Verbraucher im Supermarkt wünschen sich eine verlässliche, klare und transparente Information über nachhaltige Verpackung.

Verbraucher im Supermarkt wünschen sich eine verlässliche, klare und transparente Information über nachhaltige Verpackung. (Bild: Minerva Studio – stock.adobe.com)

Ein Mehr an Nachhaltigkeit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Investitionen in Nachhaltigkeit müssen sich rechnen; bezahlen muss dies letztendlich der Verbraucher. Doch greift er auch zu der nachhaltigen Verpackung, wenn er für diese tiefer in die Tasche greifen muss?

Die globale Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners hat im März 2021 Verbraucher zum Thema „Nachhaltige Produktverpackungen“ befragt. Knapp drei Viertel der Teilnehmer gaben an, Wert auf eine nachhaltige Verpackung zu legen. Dr. Daniel Bornemann, Partner und Experte für Paper & Packaging bei Simon-Kucher & Partners beleuchtete auf dem Packaging Summit der neuen verpackung die Frage: Wie kann ich nachhaltige Verpackungen erfolgreich monetarisieren? „Wenn ich in Nachhaltigkeit investiere, aber beim Packmitteleinkauf in der Industrie oder im Handel sowie an der Supermarktkasse ist Schluss, dann bedeutet es, dass ich den Mehrwert, den ich investiere, nicht zurückbekomme. So kann das Thema Nachhaltigkeit nicht funktionieren“, erklärt Daniel Bornemann.

Nachhaltige Verpackungen: der große Überblick

Grafik von Lebensmitteln im Supermarktregal
(Bild: sabelskaya - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema nachhaltige Verpackungen wissen? Klar ist, dass der Bedarf an nachhaltigen Verpackungen in den kommenden Jahren stark steigen wird. Aber das Thema ist komplex: Wann gilt denn überhaupt eine Verpackung als nachhaltig und welche Kriterien müssen dabei künftig erfüllt sein? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

 

Jahrelang war der Massenmarkt kein Nachhaltigkeitsgeschäft „Die Zahlungsbereitschaft bei Konsumenten war entweder gar nicht vorhanden oder bewegte sich in einer Reformhausnische“, so Bornemann. Das habe sich aber in den letzten Jahren geändert. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen: 83 % sind bereit, mehr für eine nachhaltige Verpackung zu zahlen, im Durchschnitt sogar einen Aufpreis von 6,5 %.

Allerdings gebe es bekanntlich auch immer einen „Gap“ zwischen Umfragen und tatsächlichem Verhalten. Ein weiterer Knackpunkt: „Nur 11 % der Konsumenten fühlen sich gut über nachhaltige Verpackungen informiert. Die Ergebnisse der aktuellen Simon-Kucher-Befragung machen deutlich, dass Papier- und Verpackungshersteller den Mehrwert ihrer nachhaltigen Produkte klar kommunizieren müssen. Am besten so direkt wie möglich, also auf der Verpackung und am Point of Sale“, erklärt Bornemann.

66 % der Verbraucher nämlich wünschen die Informationen zur Nachhaltigkeit direkt auf der Verpackung; 20 % bevorzugen Angaben am Supermarktregal beziehungsweise in der Produktbeschreibung im Onlineshop. Informationen auf Unternehmenswebsites, Social Media oder TV liegen auf den hinteren Plätzen, was die präferierte Informationsquelle der Verbraucher angeht.  

Knapp ein Drittel der Befragten setzt auch auf unabhängige Zertifikate und Labels, wobei das Zertifikat „Blauer Engel“, das unabhängige Umweltzeichen der Bundesregierung, laut Umfrage die stärkste Wirkungskraft zeigt.

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Wie möchten Sie über Nachhaltigkeit informiert werden? Die Präferenzen der Verbraucher sind klar. (Bild: Simon-Kucher, Umfrage)

Worüber wollen die Konsumenten informiert werden?

Inhaltlich sind für die Verbraucher verschiedene Faktoren von Interesse. Informationen zur Recycelbarkeit der Verpackung sind ebenso wichtig wie die Angabe von fairen Produktionsbedingungen (jeweils 37 %). Doch auch die biologische Abbaubarkeit (35 %) und die Materialherkunft (29 %) sind von Bedeutung. Die CO2-Bilanz wird dagegen nur von wenigen mit der Verpackung in Verbindung gebracht (18 %).

