Paket auf Band in Verpackungslinie.

Ob Neuinstallation oder Retrofit: Energiemanagementsysteme sollten in keiner Verpackungslinie fehlen. (Bild: Open AI/Dall-E)

neue verpackung: Herr Mair, welche Rolle spielt Energiemanagement in der Verpackungsindustrie?
Peter Mair: Energiemanagement beginnt schon bei der Produktion des Verpackungsmaterials und dem daraus resultierenden CO2-Fußabdruck. Wir bieten unseren Kunden beratende Unterstützung durch ein Ökosystem, das es ermöglicht, das Verpackungsdesign hinsichtlich CO2-Reduktion zu optimieren. Dies betrifft nicht nur das Material selbst, sondern auch die gesamte Stückliste der Verpackung. Mit Softwarelösungen unterstützen wir unsere Kunden dabei, CO2-Modellierungen durchzuführen und den CO2-Fußabdruck im Designprozess zu berücksichtigen. Darüber hinaus erstreckt sich unsere Beratung auf die Logistik und den Produktionsbereich, um eine ganzheitliche CO2-Kalkulation zu ermöglichen. Ein weiterer Bereich ist die Weiterentwicklung und Optimierung der Maschine selbst, also wo können wir im Design der Maschine und deren verwendeten Materialien eine Optimierung des CO2-Fußabdrucks erreichen.

neue verpackung: Können Sie konkrete Beispiele nennen, wie dies umgesetzt wird?
Mair: Natürlich: Kunden haben zunehmend Anforderungen an Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion. Maschinenbauunternehmen bieten wir Automatisierungs- und Energiemanagementlösungen an, die diese Nachhaltigkeitsaspekte einbeziehen. Beispielsweise machen wir den CO2-Fußabdruck und die Energiedaten messbar und unterstützen das Design der Maschinen und des Verpackungsmaterials für Recycling.

Darüber hinaus haben wir Partner wie Kezzler aus Norwegen und Circulor, mit denen wir die Materialverfolgbarkeit gewährleisten können – ein Konzept, das sich bereits in der Bekleidungsindustrie beziehungsweise Batterieindustrie bewährt hat. So können wir nicht nur den Produktionsprozess, sondern auch den Lebenszyklus eines Produkts nachverfolgen – also eine Lebenszyklusanalyse (LCA) durchführen.

neue verpackung: In Europa wurde in den letzten Jahren wegen regulatorischer Unsicherheiten oft auf Neuinvestitionen verzichtet. Es geht also oft um Retrofit-Lösungen. Ist das auch Ihre Wahrnehmung?
Mair: Retrofit-Lösungen sind in der Tat unser täglich Brot geworden. In diesen Projekten geht es oft darum, bestehende Maschinen, die zum Beispiel keine Energiemessung integriert haben, nachzurüsten – und das ohne große Investitionen. Wir bieten hierfür Energiemanagementlösungen an, die mit Messsystemen kommunizieren und Energiemessungen für ganze Produktionswerke ermöglichen. Diese Lösungen sind Stand der Technik, kostengünstig und lassen sich ganz klassisch verkabelt oder auch drahtlos über 5G integrieren.

Eine detaillierte Messung und Auswertung kann dann, je nach Messsystem und damit erreichbarer Auflösung, auch Anomalien wie Schwingungen im Stromverbrauch erkennen und dann sogar zu komplexeren Analysen wie Predictive Maintenance oder die Kontextualisierung der produktspezifischen Energieverbräuche oder den CO2-Fußabdruck pro Produkt genutzt werden – also eine richtige Industrie-4.0-Lösung.

neue verpackung: Um Maschinenbetreiber zu motivieren: Was sind die berühmten Low hanging fruits, die Unternehmen mit geringen Investitionen tätigen können, um einen schnellen Return on Investment (ROI) zu erzielen?
Mair: Ein naheliegender erster Schritt ist die Implementierung von Energiemessungen, um den aktuellen Zustand zu erfassen und Stromverbraucher zu identifizieren. Neben Strom sollte man aber auch andere Energiequellen wie Wasser, Gas und Druckluft berücksichtigen, denn gerade im diskreten Fertigungsbereich macht Druckluft oft einen Großteil des Energieverbrauchs aus. Die Kontextualisierung mit Produktionsdaten und Produktinformationen ermöglicht weitere Erkenntnisse zur Einsparung und Optimierung. Die Identifizierung solcher Energieeinsparpotenziale kann durch KI-Algorithmen weiter optimiert werden, was letztlich die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens steigert.

Zitat

Ein naheliegender erster Schritt ist die Implementierung von Energie­messungen

neue verpackung: Um kurz beim Thema Geld zu bleiben: Gibt es staatliche Förderprogramme oder Anreize, die Maschinenbauer bei der Reduktion des CO2-Ausstoßes unterstützen?
Mair: Ja, es gibt sowohl staatliche als auch EU-weite Förderprogramme, die sich oft mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit beschäftigen, und auf die Unternehmen zurückgreifen können.

Natürlich unterstützen wir unseren Kunden auch dabei, durch Digitalisierung neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die Synergieeffekte erzeugen und somit Umsatzströme generieren, was langfristig viel attraktiver ist.

neue verpackung: Und wie wird Künstliche Intelligenz (KI) bei Rockwell Automation sonst noch eingesetzt?
Mair: KI ist bei uns keine Blackbox, sondern eine greifbare Realität. Darum setzen wir KI in verschiedenen Projekten ein, sowohl  im Bereich Engineering und Entwicklung, Produktion und Fertigungsprozesse, als auch auf den unterschiedlichsten Ebenen, vom Devise, wo unser Guardian AI zum Tragen kommt, über den Kontroller, den maschinennahen Einsatz, wie Machine Vision, oder Softsensing, KI-basierendes Design & Emulation, KI-basierende Kon­trollmethoden, Energie Modellierung und Optimierung, Prädiktive Instandhaltung, Anfahroptimierung von Maschinen und Produktionsplanungsoptimierung mittels KI und Algorithmen – um nur einige zu nennen. Diese Basis gibt uns die Möglichkeit, mit dem Kunden von der Automatisierung bis zu autonomen Prozessen einen gemeinsamen Weg zu gehen.

Dabei wird die KI durch Unterstützung unserer Data Scientists in der IT-Cloud richtig trainiert und im Anschluss in die entsprechenden Bereiche, Devices, SPS, oder Maschinen PC, also die Maschine geladen. Dementsprechend kann sie bei Bedarf ohne direkte Netzanbindung in Betrieb sein, was je nach vorhandener Infrastruktur wichtig sein kann.

neue verpackung: Welche Entwicklungen sehen Sie zukünftig in der Automatisierungstechnologie, die weitere CO2-Reduzierungen ermöglichen könnte?
Mair: Ein großer Trend ist die Digitalisierung, beispielsweise durch den Einsatz von digitalen Zwillingen. Sie ermöglichen es, virtuelle Modelle von Maschinen zu betreiben, Energieoptimierung und CO2-Reduzierungen zu simulieren und zu emulieren sowie ihre Leistung mit der realen Produktion abzugleichen. Solche Technologien gewährleisten nicht nur neue Optimierungsmöglichkeiten der Produktionsprozesse, sondern auch eine Optimierung des Designs, des Verhaltens der Anlage und somit die Reduzierung des Energieverbrauchs sowie des CO2-Bedarfs.

Die Fragen stellte Philip Bittermann, Chefredakteur neue verpackung

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