
Nachhaltig, belastbar, vielseitig, ressourcenschonend: Papier oder Karton aus Hanffasern haben viel zu bieten. (Bild: Pixabay / Oleg Petrjakov)
Auf der Seite der Firma Kip in Neuenhaus muss der Interessent nicht lange suchen. Schnell findet er beim Webauftritt des Spezialisten für Verpackungsdruck und Faltschachtelproduktion die gewünschte Rubrik und die Unterrubrik „Nachhaltige Schachteln“. Ein kurzer Scroll weiter taucht „Verpackungen aus Hanfpapier“ auf. Schon wähnt sich der Online-Besucher am Ziel seiner Suche. Doch wer nun eine Kollektion aus Hanfverpackungen erwartet, wird enttäuscht. Stattdessen gibt es, optisch durchaus ansprechend aufbereitet, viel Wissenswertes zu Hanf und seinen Fasern. Wie das?
„Der Hauptgrund, weshalb wir ‚nachhaltige Verpackungen‘ mit in unser Programm aufgenommen haben, sind die Google-Suchergebnisse“, räumt Björn Kleine-Döpke ein. Daher werden auch Verpackungen beispielsweise aus Graspapier und Crush angezeigt. Letztgenannte ist eine Papiersorte, bei der 15 % des Frischfaserzellstoffs durch Rückstände organischer Produkte, darunter Pflanzenschalen, ersetzt wird. „Aber Hanfkarton ist ein exotisches Material“, so der Vertriebsleiter weiter, „in der Tat haben wir zwar schon die eine oder andere Anfrage zu Printprodukten aus Hanfkarton erhalten, aber aus Kostengründen hat man sich dann doch immer wieder gegen dieses Material entschieden.“
Widerstandsfähig und nachhaltig
Seit mehr als 2000 Jahren gibt es Papier aus Hanf. Erfunden wurde das Material in China und gelangte danach in die übrige Welt. Dennoch sind Hanfpapier und -karton eher Nischenprodukte. Obgleich das Hanfpapier gegenüber herkömmlichem Papier aus Holz mit vielen Vorzügen aufwarten kann. Hanffasern sind vier- bis fünfmal länger als Holzfasern. Daher bieten sie auch eine höhere Zug- und Reißfestigkeit, selbst im feuchten Zustand. Weitere Pluspunkte sind die längere Haltbarkeit und die bessere Recyclingfähigkeit. Bis zu zehnmal kann Hanfpapier wiederaufbereitet werden. Davon abgesehen kann der Einsatz von Bleichmitteln stark reduziert werden, da Hanffasern von Natur aus heller sind. Das Cannabis-Papier vergilbt wesentlich langsamer als Holzpapier und ist weniger anfällig für Zersetzung oder Rissbildung. Nicht zu vergessen: Hanf wächst deutlich schneller als Bäume und kann mehrmals pro Jahr geerntet werden. Ein Hektar liefert etwa viermal so viel Zellstoff wie eine identische Fläche Wald im gleichen Zeitraum. Dies bedeutet eine effizientere Landnutzung und geringeren Flächenbedarf.
Aufgrund seiner Widerstandsfähigkeit eignet es sich besonders gut für langfristige Aufbewahrung von Dokumenten und Kunstwerken. Oder Bibeln. So ist auch die Gutenberg-Bibel aus dem Jahr 1445 aus Hanfpapier. Kurz: Durch seine überlegene Haltbarkeit und Stabilität eignet sich das Material besonders gut für Anwendungen, bei denen Langlebigkeit gefragt ist, darunter für die Herstellung von Banknoten, Künstlerpapieren und technischen Filterpapieren. Hanfpapier ist gleichermaßen geeignet für Offset-, Buch- und Siebdruck, für Blindprägung, Heißfolienprägung und Stanzungen.
Und wie sieht es bei Verpackungen aus? Kristina Sievers, bei Egger Druck + Medien in Landsberg fürs Marketing verantwortlich: „Wir hatten mal ein sehr schönes Projekt aus dem Hanfpapier von Gmund für ein Hanföl. Davon abgesehen ist die Nachfrage nach dem Material sehr gering. Hanfkarton würde sich aufgrund der Beschaffenheit sehr gut für Verpackungen eignen, aber es ist den Kunden einfach zu teuer.“ Das ist auch der Grund, weshalb Eggers Kunden bei Verpackungen für andere Cannabidiol-Produkte auf Graspapier oder -karton zurückgreifen. Eher ein Nischenprodukt sind auch Thermoverpackungen beispielsweise von Rausch, bei denen Hanfvlies zum Einsatz kommt.
