Hand hält Lebensmittel in der Hand

Die Qual der Wahl im Supermarkt: Lebensmittel verpackt oder unverpackt kaufen? (Bild: Marlon – stock.adobe.com)

Lebensmittel sollen durch die Verpackung vor Verderb geschützt werden und das nicht nur wegen der Kosten, sondern auch aus ethischen Gründen. Daneben ist die Umweltwirkung des Lebensmittels selbst zu beachten, da bei dessen Herstellung ein nicht unbedeutender CO2-Fußabdruck entsteht. Dies muss berücksichtigt werden, wenn eine ökologisch sinnvolle Verpackung entwickelt werden soll. Das gelingt, indem nicht der CO2-Fußabdruck der Verpackung allein berechnet wird, sondern der des Gesamtsystems „Verpackung + Packgut“. Es steht dabei im Mittelpunkt, um wieviel der Verderb des Lebensmittels durch die eingesetzte Verpackung reduziert wird. Für das Gesamtsystem ergibt sich der in Abbildung 1 dargestellte Zusammenhang.

Wird die Verpackung zu aufwendig ausgelegt, entsteht ein unnötiger CO2-Aufwand für das Packmaterial. Wird dagegen zu sehr an der Verpackung gespart, erhöht sich der Verlust des Lebensmittels und damit die CO2-Wirkung, da das Lebensmittel erneut hergestellt werden muss. Daraus kann abgeleitet werden, dass eine Verpackung in folgendem Szenario ökologisch sinnvoll ist: wenn die CO2-Emissionen durch einen möglichen Lebensmittelverlust höher wären als die durch die Verpackungsherstellung entstandenen.

Abbildung: Der CO2-Aufwand von Verpackung und Packgut abhängig vom Ressourceneinsatz für die  Verpackung.
Abbildung 1: Der CO2-Aufwand von Verpackung und Packgut abhängig vom Ressourceneinsatz für die Verpackung. (Bild: Hochschule München)

Der an der Hochschule München entwickelte Verpackungsrechner Sustainable Packaging Online Calculator (SPOC) kann dies mit wenigen Klicks für die meisten Lebensmittel berechnen. Dazu wird zunächst der CO2-Fußabdruck von Verpackung sowie Packgut ermittelt, und in einem zweiten Schritt bestimmt der Rechner daraus den „Impact Quotient“ (IQ) aus Umweltwirkung der Verpackung gegen Umweltwirkung des Packguts.

Der IQ gibt im verpackungstechnischen Zusammenhang an, wieviel Prozent von einem verpackten Produkt geschützt werden muss, damit die Verpackung aufgrund der Schutzwirkung ökologisch sinnvoll ist. Die vielen anderen Funktionen der Verpackung wie Hygiene, Garantiefunktion, Information, Logistik und Convenience sind hier nicht mit eingerechnet.

Gesamtsystem Verpackung und Lebensmittel

Bei den mit dem SPOC berechneten aufgeführten Beispielen in Tabelle 1 für jeweils zwei verschiedene Nudel- und Käseprodukte zeigt sich, dass der CO2-Aufwand für die Verpackungen bei 17 bis 50 g CO2-Äquivalenten liegt und der IQ breit zwischen 1,5 und 89 % streut. Die CO2-Äquivalente wurden bei diesen Verpackungen Cradle to gate berechnet und das Recycling sowie eine Gutschrift für Energierückgewinnung bei der Verbrennung miteinbezogen.

Konkret bedeutet beispielsweise bei dem Reibekäse mit einem IQ von 1,5 %, dass von 100 verpackten Lebensmitteln 1,5 Käseeinheiten vor dem Verderb geschützt werden müssen, damit sich die Verpackung bereits ökologisch durch ihre Schutzfunktion lohnt.

Bei den beiden Nudelverpackungen gibt es sehr große Unterschiede. Bei der Spaghettiverpackung ist der CO2-Aufwand überschaubar, aber die Instantnudeln haben als Convenienceprodukt hohe CO2-Emissionen und damit auch einen hohen IQ. Dieser entsteht nicht wegen der Schutzanforderung, sondern aufgrund der speziellen zusätzlichen Funktion der Verpackung: Die Nudeln können direkt in der Verpackung zubereitet und daraus gegessen werden.

Ab welchem IQ der Break-even-Point zur ökologisch sinnvollen Verpackung erreicht ist, ist abhängig vom CO2-Fußabdruck des Lebensmittels. Bei Milchprodukten, Fleisch und Fisch, die bei ihrer Herstellung schon hohe CO2-Emissionen aufweisen, müssen nur wenige Lebensmittel vor dem Verderb gerettet werden, damit sich die Verpackung ökologisch rechnet.

Abbildung: Die CO2-Emissionen eines Beutels mit verschiedenen EVOH-Schichtdicken und den damit verbundenen Haltbarkeiten von Nüssen.
Abbildung 2: Die CO2-Emissionen eines Beutels mit verschiedenen EVOH-Schichtdicken und den damit verbundenen Haltbarkeiten von Nüssen. (Bild: Hochschule München)

Ob die Verpackung, die vom IQ-Wert geforderte prozentuale Reduktion des Lebensmittelverlustes erzielen kann, hängt auch vom Verderbsverhalten ab. Generell gilt, dass Lebensmittel, die hohe Verlustraten aufweisen, auch in hohem Maße durch Verpackungen vor dem Verderb geschützt werden können.

