Malte Biss

Malte Biss, Gründer und Geschäftsführer von Flustix. (Bild: Flustix)

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(Bild: Flustix)

neue verpackung: Herr Biss, mit Anpassungen der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU will die Europäische Union für Verbraucher irreführende Informationen bezüglich der Nachhaltigkeit bestimmter Produkte und/oder ihrer Verpackungen unterbinden. Nun ist Greenwashing in den vergangenen Jahren ein gern genutzter Kampfbegriff geworden. Aber gibt es eigentlich eine klare Linie, bei deren Überschreiten sich Unternehmen dem Greenwashing schuldig machen?
Malte Biss: Die Nivellierung der EU-Verbraucherschutzverordnung gibt erstaunlich klare Vorgaben zur Vermeidung von Greenwashing vor. Klar wird der Begriff in der Branche immer präsenter, es springen ja auch immer mehr auf das Thema an. Allerdings wird die Brisanz des Themas getragen von einer zweiten EU-Studie: Die jüngste Studie der EU-Kommission zu Greenwashing ergab, dass von 150 geprüften Umweltaussagen zu verschiedenen Produkten 53,3 % vage, irreführende oder unbegründete Informationen über die Umwelteigenschaften der Produkte aussagen – sowohl in der Werbung als auch auf dem Produkt selbst. Das will die EU in Zukunft noch strenger verhindern. Ein Maßnahmenkatalog soll Verbraucher gezielt vor Greenwashing schützen: Falsche Werbeversprechen hinsichtlich ökologischer und sozialer Auswirkungen, zur Haltbarkeit oder Reparierbarkeit eines Produkts sollen verboten werden. Hier vier Beispiele dazu:

Kommunikation toller Absichten: Unternehmen werben mit vagen Umweltversprechen in der Zukunft, die gar keine klaren und überprüfbaren Verpflichtungen und Ziele beinhalten, oder kein unabhängiges Überwachungssystem aufweisen.

Selfmade-Siegel: Auf Produkten wird mit einem eigenen Nachhaltigkeitssiegel geworben, das nicht auf einem Zertifizierungssystem beruht oder nicht von staatlichen Stellen festgesetzt wurde.
Beispiel: Die ganzen „Mikroplastikfrei-Etiketten“ der großen Retailer werben seit einigen Jahren mit Aussagen wie „Rezeptur ohne Mikroplastik“ bei Waschmitteln und Kosmetikprodukten. Klingt super, aber Details und Aussagen dieser vermeintlichen Siegel sind für Verbraucher kaum nachvollziehbar, denn es gibt weder unabhängige Tests noch gibt es irgendwelche unabhängige Bewertungen der Produkte durch Dritte.

Grünes Geschwafel: Das Produkt wird mit Umweltaussagen beworben, bei denen die hervorragende Umweltleistung des Produkts oder Unternehmers gar nicht nachgewiesen werden oder nachgewiesen werden kann. Hier eine kleine Auswahl an Beispielen aus der Verordnung: „umweltfreundlich“, „umweltschonend“, „grün“, „naturfreundlich“, „umweltgerecht“, „klimafreundlich“, „umweltverträglich“, „CO2-freundlich“, „CO2-neutral“, „CO2-positiv“, „klimaneutral“, „energieeffizient“, „biologisch abbaubar“, „biobasiert“.

Geh aufs Ganze: Umweltaussagen werden zum gesamten Produkt getroffen, obwohl sie sich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts beziehen. Praxisbeispiel: Eine Shampooflasche ist deklariert als „100 % recyclingfähig“ oder „aus recyceltem Material“ – dabei ist nur der Deckel gemeint, assoziiert wird aber die gesamte Flasche.

 

neue verpackung: Auf festgestellte Schuld folgt in aller Regel Strafe. Was droht also Unternehmen, die auch weiterhin auf irreführende Umweltaussagen setzen?
Biss: Da sich die Novellierung der Verordnung derzeit noch im Status des Referentenentwurfes befindet, ist es noch offen, welches Strafmaß bei Missachtung angesetzt werden wird. Am Beispiel der Single-use Plastics Directive (SUPD) wurde zuletzt klar und deutlich, dass die EU bei Themen rund um Verbraucher- und Umweltschutz sehr entschlossen und zielorientiert Entwürfe inhaltlich durchwinkt und konsequent in die Praxis umsetzt. Ich rechne damit, dass es ähnlich wie bei der SUPD gelagert sein wird, bei welcher ein Verstoß bußgeldbewehrt ist. Verstöße können demnach als Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 Euro geahndet werden, wobei der Vollzug Ländersache ist. Aber was ist eine Geldstrafe schon gegen den immensen Imageverlust, der eine Marke ereilt, sobald man beim Greenwashing ertappt wurde?

neue verpackung: Nun agiert der Großteil der Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit nach bestem Wissen und Gewissen. Welche Möglichkeit haben diese, ihre Bemühungen ihren Kunden gegenüber auch künftig zu kommunizieren, ohne plötzlich unverhofft ein Schreiben vom Anwalt im Briefkasten vorfinden zu müssen?
Biss: Ja, grundsätzlich haben mittlerweile bestimmt beinahe alle Akteure das Thema für sich erkannt und den Fokus auf Umwelt, Natur und Mensch gelegt. Nur, gut gemeint ist nicht immer gut gemacht, wie die jüngste EU-Studie mit 53,3 % vagen, irreführenden oder gar unbegründeten Umweltaussagen es bestätigt. Aus dem Grunde will die EU jetzt ja regulieren, dass nur unabhängige Stellen solche Aussagen bestätigen, so wie Flustix es mit seinem Partner DIN Certo (TÜV Rheinland) und weiteren akkreditierten Laboren, unter anderem die Wessling Gruppe, praktiziert.
Da nicht jedes Greenwashing beabsichtig ist, sondern auch mal ein Irrtum zugrunde liegt, ist es besser, sich auf echte Zertifizierungen zu verlassen, anstatt selbst eine Behauptung zu kreieren und/oder ein eigenes Siegel, ohne jegliches Fundament zu nutzen. Eine gute Vorlage für die bevorstehende Regulierung ist sicher die Health Claiming Verordnung von 2006, die hat sich in der Praxis bewährt.

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