Interview mit Jürgen R. Schmid, Geschäftsführer von Design Tech, Ammerbuch
neue verpackung: Ist es nicht interessanter, „schöne" Gebrauchsgegenstände zu gestalten? Warum müssen es gerade Maschinen sein?
Jürgen R. Schmid: Diese Entscheidung habe ich schon sehr früh getroffen. Zu Beginn habe ich auch das Design von Kaffeemaschinen, Heizlüftern etc. gemacht, aber irgendwann war mir klar: Ich will jetzt nicht die 350ste Kaffeemaschine designen. Außerdem sind viele Konsumerprodukte technologisch und im Design ausgereizt, so dass es vorwiegend um Styling geht. Man kann sie also nur noch variieren. Wo gab und gibt es Bereiche, in denen man Produkte noch richtig besser machen kann? Und da bin ich auf zweierlei gestoßen: auf Maschinenbau und Medizintechnik. In diesen Bereichen muss ergonomisch etwas verbessert, vereinfacht und Komplexität beherrschbar gemacht werden. Seitdem konnten wir immer mehr Maschinenkunden gewinnen. Und es hat sich bis heute bestätigt, dass sich der Maschinenmarkt immer bewusster für Design interessiert, da sich die Produkte immer ähnlicher, austauschbarer werden. Es geht letztlich darum, dass man sich als Marke positioniert, sich vom Wettbewerb differenziert und sich für internationale Märkte rüstet. Maschinen sind Markenträger und Markenbotschafter. Insofern ist Design für den Anwender wichtig, aber es ist eben auch für das Unternehmen strategisch höchst interessant. Vor allem, wenn man die Ausrichtung und Zielsetzung des Unternehmens, sein Selbstverständnis in Betracht zieht.
neue verpackung: Handelt es sich bei Maschinendesign nicht um ein ausgesprochen komplexes Thema, schließlich geht's ja nicht nur um äußere Hüllen, sondern auch um Contents.
Jürgen R. Schmid: Ganz richtig. Denn wir haben festgestellt, dass es wenig Designbüros gibt, die komplexe Themen wirklich gut beherrschen. Genau dies haben wir im Laufe der Zeit hinzugelernt. Wir sagen jetzt nicht nur, ob das Produkt modular ist, ob es edel ist, ob es ganze Produktlinien sind. Wir designen vielmehr im Moment ein Projekt und bereiten dabei die nächste Generation schon so vor, dass sie ökologisch sinnvoll auf die übernächste Generation übertragbar ist: So etwas wird schon richtig schwierig, um nicht zu sagen, fast unmöglich. Aber gerade dann wird es für uns interessant.
neue verpackung: Wie ist Ihr Verständnis von Maschinendesign, wie definieren Sie persönlich Maschinendesign?
Jürgen R. Schmid: Unser Verständnis vom Maschinendesign meint nicht „gutes", sondern „richtiges" Design. Richtig ist es dann, wenn Design punktgenau da landet, wo der Kunde auch den Nutzen hat. Wenn er beispielsweise sagt, ich will jetzt mit meinem Produkt in den asiatischen Markt und wir von Design Tech schaffen es, ein Produkt zu entwickeln, das auf dem asiatischen Markt sofort und signifikant Akzeptanz findet, dann ist es punktgenaues Design. Und dann ist es eben auch das richtige Design. Und um das zu finden, brauchen wir eine ganzheitliche Betrachtung. Wir schauen uns alles an, was dieses Produkt selber anbetrifft und was das Produkt-, Unternehmens- und Marktumfeld anbetrifft. Auch, wie die Technologie sich entwickelt, speziell auch die Software und die Bedienung. Wir schauen uns alles an, was auf das Produkt oder vom Produkt aus in das Umfeld „hineinstrahlt" - alles, was erfolgsrelevant ist.
neue verpackung: Hat das nicht manchmal auch maßgeblichen Einfluss auf die Technik?