„Wenn ich richtig und direkt informiere, kann ich das Auseinanderklaffen zwischen Statement und Zahlungsbereitschaft überbrücken“, ist Bornemann überzeugt. „Werden Kernthemen der Nachhaltigkeit stringent kommuniziert, ist der Grundstein für eine erfolgreiche Monetarisierung gelegt – durch systematische Einpreisung auf Produkt-, Kunden-und Auftragsebene.“

Allerdings machen es Handel und Industrie dem Kunden nicht unbedingt einfacher: „Jede Supermarktkette kreiert das eigene Label. Verbraucher allerdings berufen sich eher auf die altbekannten wie den Blauen Engel. Es gibt aber auch Versuche, neue Label zu etablieren.“ Eines dieser neuen Label ist das Flustix Plastikfrei- und das Recyceled-Siegel. Dabei handelt es sich um die ersten, europaweit eingetragenen Siegel für Plastiknachhaltigkeit. Flustix prüft in Zusammenarbeit mit DIN Certco/Tüv Rheinland Produkte und Verpackungen auf deren Plastikgehalt und/oder die Art der verwendeten Kunststoffe. Plastikfreie Waren sowie Produkte aus Sekundärkunststoffen können mit den unterschiedlichen Flustix-Siegeln ausgezeichnet werden. Dadurch soll dem Verbraucher eine zuverlässige Orientierung beim plastikreduzierten Einkauf geboten werden und man will innovativen Wirtschaftsakteuren helfen, ihre Nachhaltigkeit in puncto Plastik zu kommunizieren.

Malte Biss, Gründer und Geschäftsführer, Flustix-Rethink Plastics GmbH, ebenfalls Referent auf dem Packaging Summit: „Die Kunden zeigen einen klaren Willen zum nachhaltigen Konsum, verbunden mit dem Wunsch nach mehr Transparenz durch überprüfbare Informationen.“ Denn es bestehe ein großes Misstrauen durch Siegel-Fakes. Dies kommt nicht von ungefähr: Die im Januar 2021 veröffentlichte „Sweep“-Untersuchung der EU-Kommission ergab, dass fast die Hälfte aller umweltbezogenen Behauptungen auf den Internetseiten von Unternehmen nicht belegt, übertrieben, falsch oder irreführend ist. NGOs wie beispielsweise Verbraucherschutz und Umweltverbände bemängeln die Vielzahl an Falschangaben über den Rezyklatanteil in Produkten und Greenwashing im Bereich rPET: „Der Gesamt rPET-Anteil der in Deutschland in Verkehr gebrachten Plastikflaschen besteht zu maximal 31 % aus recycelten Kunststoffen. Gefühlt habe ich aber auf jeder Flasche recycelten Kunststoff stehen“, beklagt Malte Biss.

Gleichzeitig steigern Siegel die Preis- und Kaufbereitschaft. 44 % der Verbraucher stimmen zu, dass ein Produkt mit Siegel besser ist als eines ohne. Um 15 % steigt die Preisbereitschaft für Produkte, die mit einem glaubwürdigen Siegel versehen sind. „Glaubwürdigkeit schafft Kundenbindung. Transparenz bietet Rechtssicherheit“, ist Malte Biss überzeugt. In 2020 hatte Flustix über 200 zertifizierte Produkte am Markt und erreicht eine Reichweite von 60.000 bei der Kernzielgruppe der zwischen 25 bis 44 Jahre alten Verbraucher.

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Siegel-Dschungel: Ob bei der Vielzahl von Siegeln noch jemand durchblickt? Der Verbraucher setzt auf Altbewährtes: Den Blauen Engel. (Bild: j-mel – stock.adobe.com)

Lidl testet Eco-Score

Einen ebenfalls neuen Weg geht Lidl mit dem Einsatz des fünfstufigen Eco-Scores. Damit sollen Kunden den Nachhaltigkeitsgrad von Lebensmitteln transparent auf einen Blick erkennen können. Anhand der Ökobilanz von Produkten sowie Kriterien wie Zertifizierungen, Herkunft oder Verpackung ordnet die Kennzeichnung den Umwelteinfluss von Lebensmitteln in eine Kategorie von einem dunkelgrünen A bis einem roten E ein. Das Label erinnert optisch an das Nutri-Score-Label: Beide arbeiten mit einem fünfteiligen Farbsystem, dabei steht das dunkelgrüne A für die besten Werte, ein rotes E für die schlechtesten. Die Nachhaltigkeits-Wertung wird in Form eines stilisierten Blattes dargestellt.

In allen Berliner Lidl-Filialen soll in einer Testphase untersucht werden, wie Kunden die Kennzeichnung wahrnehmen und darauf reagieren. Dazu will Lidl die Preisschilder ausgewählter Lebensmittelgruppen mit dem Eco-Score ausstatten. Abhängig von den Ergebnissen prüft der Lebensmitteleinzelhändler die Umsetzung der Nachhaltigkeitskennzeichnung in allen Filialen in Deutschland.

