Flora Fliegner, Pack3

Wünscht sich mehr Fairness und ein ganzheitliches Denken, wenn es um Verpackungen geht: Flora Fliegner, Gründerin und Geschäftsführerin von Pack3. (Bild: Stefan Klübert)

Nicht jeder Mensch träumt davon, Verpackungstechnik zu studieren. Auch ich habe mich nicht von Anfang an für dieses Feld begeistert. Ursprünglich stamme ich aus einer Juristenfamilie, in der technische Themen eher selten eine Rolle spielten. Doch ich hatte schon immer eine große Faszination für technischen Fortschritt und Innovationen. Durch ein Gespräch mit einem Bekannten erfuhr ich von dem damals wenig bekannten Studiengang Verpackungstechnik an der Berliner Hochschule für Technik.

Die geringe Zahl der Studierenden – es waren gerade einmal 13 – und die vielfältigen beruflichen Möglichkeiten, die sich aus diesem Studium ergaben, haben mein Interesse geweckt. Verpackungstechnik bot die perfekte Kombination aus Technik, Design und Produktion. Und es versprach zudem auch eine stabile berufliche Perspektive.

Bereits während meiner Diplomarbeit merkte ich, dass ich die richtige Wahl getroffen hatte. Die Branche boomte, und ich konnte meinen zukünftigen Arbeitsplatz frei wählen. So führte mich mein Weg nach Hamburg, wo ich durch eine Headhunterin zu der damals noch jungen Ausgründung BSN Medical, später Essity, kam.

Bei Essity herrschte eine ganz spannende Startup-Atmosphäre: Es gab nur drei Entwicklungsingenieurinnen und -ingenieure, und wir konnten unsere kreativen Ideen voll einbringen. Diese Freiheit war genau das, was ich suchte.

Nach drei Jahren wechselte ich als Leiterin der Entwicklungsabteilung in ein Verpackungsunternehmen in Freiburg. Meine Abteilung entwickelte Packmittel für die pharmazeutische Industrie - Faltschachteln, Packungsbeilagen und Haftetiketten. Diese Zeit ermöglichte mir wertvolle Einblicke in das Lieferantengeschäft. Rückblickend bin ich dankbar für diesen Schritt auf Lieferantenseite, denn das Verstehen beider Seiten – sowohl des Brand Owners als auch des Lieferanten – wurde zu einem entscheidenden Vorteil in meiner Karriere. Die Erfahrung lehrte mich, Probleme aus der Perspektive des Kunden zu betrachten und Lösungen zu entwickeln, die über das Offensichtliche hinausgingen. Diese Fähigkeiten und die Weiterbildung zur Produktmanagerin waren wichtige Meilensteine meiner Karriere.

Besonders stolz bin ich auf die vielen Preise, die wir für unsere innovativen Verpackungen gewonnen haben. Diese Auszeichnungen und die damit verbundenen Galas waren damals echte Highlights.

Nach der Geburt meines zweiten Kindes wollte ich in Teilzeit arbeiten. Wir hatten alles sorgfältig geplant und organisiert, doch mein Arbeitgeber zeigte sich wenig kooperativ. Stattdessen wurde mir eine Stelle angeboten, die weder meiner Qualifikation noch meinen Ambitionen entsprach – trotz gleichem Gehalt. Auf Anraten eines Arbeitsrechtlers hätte ich den Job annehmen, und mich parallel nach etwas Neuem umsehen sollen.

Aber ich kündigte direkt – eine Entscheidung, die ich nie bereut habe. Ich möchte auch jede Frau ermutigen, in solchen Situationen auf ihr Bauchgefühl zu hören und sich nicht unter Wert zu verkaufen. Mir ist es wichtig, mit meiner Geschichte auch zu zeigen, dass es in der Branche ganz individuelle und erfolgreiche Wege gibt. Wenn eine Türe zugeht, geht eine andere auf. Warum Arbeitgeber oft Schwierigkeiten mit Teilzeitmodellen oder Frauenquoten haben, ist für mich unverständlich. Besonders in der konservativen Verpackungsbranche scheint es noch immer ein großes Umdenken zu erfordern.

