von Regina Ahlbrecht, Verw.-Prof. Dr.
Die Verpackung ist wesentlich für die Kaufentscheidung eines Konsumenten. Ist sie doch beim Kauf eines Produktes meist das, was an einem Produkt als Erstes wahrgenommen wird. Für 45 % der Verbraucher stellt sie beim erneuten Kauf eines Produktes gar den Hauptgrund für den Kaufakt dar.
Konsumenten wünschen Produkte und Verpackungen, die passgenau auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Während 93 % der Konsumenten im Alter von 25-35 Jahren eine originelle Verpackung wünschen, erwarten Konsumenten im Alter von über 60 Jahren vor allem eine gut wiederzufindende sowie wiederzuerkennende Verpackung.
Aber nicht nur bei den emotionalen Eigenschaften des Produktes driften die Vorstellungen von Jung & Alt auseinander. Während im Hinblick auf die funktionalen Eigenschaften 76 % der älteren Konsumenten besonders wichtig ist, dass die Informationen auf den Verpackungen gut lesbar sind, ist das nur bei 5 % der Konsumenten zwischen 25 und 35 Jahren der Fall. Ähnliches gilt auch für das leichte Öffnen der Verpackung. Während diese Eigenschaft 72 % der Konsumenten von 60+ besonders wichtig ist, gilt dies nur für 11 % der jüngeren Konsumenten (5).
Verpackungen sollten nun den Ansprüchen aller Zielgruppen gerecht werden. Zielgruppen mit unterschiedlichen Ansprüchen also, die von Unternehmen und Verpackungsherstellern zu integrieren, zwischen denen gegebenenfalls eine Güteabwägung zu treffen ist. In der Vergangenheit haben Verpackungshersteller und Unternehmen ihr Angebot an Verpackungslösungen stark an den Bedürfnissen der jüngeren Bevölkerungsgruppe ausgerichtet. Aus demografischen Gründen einerseits sowie aufgrund ihrer erheblichen Kaufkraft andererseits sind in Zukunft aber vermehrt Personen der Zielgruppe 60+ als potenzielle Kunden für Unternehmen interessant. Demografisch gesehen, wird die Gesellschaft in Folge einer steigenden Lebenserwartung sowie sinkender Geburtenzahlen im Durchschnitt immer älter. Noch im Jahr 1950 war die Zahl der Menschen unter 20 etwa doppelt so hoch wie die Zahl der Menschen, die 60 Jahre oder älter waren. Bereits im Jahr 2050 wird sich dieses Verhältnis jedoch umgekehrt haben. Dann gibt es mehr als doppelt so viele ältere wie jüngere Menschen. Und auch heute liegt die Zahl der über 60-Jährigen in Deutschland bereits bei 18 Millionen.
Personen der Altersgruppe 60+ sind also eine wachsende Zielgruppe. Für Unternehmen stellt sich die Aufgabe, Anforderungen an eine seniorengerechte Verpackung zu ergründen, die produkt- und verpackungsspezifisch zu identifizieren sind. Klar ist, dass ein Konsument letztlich den Kauf eines bestimmten Verpackungstypus vermeiden wird, wenn dieses ihm wesentliche Probleme verursacht. Welche Probleme haben Senioren aber mit handelsüblichen Verpackungslösungen?
Kritisiert wird eine Vielzahl von Faktoren. Zur Zufriedenheit der älteren Verbraucher wären zunächst einmal Verpackungs-
lösungen wünschenswert, die Portionierungsmöglichkeiten vorsehen, eine optimale Lagerfähigkeit gewährleisten, attraktiv und produktadäquat gestaltet, gut wiederzuerkennen sind und Weiteres mehr.
Hauptprobleme für ältere Konsumenten bei Verpackungen stellen laut einer Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) aber die Informationen auf der Ver-
packung sowie deren Öffnungsmechanismen dar. So berichtet über die Hälfte der befragten Personen, dass die Schrift zu klein und unleserlich ist. Informationen zum Haltbarkeitsdatum, zu den Inhaltsstoffen des Produktes oder auch Informationen zur Zubereitung sind infolgedessen schlecht zu lesen. Dass der Öffnungsmechanismus der Verpackung nicht funktioniert, äußern 75,4 % der befragten Personen. Mehr als 50 % geben an, dass die Lasche oder der Aufreißfaden nicht zu finden ist und 46 %, dass sehr viel Kraft benötigt wird (1). Ein Großteil der Verbraucher reagiert bei einer schlechten Beurteilung der Verpackung oder negativen Erfahrungen eindeutig: Produkte in Problemver-
packungen werden nicht gekauft oder nicht wieder gekauft.
Wann ist eine Verpackung leicht zu öffnen?
