Winfried Mühling

Winfried Mühling, General Manager Pro Carton. (Bild: Pro Carton)

neue verpackung: Die Welt – auch die der Verpackung – erlebt gerade jede Menge Veränderungen, auf die es zu reagieren gilt. Was sind die wichtigsten Ziele, die Sie sich für Ihre ersten Wochen bei Pro Carton vorgenommen haben?

Winfried Mühling:
Beginnen werde ich erst einmal mit der Definition der Schwerpunkte für eine erfolgreiche Karton-Kommunikation in 2022 auf allen wichtigen Kanälen.
Es ist weiterhin bedeutsam, gemeinsam mit anderen Branchenverbänden wichtige Weichenstellungen für die Faltschachteln und Kartonverpackungen im Rahmen laufender EU-Gesetzgebungsinitiativen vorzunehmen.

Dabei ist mir die offene Kommunikation mit allen Mitgliedsunternehmen wichtig, für die ich nun in den ersten Wochen den Grundstein legen will.
Und nicht zuletzt ist es mir ein wichtiges Anliegen, konstruktive Beziehungen zu anderen Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette aufzubauen – denn die entscheidenden Herausforderungen unserer Zeit, beispielsweise Kreislaufwirtschaft, können wir nur gemeinsam bewältigen.

neue verpackung: Haben sich in Zeiten von Pandemie und Rohstoffmangel vielleicht auch die Aufgaben für einen Verband wie Pro Carton verändert, sowohl in Richtung Mitgliedsunternehmen als auch in Richtung Abnehmerindustrie?
Mühling: Definitiv! Denn auch wenn sich an den Vorzügen und Vorteilen von Karton und Faltschachteln nichts geändert hat: Wir haben aktuell eine äußerst schwierige Versorgungssituation, ausgelöst durch die Pandemie und ihre Auswirkungen auf globale Lieferketten wie auch durch die steigende Nachfrage durch Substitution anderer Verpackungsmaterialien. Das Umweltbewusstsein der Verbraucher hat sich während der Pandemie weiter verstärkt, Karton konnte enorm an Vertrauen gewinnen und sich als umweltfreundliches und sicheres Verpackungsmaterial profilieren – entsprechend stieg auch die Nachfrage.

Darum müssen wir als Pro Carton heute verstärkt auch kritische Fragen zur Versorgungssituation und Lieferzeiten beantworten. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Die Belieferung mit Karton und Faltschachteln hat sich während der gesamten Pandemiezeit als resilient erwiesen. Sowohl die Faltschachtelhersteller als auch die Kartonproduzenten haben sich in den vergangenen zwei Jahren voll in den Dienst der Gesellschaft gestellt und wichtige Verpackungen geliefert.

Zur Person

In fast 30 Jahren in der globalen Verpackungs- und FMCG-Industrie bekleidete Winfried Mühling leitende Positionen in den Bereichen Chemie, Lebensmittel und Getränke sowie Investitionsgüter. Er verbrachte die Hälfte seines bisherigen Lebens im asiatisch-pazifischen Raum und die andere Hälfte in Europa.

Zu seinen früheren Positionen gehören Vice President Corporate Accounts bei Ecolab, Sales Director für MM Board & Paper, Vice President Sales Management bei Tetra Pak und zuletzt Global Key Account Director bei Amcor mit Sitz in Singapur. Seit dem 15.10.21 ist Winfried Mühling General Manager von Pro Carton.

neue verpackung: Da uns das Thema ja leider wohl noch eine Weile begleiten wird: Wie sehen hier aktuell die Strategien Ihrer Mitgliedsunternehmen aus? Und zeichnet sich zumindest perspektivisch Besserung ab?
Mühling: Erst einmal: Die Versorgung mit Karton und Faltschachteln ist sichergestellt. Und damit dies auch künftig so bleibt, streben wir eine noch engere Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette an. Denn beispielsweise erleichtert eine hohe Forecast-Genauigkeit am Ende der Wertschöpfungskette die Produktionsplanung der vorgelagerten Lieferanten und stellt sicher, dass die Kartonmaschinen jederzeit mit dem „richtigen“ Material belegt sind.

