen Verpackungslösungen sollen bis dahin verschwinden. Das Unternehmen entwickelt Lösungen, um Transportverpackungen von Einweg- auf Mehrwegsysteme umzustellen, und: Der Anteil an Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) soll bei Kunststoffverpackungen bei 25 % bis 2025 liegen.

Die Herausforderungen schildert Marc Roeser, Verpackungsingenieur bei FHCS: „Wir haben rund 5.000 Produkte, die wir global vertreiben. Jede Produktkategorie stellt unterschiedliche Anforderungen an die Verpackung, und wir benötigen für jeden Teil der Welt maßgeschneiderte Verpackungslösungen. Was in Deutschland gut funktioniert, funktioniert in Indien möglicherweise nicht. Die Verpackung muss immer auf den jeweiligen Kontext eines Landes angepasst sein.“ Aus diesem Grund holen die Verpackungsspezialisten aus Deutschland ihre Kollegen aus der ganzen Welt mit ins Boot. Roeser konkretisiert: „Wir geben den Input, initiieren den Austausch, sodass alle Verpackungsverantwortlichen bei uns in der Lage sind, die Verpackungen für ihre Region zu optimieren und entsprechend unseren Zielen umzustellen.“

Vielfalt reduzieren, Rezyklierbarkeit verbessern

Obwohl sich FHCS erst Mitte Oktober offiziell der New Plastics Economy Initiative angeschlossen hat, sprudeln die Ideen für nachhaltige Verpackungslösungen schon lange. Erste Projekte nehmen bereits Gestalt an. So liegt es Roeser sehr am Herzen, Multi-Layer-Folien durch Monomaterial zu ersetzen: „Mehrschichtmaterial fällt eindeutig unter die Kategorie einer nicht recyclingfähigen, problematischen Verpackung. Das gleiche gilt für expandiertes Polystyrol, das in Wertstoffsortieranlagen zu großen Problemen führen kann.“

Beim Ersatz für Multi-Layer-Material setzt das Unternehmen vor allem auf LDPE. „Wir müssen die Materialvielfalt reduzieren und uns weltweit auf ein oder zwei Werkstoffe konzentrieren, um die Rezyklierbarkeit zu vereinfachen“, ist Roeser überzeugt.

Ein konkretes Projekt bearbeitet Roeser mit den Kollegen aus Indien: Die Verpackung eines Besens. Noch besteht sie aus einem PE-PET-Kolaminat. Obwohl der Besen kein Hightech-Produkt ist, sind die Ansprüche an seine Verpackung hoch. Sie muss lange Wege über Staub- und Schotterstraßen aushalten, sowie grobes Handling, Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit. Derzeit verarbeitet FHCS für die Verpackung des Besens rund 70 t PE-PET-Kolaminat-Folie pro Jahr. „Das muss sich ändern“, erklärt Roeser entschieden. Ziel ist eine recyclingfähige Lösung aus PE-Monofolie oder ein kompostierbares Material. Beide Ansätze sind vielversprechend. Roeser beschreibt den Status quo: „Wir haben für beide Wege Lösungen in der Pipeline. Mit den Kollegen vor Ort werden wir schnell eine davon umsetzen, um die 70 Tonnen Kolaminat von der Straße zu holen.“

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Zukünftig soll die Verpackung des Super-Mocio-Nachfüllpacks aus 35 % rezykliertem Material bestehen. (Bild: FHCS)

Ampel für Nachhaltigkeit

Intern hat FHCS ein Ampelsystem entwickelt. Im grünen Bereich befinden sich Materialen wie HDPE, LDPE, PET, nicht orientiertes PP, aber auch gemäß dem Forest Stewardship Council (FSC) zertifizierte Wellpappe, Karton oder Papier. Alles was rot eingestuft wurde, muss weg: wie beispielsweise EPS (Expandiertes Polystyrol), PVC oder wasserlösliche Kunststoffe. Alles was gelb ist, ist als Übergang bis maximal 2025 geduldet. Dazu gehören OPP (Oriented Polypropylen) oder Multi-Layer-Folien. Die Ampel ist jedoch nicht in Stein gemeißelt, betont Roeser: „Wir überprüfen den Markt und die Möglichkeiten für die verschiedenen Werkstoffklassen kontinuierlich und passen unser Ampelsystem bei Bedarf an.“

EPS oder gar PVC hat das Unternehmen weltweit bereits aus seinen Verpackungen verbannt und beispielsweise durch Zellstoffprodukte ähnlich einem Eierkarton ersetzt. Die bestehen zu 100 % aus Altpapier und schützen Saugroboter oder andere elektrische Reinigungsgeräte genauso gut wie EPS. Das zeigt sich beispielsweise am Steam Bodenreiniger. Formteile aus recyceltem Zellstoff ersetzen heute 10.000 m3 EPS-Polstermaterial pro Jahr. Das entspricht einem Volumen von zehn Millionen Wassereimern.

