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(Bild: Krsmanovic – Adobe Stock)

neue verpackung: Herr Freyler, das Heft, in dem dieses Interview erscheint, wäre unsere drupa-Ausgabe gewesen. Welche Auswirkungen erwarten Sie auf die Druckindustrie durch die Corona-bedingte Verschiebung?

Jens Freyler: Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass die Verschiebung der Messe in diesem Jahr so viele Auswirkungen für die Druckindustrie haben wird. Ein Großteil der Druckereien ist durch die direkten und indirekten Auswirkungen der Corona-Pandemie sicherlich besonders gebeutelt, aber deswegen hätten viele Unternehmer in diesem Juni sich mit Investitionsentscheidungen ohnehin schwergetan. Den Herstellern von Druck- und Weiterverarbeitungsmaschinen nimmt die Verschiebung allerdings eine wichtige Plattform, sich trotzdem zu präsentieren und um mögliche Aufträge zu buhlen.

neue verpackung: Inwiefern sehen Sie Druckereien als besonders gebeutelt an?

Jens Freyler: Klassische Druckereien bedienen üblicherweise eine Vielzahl von Kunden unterschiedlicher Branchen. Und bei den Druckereien bündeln sich die Auswirkungen, die all diese Branchen betreffen. Ein Produktionsunternehmen, das weniger Absatz hat und damit weniger Handbücher produziert, ein Filialist, der seine Filialen vorübergehend schließen musste und weniger Kundenkommunikation betreibt, Tourismusunternehmen, die noch gar nicht wissen, wie es für sie weitergeht und die kein Marketingmaterial brauchen. Dazu kommt, dass einige dieser Kunden an der falschen Stelle sparen mögen – nämlich bei Werbe- und Marketingmitteln –, oder aufgrund ihrer eigenen Ertrags- und Liquiditätssituation Zahlungsziele strecken oder am Ende einzelne vielleicht auch ganz ausfallen. Und so lange für die Druckereien die Marktaussichten unsicher bleiben, werden sie auch nur die notwendigsten Investitionen tätigen.

neue verpackung: Sehen Sie da die Corona-Hilfen der Bundesregierung als passendes Mittel für die Druckbranche, diese Situation zu überbrücken?

Jens Freyler: Generell finde ich die Finanzierungshilfen, die die Regierung mit der KfW und den regionalen Bürgschaftsbanken in so kurzer Zeit aus dem Boden gestampft hat und auch fortlaufend ergänzt als wirklich beachtlich an. Der Druckindustrie haftet allerdings der Makel an, dass man wenig differenziert schon seit Jahrzehnten von einer schwierigen Branche spricht. Die Finanzierungshilfen zielen jedoch bewusst auf Unternehmen ab, die vor Corona nicht in einer Krise steckten. Hier müssen wir Finanzierungspartnern helfen, zu differenzieren, dass nicht die gesamte Druckindustrie pauschal als Krisenbranche abgetan wird.

neue verpackung: Eine Lehre aus der noch laufenden Corona-Krise ist es, die Produktion wieder stärker auf den eigenen Kontinent zu holen und damit unabhängig von fragilen globalen Lieferketten zu werden. Das könnte ja auch positive Effekte auf die hiesige Druck­industrie haben.

Jens Freyler: Das wird es sicherlich. Über die letzten Jahre hat man in der Wirtschaft das Just-in-time-Modell nahezu perfektioniert. Und die Logistikketten haben extrem gut funktioniert und diese Entwicklung beflügelt. Dass daraus Abhängigkeiten hervorgehen, war jedem jederzeit klar, aber dass eine Situation wie die aktuelle auf uns zurollen könnte, in der tatsächlich weltweit Produktions- und Lieferketten zusammenbrechen, damit konnte wohl niemand rechnen. Im Business Continuity Management der Unternehmen wird dieses Szenario zukünftig eine ganz andere Bedeutung gewinnen. Und damit wird das Risiko solcher Just-in-time-Lieferketten anders „bepreist“ werden. Jedes Unternehmen muss sich also einerseits überlegen, wie es sicherstellen kann, dass es nicht durch das Zusammenbrechen fremder Lieferketten betroffen werden kann, andererseits aber auch, wie es sicherstellen kann, dass es ausländische Kunden auch in solch einem Szenario vor Ort weiter beliefern kann. Insofern dürften sich zwei Trends zeigen: Lieferketten für systemrelevante Vorprodukte zurückholen, aber auch Produktionsmöglichkeiten näher beim Kunden schaffen – vielleicht auch durch die Beteiligung an oder die Zukäufe von internationalen Partnern oder Wettbewerbern.

