Auf dem Shopping-bag-Summit referierte Richard Cope darüber, wie Unternehmen auf das steigende Umweltbewusstsein auf Kundenseite reagieren können.

Auf dem Shopping-bag-Summit referierte Richard Cope darüber, wie Unternehmen auf das steigende Umweltbewusstsein auf Kundenseite reagieren können. (Bild: Julián Rovagnati – Adobe Stock)

Der Begriff „Sea Change" bedeutet übersetzt so viel wie „grundlegende Veränderung". Unter diesem Arbeitstitel haben die Trendforscher bei dem globalen Marktforschungsunternehmen Mintel ihre Prognose für das laufende Jahr veröffentlicht. An erster Stelle steht zweifelsohne, dass die Konsumenten Verschmutzung durch Verpackungsabfälle – anders als beispielsweise den Klimawandel – in den Weltmeeren und auf den Landflächen eindeutig sehen können. Hierdurch entsteht mehr und mehr das Bewusstsein, dass Verpackungen nicht immer korrekt entsorgt werden.

Der zweite Punkt ist eine direkte Folge des ersten: Den Konsumenten fällt es negativ auf, wenn sie feststellen, dass Markenartikler Verpackungen in Umlauf bringen, die nicht recyclefähig sind. Denn wenn sich der Kunde die Mühe macht, die Verpackung zu entsorgen, dann erwartet er auch, dass diese einer Kreislaufwirtschaft zugeführt wird. Unternehmen, die hierauf nicht reagieren, drohen bei Kunden als rückständig angesehen zu werden.

Der dritte und letzte Trend geht speziell Kunststoffverpackungen an. In der Bevölkerung ist mittlerweile bekannt, dass sich diese mit der Zeit in kleinere Einheiten auflösen und dann Teil der Wasser- und schlussendlich Nahrungskette werden – und damit eine Gefahr für die Gesundheit darstellen. Diese Sorge betrifft nicht eine kleine Gruppe umweltbewusster Menschen, sondern ist im Mainstream angekommen.

Unternehmen in der Pflicht

Immer mehr Markenartikler werben damit, aus den Weltmeeren rückgewonnenen Kunststoff zu nutzen. Dabei handelt es sich nicht nur um Premiummarken, wie Method oder Lush, sondern auch Hersteller von Standardprodukten, wie Procter & Gamble. Iceland, eine Supermarktkette für Tiefkühlprodukte in Großbritannien, hat sogar angekündigt, Kunststoffverpackungen komplett aus dem Programm nehmen zu wollen. Dies richtet sich klar an Durchschnittsfamilien, bei denen die Ökologie mitentscheidet. Außerdem gibt es in der Industrie ein wahrnehmbares Bedürfnis nach recyclefähigen Kaffeebechern und -deckeln.

Gleichzeitig ist aber auch festzustellen, dass die Konsumenten sich zwar nachhaltige Verpackungen wünschen, aber nicht bereit sind, hierfür einen Aufpreis zu bezahlen. Vielmehr ist Nachhaltigkeit in ihrer Wahrnehmung ein Standard, den sie auch im Niedrig-preissegment voraussetzen beziehungsweise erwarten.

In Zeiten, in denen – zumindest gefühlt – die Macht der Politik schwindet und stattdessen die Konzerne an Einfluss gewinnen, obliegt es aus Sicht der Konsumenten auch diesen Unternehmen, für eine nachhaltige und ethische Agenda einzustehen. Das geht fast soweit, dass der Kunde seine eigene Verantwortung an die Markenartikler „outsourced". Und hat erst einmal ein Großkonzern wie Procter & Gamble auf aus dem Meer rückgewonnenes Plast umgestellt, entsteht hier schnell ein Industriestandard, dem alle anderen Unternehmen folgen müssen.

Einflussmöglichkeiten des Gesetzgebers und der Bevölkerung

Für Europa ergibt sich ein sehr fragmentiertes Bild in Sachen Umweltschutz. So erhob Deutschland bereits vor Jahren eine Steuer auf Kunststofftüten. Großbritannien war eine der ersten Regierungen überhaupt, die ein Verbot für Mikropolymere aussprach; Frankreich und Schweden werden hier wohl bald folgen. Generell ist davon auszugehen, dass in naher Zukunft über Europa hinweg immer mehr Gesetze verabschiedet werden, die den Einsatz von Plastiktüten eindämmen sollen. Und das unter Umständen auch in unerwarteter Art und Weise. Gleichzeitig sehen sich Aktivisten und Lobbyisten in einer erstarkten Position, da sie mit ihren Botschaften aufgrund des steigenden Bewusstseins eine große Mehrheit der Bevölkerungen erreichen und mobilisieren können.

Die größten Meeresverschmutzer finden sich allerdings nicht in Europa, sondern in Südost-Asien; beispielsweise Indonesien, den Philippinen und China. Diese Länder setzen erst vergleichsweise kurz auf Plastikflaschen und -taschen, entsprechend wenig ausgeprägt ist hier der Umweltgedanke in der Bevölkerung.

Chinas Regierung hingegen prescht bereits nach vorne und will bis zum Jahr 2030 Regularien zur Vermeidung von Kunststoffverpa-ckungen erlassen, die zu den strengsten der Erde gelten. Auf dem afrikanischen Kontinent hat Kenia eine Vorreiterrolle eingenommen und belegt Unternehmen, die Plastiktüten verwenden, mit Strafen bis 40.000 US-Dollar.