Den Kreislauf schließen

Ist ein Material wiederverwertbar, muss es in den Wertstoffkreislauf zurück. Ist das nicht der Fall, ist der ökologische Nutzen obsolet. Grund genug für FHCS, auf 25 % PCR in allen Kunststoffverpackungen bis 2025 zu setzen. Konsequent präferieren die Weinheimer auch hier den Werkstoff PE. Die Eigenschaften von PCR-PE-Compounds unterscheiden sich deutlich von Neuware. Zugfestigkeit oder E-Modul fallen geringer aus, die Ansprüche an die Verarbeitung der Folien steigen. In Kooperation mit einem Folienhersteller hat Roeser jedoch sehr positive Ergebnisse mit einer mehrfarbig bedruckten, transparenten HDPE-Folie mit einem 35-prozentigen PCR-Anteil vorzuweisen: „Wir verarbeiten die Folie von der Rolle auf unseren Schneid- und Schweißmaschinen, und es funktioniert inzwischen wunderbar.“

Mehrere Wochen haben die Spezialisten daran gefeilt, die Maschinen auf die PCR-PE-Monofolie einzustellen. Ab 2021 verpackt FHCS Wischtücher und Schwämme damit. „Das Material ist teurer als Neuware und auch etwas trüber. Die Anmutung ist jedoch sehr ansprechend, und ich denke, dass der Konsument dieses Beispiel einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft positiv annimmt. Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Lösung in den nächsten zwei bis drei Jahren in weiteren Werken weltweit ausrollen können“, skizziert Roeser die Situation.

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Verkaufsschlager in Indien: Beim „No Dust Broom“-Besen plant FHCS, von einer PET/PE-Verbundfolie auf ein Monomaterial zu wechseln, um die Recyclingfähigkeit zu verbessern. (Bild: FHCS)

Mehrweg für die Intralogistik

Bei genauer Analyse aller Verpackungslösungen stellt sich oft heraus, dass sich viel Material einsparen lässt. Genau diesen Weg gehen auch die FHCS-Verpacker. Sie nehmen jede Verpackung weltweit unter die Lupe und schauen, wo sich Material ersatzlos streichen oder durch intelligente Lösungen reduzieren lässt. Interne Einwegboxen ersetzen die Werke durch Mehrwegsysteme. Kleine Plastiktütchen als Verpackung in der Verpackung werden gestrichen. Verpackungen mit optimierten Abmessungen und Volumenverhältnisse zum Produkt und nur so viel Polstermaterialien wie unbedingt nötig sorgen dafür, dass weniger Material in die Verpackung fließt. Das macht sich beispielsweise im Onlinehandel bemerkbar, erzählt Roeser: „Wie haben die Verpackung all unserer Elektroartikel auf Amazon-zertifizierte Boxen umgestellt. Damit haben wir unser Packmaterial um 50 Prozent reduziert. Unser Onlineumsatz macht rund 20 Prozent vom Gesamtgeschäft aus und wächst. Da macht die Einsparung an Packmaterial richtig was aus.“

Eine sehr große positive Wirkung zeigt eine auf den ersten Blick teure Lösung: Um einzelne Artikel auf einer Palette zu verpacken, kommt Stretchfolie zum Einsatz. Mit einem einfachen Trick konnte FHCS den Kunststoffeinsatz an dieser Stelle um 75 % – oder in absoluten Zahlen um 70 t pro Jahr – reduzieren. Roeser verrät wie: „Wir haben die Stretchfolie durch ein höherwertiges Monomaterial ersetzt und kommen dadurch mit weniger Wickellagen aus. Die Folie ist teurer, aber wir brauchen viel weniger davon, sodass wir mit dieser Umstellung letztlich sogar Kosten sparen.“

Dünnere Folien bieten ebenfalls einen Weg, um Material zu reduzieren. So spart die Umstellung von einer 40-µm-HDPE-Folie auf 30 µm bei der Verpackung des weit verbreiteten Wischmopps 17,5 t Kunststoff pro Jahr. Auch Haushaltshandschuhe kommen inzwischen mit einer 40-µm-Folie anstatt einer 50-µm-Folie aus. Die Ersparnis hier: 28 t Kunststoff pro Jahr. „Bei den Millionensellern machen auf den ersten Blick kleine Änderungen einen großen Unterschied“, erklärt Roeser.

Eines ist klar: Es gibt nicht die eine optimale Verpackung. Zahlreiche Projekte, Kreativität und länderspezifische Lösungen weisen den Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Mit einem eigenen Softwaretool überwacht FHCS sämtliche Lösungsstrategien weltweit. Die konkreten Einsparungen berechnet die Monitoring-Software genauso wie die technische Umsetzung. Zufrieden beschreibt Roeser den Nutzen: „Mit diesem Instrument sehen alle Verpackungsverantwortlichen weltweit, wer was macht und wieviel das bringt. So können wir voneinander lernen und der Ellen MacArthur Stiftung gegenüber transparent berichten.“

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