Neue Verpackungsprojekte benötigen heute eine längere Vorlaufzeit, was bereits zu Beginn eingeplant werden muss. Wir müssen auch vorgezogene Aufträge – „Ham­sterkäufe“ – vermeiden. Wozu diese führen können, haben wir ja beispielsweise zu Beginn der Pandemie im Einzelhandel erlebt. Wenn wir diese Dinge während der Pandemie konsequent umsetzen, werden wir alle auch nach der Pandemie noch davon profitieren durch geringere Lagerbestände, erhöhte Flexibilität und kürzere Lieferzeiten.

neue verpackung: Dass Hersteller von Verpackungen während des vergangenen Lockdowns als systemrelevant eingestuft wurden, hat den Stellenwert in der Gesellschaft sicherlich positiv beeinflusst. Glauben Sie, dass dieser Effekt von Dauer ist?
Mühling: Es stimmt schon: Verpackungen wurden während der Pandemie zum Problemlöser und Garanten des sicheren und hygienischen Transports. Aber auch das Thema Nachhaltigkeit hat während dieser Phase nicht an Bedeutung verloren. Verbraucher achten bei ihren Kaufentscheidungen zunehmend auf deren Umweltauswirkungen. Dabei werden umweltfreundliche Produkte zuerst über die Verpackung eingeordnet, wodurch die Verpackung immer mehr das Produktimage prägt. Wenn wir, also die Packmittelhersteller und die Markenartikelunternehmen gleichermaßen, dies berücksichtigen und in den Lösungen am Point of Sale korrekt darstellen – ja, dann können wir dieses Momentum in einen dauerhaften Effekt verwandeln.

neue verpackung: Ein ganz anderes Thema: Die Verpackungsindustrie leidet wie jede andere Industrie auch unter Nachwuchsmangel. Welche Möglichkeiten sehen Sie, um hier entgegenzusteuern? Und vor allem: Wo beziehungsweise wie früh muss man hier ansetzen?
Mühling: Ganz entscheidend ist, dass wir die Attraktivität der Ausbildungsberufe in der Verpackungsindustrie hervorheben, uns also als sichere Zukunftsindustrie mit interessanten und kreativen Berufsbildern darstellen. Dazu gehören lokale und globale Entwicklungsmöglichkeiten in der Verpackungsindustrie, intensive PR-Arbeit – besonders mit lokalen Medien – um die Attraktivität der Verpackungsindustrie als modernen Arbeitgeber herauszustellen. Darüber hinaus sehe ich die enge Zusammenarbeit mit den einschlägigen Berufsberatungszentren, Schulen, Fachhochschulen und Universitäten als sehr bedeutsam an.

Pro Carton pflegt diese Kontakte aktiv über den Pro Carton Young Designer Award und Pro Carton Student Video Award. Die Gewinner der jeweiligen Awards bringen wir auch immer in direkten Kontakt mit unseren Mitgliedsunternehmen, sowohl bei den Karton- als auch bei den Faltschachtelunternehmen.
Und natürlich spielt auch das Thema der vorangegangenen Frage eine große Rolle. Denn wenn wir von jungen Menschen in ihrer Rolle als Konsument positiv wahrgenommen werden, dann sind wir auch ein attraktiver Arbeitgeber für sie.

neue verpackung: Zum Ausklang: Welche Eigenschaften müsste Ihrer Meinung nach eigentlich eine optimale Verpackung mit sich bringen?
Mühling: Bei Pro Carton definieren wir die 5Rs als Grundlage für eine umweltgerechte Verpackung:

  • Recycle: Verpackungen sollten voll recyclingfähig sein.
  • Renewable: Vermeidung fossiler Rohmaterialien. Rohmaterialien aus nachwachsenden Ressourcen.
  • Reusable: Verpackungen sollten nach Gebrauch wiederverwendbar/wiederverwertbar sein.
  • Reduce: Reduzierung des Rohmaterialeinsatzes auf das Minimum, um den Produktschutz voll zu gewährleisten.
  • Replace: Grundsätzlich sollten Verpackungen aus umweltgerechten Materialien hergestellt werden.

An erster Stelle stünde natürlich die wichtigste Aufgabe einer jeden Verpackung: der Produktschutz. Und zwar während des Transports zum Handel, aber auch vom Point of Sale zum Kunden nachhause. Und wenn wir schon beim Point of Sale sind: Die Präsentation sollte aufmerksamkeitsstark sein – denn nach wie vor ist die Verpackung die Visitenkarte eines jeden Markenartiklers. Hat der Konsument die Verpackung dann in der Hand, sollte er auf ihr alle Informationen finden. Und mit „alle“ meine ich sowohl zum Produkt als auch zur Verpackung selbst.

Daheim angekommen, sollte eine optimale Verpackung einfach zu öffnen und dann auch wieder zu verschließen sein, sodass sie als Aufbewahrungsort dienen kann, bis das Produkt aufgebraucht ist. Und am Ende ihres Lebenszyklus sollte die Verpackung dann einfach zu entsorgen sein – natürlich in ein Kreislaufsystem, sodass aus der alten wieder eine neue Verpackung werden kann.

Die Fragen stellte Philip Bittermann, Chefredakteur neue verpackung

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