Partner von Lidl ist die ECO2-Initiative, die im Nachbarland Frankreich Anfang des Jahres mit dem Eco-Score an den Start ging. Die Methode zur Berechnung des Eco-Scores wurde von zehn französischen Unternehmen entwickelt. Berücksichtigt werden dabei: die Umweltwirkungen eines Produkts und zwar über die gesamte Kette der Wertschöpfung, angefangen von der Rohstoffgewinnung bis hin zur Entsorgung sowie zusätzliche Nachhaltigkeitskriterien wie Biodiversität, Transport, die Recyclingfähigkeit von Verpackungen und die Zertifizierung der Inhaltsstoffe. 

Das Label in Frankreich basiert auf den Angaben, die Hersteller zu den Produkten machen. Die Daten werden von der französischen Agribalyse-Datenbank zur Verfügung gestellt. Detaillierte Daten werden zudem über das französische Mitmach-Internetportal „Open Food Facts“ eingespeist. Mithilfe der Open-Food-Facts-App können können Verbraucher ein Produkt scannen und erfahren dann mehr über den jeweiligen Eco-Score. Derzeit gibt es noch keine Datenbank mit spezifischen Daten für Deutschland.

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Lidl testet den fünfstufigen Eco-Score in Berlin. (Bild: Lidl)

Eine Vielzahl an Siegeln im Handel 

Man kann feststellen, dass jede Handelskette ihr eigenes verpackungsrelevantes Siegel verwendet. Bei Aldi setzt man beispielsweise auf das Logo „Aldi Verpackungsmission“. Es soll darstellen, welche Verpackungen nachhaltig optimiert wurden. Um bei der richtigen Trennung der Verpackungen zu unterstützen, erhalten zudem alle Verpackungen den Aldi-Trennhinweis. 

Rewe verwendet verschiedene Icons für seine Eigenmarken. Das Nachhaltigkeits-Icon kennzeichnet Verpackungen, bei denen Material verringert wurde – zum Beispiel, indem Leerräume eliminiert und Materialstärken reduziert wurden. Ein zweites Siegel kennzeichnet den Einsatz von Recyclingmaterialien und ein weiteres den Einsatz von alternativen Materialien, wie beispielsweise Graspapier.

Seit 2019 werden die Rossmann-Marken, die besonders nachhaltig hergestellt werden oder komplett recycelbar sind, auf der Rückseite der Verpackungen mit dem Nachhaltigkeitsbaum gekennzeichnet. Mit dem Zeichen „Recyceltes Plastik“ informiert Rossmann, wie hoch der Anteil aus recyceltem Plastik bei der jeweiligen Verpackung ist. Mit dem Siegel „Sortenrein Trennen“ signalisiert Rossmann, hier lässt sich die Umhüllung der Flasche abtrennen. Die Verpackungsbestandteile können somit getrennt entsorgt werden. 

DM setzt auf das Nachhaltigkeits-Kleeblatt. So informiert man die Kunden über die umweltfreundlichen Aspekte des jeweiligen DM-Marken-Produkts oder seiner Verpackung. Das Zeichen steht dafür, dass für die Inhaltsstoffe, Verpackungen und Herstellungsverfahren strenge Richtlinien festgelegt wurden und diese ständig optimiert werden.

Edeka schließlich wandelt auf den Spuren des Pandas. Bei Produkten mit dem Panda-Logo finden sich Informationen, welchen konkreten Beitrag dieses Produkt zur Umweltschonung auf Basis der vom WWF anerkannten zertifizierten Standards hat.

Es lassen sich selbstverständlich weitere Siegel finden. Die Frage aber bleibt: Wie können Verbraucher sicher, verständlich und transparent über nachhaltige Verpackung informiert werden?

4. Packaging Summit mit Rekord-Beteiligung

Am 7. und 8. Juli 2021 fand der bereits 4. Packaging Summit statt, eine Kooperationsveranstaltung von neue verpackung und Werben & Verkaufen. Mit 206 registrierten Teilnehmern konnte das Veranstalterteam des Packaging Summits in diesem Jahr eine Rekord-Beteiligung verzeichnen, von Überdruss in Sachen virtuelle Veranstaltung also keine Spur. Denn ob nun live vor Ort oder im virtuellen Raum: Am Ende müssen die Themen stimmen – und das taten sie. Nachhaltigkeit war natürlich auch in diesem Jahr wieder maßgeblich bei vielen Entwicklungen, die auf dem Packaging Summit präsentiert wurden. Das zweite große Thema der Verpackungsbranche – und damit natürlich auch des Packaging Summits – war die Corona-Pandemie. Denn hier trat nicht nur die Schutz- und Hygienefunktion der Verpackung wieder in den Vordergrund, sondern sorgte auch für einen Wachstumsschub im Versandhandel – und damit bei Versandverpackungen. Aber auch  das Thema Design kam auf dem 4. Packaging Summit nicht zu kurz.

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