Was ist aber zu tun, damit eine Verpackung von der Mehrheit der Verbraucher gut zu öffnen ist? Die DIN CEN/TS 15945:2011, DIN SPEC 91145 beschreibt ein Verfahren, welches sowohl das leichte Öffnen von Verpackungen als auch die Zufriedenheit der Verbraucher prüft. Dabei wird berücksichtigt, dass mit zunehmendem Alter nicht nur Sehleistung und motorische Geschicklichkeit nachlassen, sondern auch die Kraft der Hände schwindet. Leichtes Öffnen wird dabei als ... „die von der Produktverpackung unterstützte Handhabbarkeit beim Öffnen einer Verbraucherpackung durch den vorgesehenen Nutzer zum Erreichen des/der Hauptziele(s)" definiert. Die Hauptziele sind hier die Effektivität und Effizienz bei der Handhabung sowie der Grad der Zufriedenheit mit der Handhabung. Als leicht zu öffnen werden Verpackungen dann betrachtet, wenn der Großteil erwachsener Verbraucher diese wie vorstehend beschrieben als effektiv, effizient und zufriedenstellend empfindet.
Als ein Prüfverfahren besteht mit der Norm DIN CEN/TS 15945:2011, DIN SPEC 91145 das Zielgruppenprüfverfahren. Dieses beschreibt eine Prüfung mit einer Gruppe von 100 zufällig entsprechend der Kriterien nachfolgender Tabelle ausgewählten männlichen wie weiblichen Teilnehmern im Alter von 65 bis 80 Jahren.
Diesen Prüfteilnehmern wird eine Probepackung übergeben, die in der Aufmachung derjenigen Verpackung entspricht, die später auch im Handel angeboten werden soll. In drei Stufen werden die vom Konsumenten zu erreichenden Hauptziele beim Öffnen der Verpackung getestet. Hier also „Prüfen der Effektivität beim Öffnen" gefolgt von „Prüfen der Effizienz beim Öffnen" sowie „Prüfen der Zufriedenheit mit dem Öffnen". Eine Prüfung gilt als Erfolg, wenn in der ersten Stufe ein Öffnen innerhalb von fünf Minuten als effektiv sowie in der zweiten Stufe ein Öffnen in weniger als einer Minute als effizient getestet wurde. Die Zufriedenheit mit dem Öffnen kann schließlich auf einer Symbol-
skala mit den Werten -2, -1, 0, +1, +2 geäußert werden. Für die Annehmbarkeit muss hier der Grad der Zufriedenheit die Stufe 0 oder höher auf der Symbolskala erreichen. Insgesamt gelten die Annahmekriterien schließlich als erfüllt, wenn bei 100 Teilnehmern lediglich bis zu sechs Fälle von Versagen aufgezeichnet wurden. Es kann dann das „leichte Öffnen" der Verpackung mittels eines Prüfberichtes bestätigt werden. Die Prüfung erfolgt dabei durch akkreditierte Institute, (z.B. www.ivm-lab.de).
Für den Markterfolg eines Produktes spielt die Verpackung in vielen Fällen eine bedeutende Rolle, da sie die Verbraucherzufriendenheit unmittelbar beeinflusst. Aber wie ist diese im Einzelfall zu erreichen? Hier stellt die DIN 15945 ein geeignetes Instrument dar. Bereits während der Packmittelentwicklung ist durch die Zielgruppenprüfung ein Monitoring der Verbraucherakzeptanz möglich. Auf diese Weise lassen sich Fehlentwicklungen vermeiden. Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten und um die Erfüllung der Anforderungen der DIN 15945 sicherzustellen, bedarf es eines kompetenten Partners. Akkreditierte Dienstleister
(z. B. ivm-lab.de) liefern hier qualifizierte Unterstützung, sei es bei der Auswahl von Verpackungen, deren Entwicklung oder bei der Zielgruppenprüfung nach DIN 15945. So wird sichergestellt, dass die Verpackung die Anforderungen von Produkt, Verbraucher und Gesellschaft gleichermaßen erfüllt.
Quellen:
(1) BAGSO, Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.V., Beschwerdepool für ältere Verbraucher. Ergebnisse der Befragung zum Thema Verpackungen [Stand 10.09.2012].
(2) DIN Deutsches Institut für Normung e.V., Verpackung - Leichtes Öffnen - Kriterien und Prüfverfahren für die Bewertung von Verbraucherpackungen; Deutsche Fassung CEN/TS 15945:2011.
(3) Gerhards, C.; Leu, J., Qvortrup, J. J.; Brombach, C., Lebensmittelverpackung für ältere Menschen: Probleme und Lösungsansätze, Vortrag beim GDL-Kongress Lebensmitteltechnologie 2009.
(4) Pfohl, H.-C., Logistiksysteme. Betriebswirtschaftliche Grundlagen, Berlin, Heidelberg 2010.
(5) Pro Carton Deutschland (Hrsg.), „Verführung erwünscht!“ Welche Bedürfnisse und Wünsche haben Verbraucher der Zielgruppe 60+ an Verpackungen? Studie der Pro Carton Deutschland 2005, www.marketing.ch/wissen/verpackung/60plus_ganze%20Studie.pdf [Stand 05.08.2012].
(6) Voelkner, K.; Washüttl, M., Tacker, M., Seniorengerechte Verpackungen: Notwendigkeit einer Schaffung verbindlicher Standards und Prüfmethoden, in: Verpackungsrundschau, 9/2006