Und auch im Kleinen gibt es Ansätze. So versuchen Hotel- und Barbetreiber beispielsweise, Trinkhalme und Flaschen aus Kunststoff nicht mehr anzubieten.

Die Vorteile für Unternehmen

Einige der Ziele, die Unternehmen sich selbst gesetzt haben, sind äußerst ambitioniert. Hier stellt sich nicht selten die Frage: Sind diese bis zum Jahr 2025 überhaupt zu erreichen? Zusätzlich gibt es viele Möglichkeiten für Unternehmen, sich in Sachen Nachhaltigkeit ins rechte Licht zu rücken, beispielsweise Säuberungsaktionen von Hafengewässern oder aus dem Sponsoring von Rücknahme­automaten. So können Firmen, die frühzeitig auf drohende Vorgaben seitens des Gesetzgebers reagieren, die Agenda ein Stück weit selbst bestimmen.

Und auch darüber hinaus haben die Markenartikler viele Optionen, wie sie ihre Botschaft platzieren können. Dabei sollten sie bei ihrer Ansprache eher über nachhaltige Forstwirtschaft reden und weniger auf erhaltene Zertifikate verweisen. Lernen können die Unternehmen hier von den ihnen vorgelagerten Industrievertretern wie Milchfarmen, die die Konsumenten beispielsweise detailliert über Aspekte wie artgerechte Tierhaltung informieren. Der Supermarktbetreiber Waitrose stellte sogar sogenannte „Cow Cams" auf, die via Livestream aus der Perspektive einer Kuh für maximale Transparenz sorgten. Für Markenartikler könnte das heißen, dass sie zeigen, woher die Verpackung stammt, welche Ressourcen für sie verarbeitet wurden, und wie die Verpackung Teil der Kreislaufwirtschaft wird.

Auch Hersteller von Kunstprodukten, beispielsweise Flaschen, können der aktuellen Ablehnung innerhalb der Bevölkerung entgegentreten und punkten, indem sie zeigen, wie gering der CO2-Abdruck einer PET-Flasche sein kann, wenn sie recycelt wird.

Vertrauen statt Greenwashing

In Zeiten von „Fake News" fällt es schwer zu vertrauen, und die Menschen gleiten rasch ins Zynische ab. Es fällt ihnen immer schwerer, einzuordnen, wem oder was sie glauben können. Kurz: Die Menschen wollen Beweise. Es genügt also nicht, eine Werbebotschaft mit dem Inhalt „Unsere Shampooflaschen bestehen aus recyceltem Kunststoff aus dem Meer" zu kommunizieren, um den Konsumenten zum Kauf zu animieren. Unternehmen müssen sich dann auch Fragen gefallen lassen, wie sie dies beispielsweise zertifizieren und damit nachweisen können. Oder inwiefern solche Kunststoffe noch einmal dem Kreislauf zugeführt werden können.

Die erste Stufe ist, wie bereits erwähnt, dass der Kunde erwartet, dass jede Verpackung nachhaltig ist. Die zweite Stufe ist, dass Unternehmen diese Nachhaltigkeit nachweisen müssen; beispielsweise über eine neutrale dritte Partei. In Italien vertrauen laut einer Mintel-Umfrage schon heute nur 44 Prozent der Konsumenten Produkten, die über ein entsprechendes Zertifikat verfügen.

Dabei ist es aber auch wichtig, „ehrliche" Zertifikate einzuführen. Denn wenn beispielsweise auf fast jedem Kaffeebecher ein Symbol zeigt, dass dieser recycelbar ist, dann ist das zwar technisch gesehen korrekt, doch sind nur wenige Recyclingwerke tatsächlich in der Lage, die wasserresistente Laminierung vom Papier des Bechers zu lösen. Was dazu führt, dass gerade einmal einer von 400 Bechern wirklich wiederverwertet wird.

Frei nach dem Motto „Seeing is believing" sollten Unternehmen offen sein und ihre Prozesse zeigen. 25 Prozent der 16- bis 24-Jährigen in Großbritannien wollen Werbung mit Informationen über die Nachhaltigkeitsanstrengungen der Markenartikler sehen. Anstatt nur Vergleichszahlen zu Industriestandards aufzulisten, bietet das US-Unternehmen Reformation beispielsweise Produktionsführungen an, bei denen Besucher genau sehen können, wie viel Wasser zum Einsatz kommt und wie viel CO2 beim Herstellen eines bestimmten Kleidungsstücks zum Einsatz kommt.

Möglichkeiten der Papierindustrie

Jahr für Jahr steigt der Papierkonsum in Europa. Doch die Industrie könnte darüber hinaus sogar noch ambitionierter werden und aufzeigen, was über den aktuellen Standard hinaus mit Papier möglich ist. So gibt es Beispiele von Unternehmen, die voll recyclefähige Möbel aus Papier anbieten, Pellets aus Toilettenpapier im Straßenbau einsetzen, Replika-Brillengestelle aus Pappe anbieten oder Zigarettenfilter entwickeln, die Pflanzensamen enthalten.

Die Papierindustrie kann als „saubere" Industrie wahrgenommen werden. Mit einer stetig nachhaltiger betriebenen Forstwirtschaft voller Sauerstoff-produzierender Bäume basiert Papier nicht nur auf einer nachhaltigen Ressource, sondern ist ein positiver Beitrag zum Umweltschutz.

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