Jürgen R. Schmid: Sehr oft. Ein einfaches, aber häufiges Beispiel: Die Bedienung ist bisher 12 cm tief, aber moderne Bedienpaneels müssen heutzutage einfach flach sein. Dann muss man sich überlegen, wie schaffe ich es, diesem Anspruch gerecht zu werden. Auch um die Aktualität der Technologie zu kommunizieren. Und wir verfolgen den Trend, dass auch im Maschinenbau der Punkt bald kommen wird, dass die Bedienung immer mobiler wird. Wir haben unsere Bedienung nicht mehr in der Maschine, sondern die Bedienung geht von einer Person aus. Dieser Trend hat zur Folge, dass das Bedienpaneel immer kleiner, vom Gewicht immer leichter, immer flacher wird. Das muss so sein, aber es passiert nicht von heute auf morgen. Wenn wir sagen, wir haben bisher 15 cm tiefe Kästen und ab morgen machen wir schlagartig alles vom iPad/Tablet-Computer, dann geht das nur schrittweise, weil die Einflussfaktoren vielfältig und komplex sind. Aber die Technik wird sich dahin entwickeln.
neue verpackung: Spielt beim Maschinendesign „Zeitgeist" eine Rolle, gibt's altmodisches und modernes Maschinendesign?
Jürgen R. Schmid: Das ist im automobilen Bereich für alle gut erkennbar. Entsprechend werden bestimmte Proportionen als altmodisch wahrgenommen und andere Formmerkmale als aktuell. Diese Themen wirken sich auch auf den Maschinenbau aus. Altmodisch ist gleich „Low Tech". Modern ist gleich „High Tech". Das heißt, auf dem Stand der Technik oder voraus. Stand der Technik heißt nicht nur, technisch vorne, sondern auch ökologisch und emissionsmäßig vorne zu sein, z.B. weniger Lärm. Das heißt also: Wir wollen nicht nur um der Technik willen vorne sein, sondern wir wollen uns auch in vielen Bereichen behaupten, also auch ressourcentechnisch, vom Energieaufwand, vom Gebrauch her, bedienungsmäßig, gesundheitsschonend etc. Und um all das zu dokumentieren, brauche ich auch eine moderne Form, die punktgenau auf die unternehmerische Zielsetzung ausgerichtet ist als strategischen Baustein. Diese moderne Form visualisiert letztendlich auch: Der Maschinenbauer hat die modernen Anforderungen, die die Menschen heute an ihren Arbeitsplatz stellen, berücksichtigt. Und bei altmodischen Formen werden noch alte Werte hochgehalten, was durchaus auch wichtig sein kann. Wir wollen nicht das Alte verwerfen, aber dennoch gibt es eben bestimmte Dinge, die es zu ändern gilt. Beispiel dazu: Wenn immer mehr Frauen Maschinen bedienen, dann muss ich dieser Veränderung im Maschinendesign gerecht werden.
neue verpackung: Geht es beim Maschinendesign weniger um Ästhetik wie beim Design von Consumer- und Gebrauchsprodukten?
Jürgen R. Schmid: Ästhetik ist für uns immer ein Nebenprodukt. „Schön" bekommt man bei uns umsonst. Das ist wirklich meine feste Überzeugung, weil unser Ziel immer punkt- und zielgenaue Designentwicklung heißt, und das ist bei uns nie hässlich.
neue verpackung: Welchen echten Nutzen hat ein Kunde von der Zusammenarbeit mit Design Tech?
Jürgen R. Schmid: Das ist unglaublich vielschichtig. Konkretes Beispiel: Durch eine neue Farbgestaltung seiner Maschinen kann der Kunde die Chancen seiner Marktführerschaft nutzen und diese damit weiter ausbauen. Hintergrund: Alle Welt geht in die Zweifarben-Lackierung, weil man sagt, einfarbige Maschinen sind ein Relikt aus der Vergangenheit. Ein Marktführer kann sich dann entweder ganz bewusst für Einfarbigkeit entscheiden - und einen Anti-Trend setzen. Gleichzeitig hat er dann reduzierte Lackierkosten und spart bei der Logistik.
Andererseits kann es aber auch sein, dass er mehr verkauft, weil er mit europäischem Design bewusst eine zielgruppengerechte Ästhetik und Ansprache wählt. Vielleicht will er aber durch ein neues Design ganz einfach Montagekosten sparen.
neue verpackung: Design soll ja in erster Linie die Funktion verbessern und in zweiter Linie auch verkaufen?