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Jens Freyler ist Geschäftsführer der Knox GmbH. (Bild: Knox)

neue verpackung: Könnten Kooperationen wie die zwischen Heidelberger Druckmaschinen und Masterwork Group Vorbild sein für andere Unternehmen aus diesem Bereich?

Jens Freyler: Bei Heidelberger Druckmaschinen und Masterwork sehe ich vor allem eine langjährige Kooperation, die mit einer Finanzbeteiligung untermauert wurde. Im Zuge der Beteiligung von Masterwork an der Heidelberger Druckmaschinen AG im letzten Jahr ist die Frage einer Rückbeteiligung durch Heidelberg offengelassen worden und in der aktuellen Phase sehe ich diese auch eher nicht. Aber in dieser Kooperation ergänzen sich die produktseitigen Stärken der beiden Unternehmen und die regionalen Marktzugänge sicherlich gut. Im Zuge von Corona birgt allerdings auch dies seine Herausforderungen. Das Allheilmittel gegen die wirtschaftlichen Hemmnisse der Corona-Pandemie kann wohl nur ein Heilmittel beziehungsweise ein Impfschutz gegen Corona sein.

neue verpackung: Welche Auswirkungen durch die aktuelle Situation erwarten Sie auf M & A im Allgemeinen?

Jens Freyler: Im Allgemeinen sehen wir im M & A-Bereich die gleichen Unsicherheiten wie in der Wirtschaft an sich. In Branchen, deren kurz- bis mittelfristige Aussichten ungewiss sind, fühlen sich auch Investoren unsicher. In Branchen, die von der Corona-Krise wirtschaftlich nicht negativ betroffen sind – und dies gilt für viele Bereiche der Verpackungsindustrie aber auch für manche Unternehmen der Druckbranche – ist der M & A-Markt dagegen unverändert stark. Hier könnte man sogar erwarten, dass bei weiterhin hoher Liquidität und Anlagedruck auf der Investorenseite sich das Interesse noch stärker auf diese Unternehmen fokussiert. Manche strategischen Investoren, die für Akquisitionen auf Kreditmittel angewiesen sind, werden dagegen erleben, dass die Banken zurückhaltender sein werden bei der Finanzierung von M & A-Transaktionen. Für die Kreditinstitute hat sich mit den Corona-Krediten ein breites Feld gut abgesicherter Finanzierungsmöglichkeiten aufgetan, das vermeintlich attraktiver ist als eine üblicherweise ungesicherte Transaktionsfinanzierung. Und schließlich wird Corona auch dazu führen, dass eine größere Anzahl von Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und damit der in den letzten Jahren schlummernde Markt für „Distressed M & A“, sprich die Verkäufe von angeschlagenen Unternehmen, wieder deutlich anspringen wird.

neue verpackung: Was erwarten Sie, wenn Sie den Blick in eine weitere Zukunft werfen?

Jens Freyler: Ich erwarte, dass sich die Dinge normalisieren aber trotzdem einiges von dem haften bleiben wird, was wir gerade erleben. Dass Videokonferenzen besser funktionieren, als wir alle dachten, dass Homeoffice in manchen Berufsgruppen ein sinnvolles Modell sein kann, dass virtueller Kontakt wertvoll ist aber Geselligkeit nicht ersetzt und dass shoppen online funktioniert, aber kein Einkaufserlebnis bietet. In Summe mag dies dazu führen, dass in manchen Segmenten Druckvolumen verloren geht, in anderen aber sogar wächst. Die Verpackungsbranche wird gestärkt aus der gegenwärtigen Situation hervorgehen, manche Segmente erleben bereits jetzt einen temporären Boom, von dem sich ein Teil verstetigen wird. Und der M & A-Markt wird auch in Zukunft intakt sein, um Unternehmern die richtige Lösung zu bieten, wenn der Bedarf nach Kapitalmaßnahmen, Käufen oder Verkäufen gegeben ist.

Die Fragen stellte Philip Bittermann, Chefredakteur neue verpackung

 

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