Wenn die Verpackung vom IQ-Wert bereits gut abschneidet, ist das kein Grund für den Verpackungsentwickler, die Hände in den Schoß zu legen. Er sollte sie dennoch weiter verbessern. Denn Ziel ist es, die ökologisch sinnvollste Verpackung zu entwickeln, die den kleinsten IQ aufweist und in Abbildung 1 dem Minimum der Kurve entspricht.

Einfluss des Verpackungsmaterials

Leider gibt es nur wenige Untersuchungen, wieviel Prozent durch die Verpackung tatsächlich geschützt werden. Und es sind noch weniger Kenntnisse verfügbar, um wieviel Lebensmittelverluste bei verschiedenen Haltbarkeiten reduziert werden, beispielsweise bei drei im Vergleich zu zwei Monaten. Wenn bekannt wäre, wie die Haltbarkeitsdauer und der Verderbsverlust zusammenhängen, dann wäre es für den Verpackungsentwickler möglich, die Verpackung gezielt „ökologisch optimal“ auszulegen.

Tabelle: Vergleich von Lebensmitteln in unterschiedlichen Verpackungen.
Tabelle 1: Vergleich von Lebensmitteln in unterschiedlichen Verpackungen. (Bild: Hochschule München)

Dies wäre dann gar nicht so schwierig, da der CO2-Aufwand für eine Barriereverpackung und die damit erzielte Haltbarkeitsverlängerung linear verlaufen – wenn beispielsweise bei sauerstoffempfindlichen Lebensmitteln die Haltbarkeit mit einer Ethylen-Vinylalkohol-Copolymer-Barriere (EVOH) erzielt wird. Die EVOH-Schicht erhöht den Umweltaufwand, verbessert aber mit steigender Dicke auch die Haltbarkeit. In Abbildung 2 ist der Anstieg der Haltbarkeit mit dem Barrierematerial EVOH einer Verpackung mit einer Oberfläche von 600 cm2 und einem Packgut wie zum Beispiel 200 g Nüssen gezeigt, die nach Literatur einen maximalen Sauerstoffdurchtritt von 2 mg vertragen. Durch eine Erhöhung der CO2-Äquivalente von 19 g auf 35 g wird die Haltbarkeit auf über 200 Tage verlängert.

Interessant ist in der Abbildung 2 auch, wo Aluminiumverbunde im Vergleich zu einer EVOH-Barriere liegen. Es wurde Aluminium als 7 µm dicke Schicht eingerechnet sowohl ohne Recycling als auch mit einer Recyclingrate von 90 % (siehe rote Linien in Abbildung 2). Die Aluminiumverpackung ist ökologisch vorteilhaft im Vergleich zu EVOH, wenn eine lange Haltbarkeit gefordert ist. Bei Aluminiumfolien mit Recyclingraten von 90 % ist das Aluminium deutlich früher im Vorteil. Der Vergleich der beiden Aluminiumtypen zeigt den Einfluss der Recyclingquoten auf die CO2-Emissionen, was mit dem Verpackungsrechner SPOC genau berechnet werden kann. Zu berücksichtigen ist bei diesen Ergebnissen, dass es EVOH-Typen mit verschiedenen OH-Anteilen gibt, die deshalb unterschiedlich abschneiden.

Kühlschrank als ökologische Haltbarmachung

Die Haltbarkeit von Lebensmitteln wird nicht nur durch die Verpackung, sondern auch durch Kühlung erreicht. Aber auch die Kühlung ist nicht umsonst zu haben und der notwendige Umweltaufwand soll mit der Verpackung verglichen werden.

Der Aufwand für die Lagerung eines Lebensmittels im Kühlschrank bezogen auf dessen Energieverbrauch und Einlagerungsvolumen zeigt, dass pro Tag für ein Volumen von einem Liter etwa 1 g CO2-Äquivalente entstehen. Wird durch eine Verpackung die Lagerung außerhalb des Kühlschranks möglich, würden nach 30 Tagen viele Verpackungen ökologisch besser als der Kühlschrank abschneiden. Die typische Lagerdauer von Produkten im Kühlschrank liegt aber unter drei Wochen, weshalb der Kühlschrank in der Regel eine – auch ökologisch – gute Haltbarmachung darstellt. Auch sollte ein Kühlschrank nicht in Frage gestellt werden, weil geöffnete Lebensmittel eine Kühlung benötigen, sofern sie nicht sofort verzehrt werden. Viele Lebensmittel werden durch eine Kombination aus Verpackung mit Kühlhaltung haltbar. Wenn Lebensmittel über 30 Tage gelagert werden sollen, ist das meist im Gefrierfach zu erwarten. Gefrierprodukte sind zwar ökologisch aufwendig, erhalten dafür aber gut die Produktqualität.

In Summe hat alles seinen Preis: Haltbarkeit ist nicht zu haben ohne einen Umweltaufwand.

Es gibt dazu sicher noch vieles zu klären, wie detailliertere Kenntnisse zum Einkaufsverhalten und Verbrauchsverhalten der Kunden. Das könnte in einen Verpackungsrechner wie SPOC als Größe mit eingebunden werden, damit dieser den Verpackungsentwicklern noch genauer als Kompass dienen kann – auf dem Weg zur nachhaltigsten Verpackung.

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