Jürgen R. Schmid: Beides ist wichtig. Nur eine zielgruppenoptimierte Konzeption hat Marktchancen. Mit unserem Design haben wir mehrfach geholfen, die Verkaufszeiten zu reduzieren und damit den Verkaufsprozess zu beschleunigen. Bei einer Maschine, die sich zum Teil selbst erklärt, müssen die Verkäufer weniger reden, weil der Kunde selbst schon viel erkennen kann. Ein anderer Auftraggeber hat ein äußerlich ganz simples Maschinenkonzept bekommen, dafür aber eine imposante Technik. Er bemerkt aber „das sieht ja aus wie eine Cola-Dose, so können wir das doch nicht verkaufen". Folge unseres Maschinendesign: Er konnte gleich im ersten Jahr den angestrebten Verkauf von zwei Maschinen um das 6-Fache steigern und einen riesigen Verkaufserfolg erzielen.
Ein weiteres Beispiel: Ein Unternehmen hat 13 Tochterfirmen zusammengekauft - alles sieht aus wie zusammengewürfelt. Der Kunde will jedoch keinen zusammengewürfelten Maschinenhaufen, sondern einen einheitlich starken Auftritt, damit sein Abnehmer auch weiß, dass dahinter eine starke Firmengruppe steht. In 6 Monaten haben wir unserem Auftraggeber 48 Maschinen auf ein einheitliches Design gebracht.
neue verpackung: Solch ein Auftritt schafft sicher Vertrauen - und aus einem Anbieter kann ein Premium-Anbieter werden?
Jürgen R. Schmid: Wir wurden von einem Premium-Hersteller angesprochen. Der wollte, dass man seinen Produkten Premium auch sofort ansieht. Das Unternehmen hat einen renommierten Mitbewerber, der ebenfalls Premium-Produkte herstellt und zudem weltbekannt ist. Jetzt stellt sich die Frage, wie schafft man es, sich von der Konkurrenz klar abzuheben und gleichzeitig den eigenen Premium-Charakter darzustellen. Also, selbstbewusstes Auftreten war durch die gesamte technische Produktreihe angesagt. Nach der Design-Erstellung durch Design Tech fiel die erste Reaktion - unübertrieben - gigantisch aus. Die Auftraggeber haben sofort verstanden, dass unser Design tatsächlich das erreicht hat, was sie sich vorgestellt haben. Auch wir waren stolz. Jedes unserer Projekte hat eine solch herausragende Geschichte. Das ist dann jeweils echter Nutzen, der kann von Fall zu Fall ganz individuell ausfallen.
neue verpackung: Welche Rolle spielt die Designleistung für die Markenbildung einer Maschine?
Jürgen R. Schmid: Natürlich wird mithilfe des Maschinendesigns immer auch die Marke sichtbar. Vor drei Jahren haben wir eine Solarmaschine entwickelt. Mit dieser Maschine wollte das Unternehmen in ein neues Geschäftsfeld vordringen und sich sofort als Marktführer positionieren. Da stellte sich für uns nicht weniger als die Hauptaufgabe „Marke". Marktführer sein bedeutet, man muss eine starke Markenstrategie entwickeln, die sofort als führend erkannt wird.
Wir haben ein Design gemacht, das so eigenständig ist, dass es selbst auf einem schlechten Pressefoto ohne Firmenbezeichnung am Produkt sofort erkennbar ist: Man sieht die Marke Bürkle. Das ist eine Möglichkeit, Markendesign zu etablieren, indem man ein starkes Design-Merkmal prägt. Ich denke, wenn jemand frisch startet und sich schnell etablieren will, braucht er ein besonders starkes Merkmal, das den Kern des Unternehmens abbildet. Wenn jemand schon Marke ist und will das nur weiter vertiefen und aktualisieren, sieht die Sache wieder anders aus, dann heißt die Aufgabe: Wie schaffe ich es, die bisher transportierten Werte zu erhalten und neue Aspekte hinzuzufügen, ohne die alten Werte zu verlieren. Das ist uns beispielsweise bei Metabo gelungen. Da ging es darum, alte Produkte als schwäbische Marke aufrecht zu erhalten und dennoch zu modernisieren.