Ich suchte also nach einer neuen Herausforderung und bewarb mich bei der Haufe Akademie. Dort übernahm ich eine Position als Produktmanagerin für Rechnungswesen, Steuern und Finanzen und lernte damit wieder eine neue Seite der Unternehmensführung kennen, die mir später sehr helfen würde.

Die Corona-Pandemie war letztlich der Auslöser, der mich zurück nach Berlin führte. Nicht nur, um näher bei meiner Familie zu sein, sondern auch, um einen lang gehegten Traum zu verwirklichen: die Gründung meines eigenen Unternehmens. Die Idee einer eigenen Firma hatte mich immer begleitet, doch jetzt war der richtige Moment gekommen. So gründete ich Pack3 – ohne einen festen Auftrag im Rücken und ohne finanzielle Sicherheit.

Die ersten Monate waren nicht einfach. Doch der Wendepunkt kam, als ich ein bedeutendes Mandat von Henkel gewann. Mehrere Monate lang arbeitete ich für Henkel an Nachhaltigkeitsthemen – ein Thema, das mich schon immer stark interessiert hatte. Diese Zusammenarbeit brachte nicht nur eine wertvolle Referenz, sondern verschaffte mir auch Sichtbarkeit in der Branche. Durch regelmäßige Beiträge auf LinkedIn konnte ich mein Netzwerk erweitern, und immer mehr Anfragen folgten.

Heute ist Pack3 eine erfolgreiche Firma für strategische Verpackungsberatung mit drei festangestellten Mitarbeiterinnen – allesamt Frauen – und einem Team aus freien Beraterinnen und Beratern. Aktuell dreht sich in der Branche alles um das Thema Nachhaltigkeit, insbesondere um die Einhaltung der Vorgaben der EU-Verpackungsverordnung (PPWR). Viele Unternehmen, vor allem kleine und mittlere, sind unsicher, wie sie die Nachhaltigkeitsziele erreichen sollen und wie sie ihre Verpackungen entsprechend anpassen können. Auch bei größeren Unternehmen, die bereits nachhaltige Materialien einsetzen, gibt es häufig noch Hürden in der praktischen Umsetzung.

Wir unterstützen unsere Kunden dabei, ihr Verpackungssortiment nachhaltig zu optimieren. Wir beraten sie nicht nur in der Wahl der richtigen Materialien, sondern auch in der Optimierung ihres Sortiments, der strategischen Ausrichtung und in der Prozessoptimierung und -begleitung – und das gerne Hands-On und alles unter Berücksichtigung der neuen EU- und internationaler Vorgaben.

Unser Anspruch ist es, Brückenbauer zu sein – zwischen Nachhaltigkeit, Kosten und Effizienz. Wir holen alle relevanten Akteure an den Tisch und erarbeiten gemeinsam zukunftsfähige Lösungen.

Die Verpackungsbranche ist wie ein großes Dorf – jeder kennt jeden über ein paar Ecken. Diese enge Vernetzung hat viele Vorteile, doch manchmal gibt es auch Rivalitäten und Unstimmigkeiten. Da kritisiert die Papierlobby die Kunststofflobby, und es wird über Nachhaltigkeitsinitiativen gestritten, anstatt gemeinsam an besseren Lösungen zu arbeiten.

Ich wünsche mir mehr Fairness und ein ganzheitliches Denken, wenn es um Verpackungen geht. Weniger Konkurrenz, stattdessen mehr Zusammenarbeit.

Mein Herz schlägt für die Verpackungsbranche und besonders für nachhaltige Lösungen. Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass auch meine Kinder in einer lebenswerten Welt aufwachsen können. Diese Vision treibt mich an und gibt mir eine starke, intrinsische Motivation, jeden Tag mein Bestes zu geben.    

 

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