Der Preis ist heiß
Doch wie teuer ist Hanfpapier im Vergleich zu handelsüblichem Papier aus FSC-Zellstoff wirklich? Die Rede ist von dreifach, ja sogar vierfach höheren Preis. Johanna Schmitz winkt ab. Das sei übertrieben, so die PR-Frau von Gmund Papier. Sie muss es wissen. Die Papierfabrik am Tegernsee ist der Hersteller schlechthin für Hanfpapier. 2021 wurde das Unternehmen für dieses Papier sogar mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Das Besondere: Der Hanfaseranteil liegt bei 100 %. „Gmund Papier hatte zuvor für seine Bio-Cycle-Kollektion ein Hanfpapier entwickelt, bei dem bis zu 50 % Cannabiszellstoff aus europäischen Anbaut, ergänzt durch Frischfaserzellstoff, eingesetzt wurde“, so die PR-Frau. „Die Qualität des Papiers, die Einsatzmöglichkeiten und der Erfolg bei den Kunden motivierte uns weiter zu forschen und ein noch nachhaltigeres und stabileres Papier mit 100 % Hanfanteil herzustellen.“
Dafür mussten unter anderem die Maschinen angepasst werden. Der Prozess selbst ist aufwendiger. Im Vergleich zum Papier aus FSC-Zellstoff steigt der Herstellungspreis ungefähr um den Faktor zwei, heißt es bei Gmund.

Es kann aber auch deutlich teurer werden, Hanfmaterial im Verpackungsbereich einzusetzen. Bei der VPF-Veredelungsgesellschaft für Folien und Papier in Sprockhövel finden sich im Portfolio auch Etiketten aus Hanfpapier. Allerdings: Die Nachfrage ist gering. Selbst wenn sich das Material durch „eine tolle Haptik und Bedruckbarkeit auszeichnet“, so Kundenbetreuer Kai Klimek, so sei es doch wirklich nur für Liebhaber geeignet. „Wir sprechen hier vom zehnfachen Preis im Vergleich zu einem Standard-Druckpapier, ungestrichen. Was im Haftmaterialbereich, also mit Klebstoff und Liner, dann immer noch einen fünffachen Preis bedeutet. Bei einem Materialanteil von sicher 50 % bei den Etikettendruckereien wird das einzelne Etikett dann sehr teuer.“
Die Nachfrage wächst. Langsam
Und wie groß ist der Bedarf an Hanfpapier und -verpackungen? Genaue Zahlen gibt es nicht. Auch bei Gmund Papier will man sich nicht zu konkreten Angaben verleiten lassen. Wieviel t Hanffasern das Unternehmen im Jahr verarbeitet, dazu mag sich Johanna Schmitz nicht äußern. Nur, dass über alle Sorten hinweg 6000 t Papier im Jahr produziert werden. Auch über die Kunden für Hanfpapier will sie lieber nicht sprechen.
Toll, aber teuer – so lässt sich die umweltschonende und nachhaltige Alternative zu Zellstoff umschreiben. Daran dürfte ich auch in den kommenden Monaten nur wenig ändern. Nötig wären vor allem größere Produktionsmengen, die sich positiv auf die Preisstruktur auswirken. Allerdings nimmt das Interesse an Hanf generell zu, wie Schmitz betont. Gleichzeitig suchten Kunden vermehrt nach nachhaltigeren Lösungen und auch die Akzeptanz von Cannabisprodukten sei in den letzten Jahren wieder kontinuierlich gestiegen, heißt es. Auch Kai Klimek spricht von „interessanten Projekten“, die seine Firma zuletzt realisieren durfte. Wenn auch „immer noch auf sehr niedrigem Niveau, was die Quadratmeter angeht“.
Es ist etwas in Bewegung. Gut möglich daher, dass Interessenten in absehbarer Zeit auch auf der Website von Kip in Neuenhaus unter der Rubrik „Verpackungen aus Hanf“ reale Beispiele präsentiert bekommen.