Manch ein Kunde hyperventiliere regelrecht „Wir wollen jetzt online machen", berichtet Nicolas Eilken, Managing Director von Eilken Brand Building & Design. Und fügt dann hinzu: „Fairerweise muss man aber auch sagen: das Thema ist nicht einfach ein Trend, sondern wirklich wichtig." So viel steht schon heute fest: Die Welt – auch die des Designers – wird sich in den nächsten zehn bis 20 Jahren definitiv verändern. Eigentlich hat sie sich bereits verändert. Beispiel gefällig? Im Jahr 2002 erschien der dystopisch angehauchte Film Minority Report. Zumindest aus Sicht all derer, die sich mit Verpackungen auseinandersetzen, war der eigentliche Star des Films nicht Tom Cruise, sondern eine sprechende Cornflakes-Schachtel. Heute ist so etwas bereits nicht mehr Science-Fiction, sondern „nur noch" Science. Der technologische Fortschritt lässt sich auch gut an etwas messen, das mittlerweile fast jeder in seiner Hosentasche trägt: ein modernes Smartphone hat 50 Millionen mal mehr Rechenpower als der Computer, mit dem die Nasa im Jahr 1969 auf dem Mond landete.
Design auf Knopfdruck?
Diese Entwicklungen haben natürlich auch Auswirkungen auf die Arbeitswelt, und so werden künftig wohl vor allem monotone Jobs, wie klassische Verwaltungsaufgaben, immer mehr von Computern übernommen werden. Allerdings nicht nur. So war kürzlich zu lesen, dass der Onlinehändler Zalando 250 Marketeers ersetzen wird; durch Algorithmen und KI. Und was bedeuten diese Entwicklungen für Designer? Deren Jobs werden nicht zwingend wegrationalisiert, doch gibt es einen Trend hin zur Dezentralisierung: Statt dass Unternehmen gezielt eine Agentur ansprechen, haben sie mittlerweile die Möglichkeit, über Freelancer-Portale, wie Fiverr und 99 Designs, Aufträge grenzüberschreitend auszuschreiben und sich das beste Angebot auszusuchen. Was in der Realität nicht selten in Dumpingpreisen endet. Aber auch vollautomatisierte Varianten gibt es mittlerweile: Auf Portalen wie Tailor Brands kann der Anwender den Namen seines Produkts oder Unternehmens eingeben, ein paar kurze Fragen beantworten und erhält dann automatisch generierte Designvorschläge. „Wirkliche Individualität ist mit solchen Tools natürlich nicht möglich, da sie alle auf einem Baukastenprinzip basieren", kommentiert Eilken.
Solche Tools haben aber dennoch ihre Daseinsberechtigung und werden wohl künftig von Designern aus Fleisch und Blut bei ihrer täglichen Arbeit zum Einsatz kommen, wie es heute auch schon der Fall mit Suchmaschinen und Bilderdatenbanken der Fall ist. Dass „richtige" Designer in absehbarer Zeit obsolet werden, glaubt Eilken hingegen nicht, denn noch immer sei für den Auftraggeber die soziale Interaktion mit dem Designer wichtig, dessen Flexibilität und die durch die persönliche Zusammenarbeit entstehende Vertraulichkeit. Denn ein guter Desiger, so Eilken, verwaltet den ästhetischen Anspruch des Kunden, für den er über die Zeit ein Bauchgefühl entwickelt.
Onlinehandel: Freund oder Feind?
Die technologischen Entwicklungen haben aber nicht nur Auswirkungen auf den eigentlichen Designprozess, sondern verändern auch massiv das Einkaufsverhalten – was sich dann aber auch wieder im entsprechend angepassten Verpackungsdesign widerspiegeln muss. Beispiel Amazon Go: Hier kauft der Kunde ein, ohne die Waren an einer Kasse einscannen zu müssen. Stattdessen verfolgt ein an der Decke des Ladengeschäfts installiertes Kamerasystem die Bewegungen der Einkäufer, erkennt wenn eine Person etwas aus dem Regal nimmt und erfasst das Produkt anhand der Verpackungsform – klassische Strich- oder QR-Codes haben hier bereits ausgedient.
Die massivste Veränderung der Einkaufswelt ist allerdings die bereits seit vielen Jahren laufende Verschiebung hin zum Onlinehandel. In den USA herrscht gerade das große Mall-Sterben; Experten gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2023 die Hälfte aller großen Malls geschlossen sein wird. Und auch hierzulande steht der Einzelhandel unter Druck, und so prägen in vielen vor allem kleineren Städten mittlerweile leer stehende Schaufenster geschlossener Ladengeschäfte das Bild.
Allerdings verschiebt sich das Einkaufserlebnis künftig nicht zwingend komplett in die digitale Welt, das zeigen Beispiele wie der bereits erwähnte Flagship-Store von Amazon. Denn was der virtuelle Einkauf, selbst wenn er mit einer VR-Brille erfolgt, dem Kunden nicht bieten kann, ist das haptische Erlebnis im First Moment of Truth. Und so adaptieren die klassischen Ladengeschäfte und gehen über zu Omnichannel. In diesem Vertiebsmodell ist der Onlinehandel nicht mehr seine Konkurrenz, sondern sein verlängerter Arm. Frei nach dem Prinzip „Schau dir das Produkt im Laden an und kauf es dann in unserem Webshop" – oder auch andersherum. Ein anderes Modell verfolgt das durch seine Staubsauger bekannt gewordene Unternehmen Dyson: Der Hersteller unterhält in London einen Showroom, in dem Interessierte die Produkte ansehen und anfassen sowie Informationen erhalten können. Der Verkauf erfolgt aber ausschließlich online. Für Designer wie Nicolas Eilken führt das dazu, dass erste Kunden bereits für ihre Produkte zwei verschiedene Designs ordern: eines für das Regal im Laden und eines für den Onlinehandel.
Nachhaltigkeit? Frag mal den Chef!
Wenn ein Konzern wie Coca-Cola verlautbart, bis zum Jahr 2030 nicht weniger als 100 Prozent seiner Verpackungen wieder einsammeln zu wollen, dann zeigt dies, welchen Stellenwert das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile für Unternehmen hat. Und dieser hohe Stellenwert geht natürlich auf die Ansprüche der Kunden zurück. Denn auch wenn es für die Verpackungsbranche nicht schön ist: Für die meisten Konsumenten ist das Wort „Verpackung" nur eine Abkürzung für „Verpackungsmüll". Das stellt Unternehmen und Designer vor eine Herausforderung, ist es doch die Verpackung, mit der der Kunde noch vor dem eigentlichen Produkt in Kontakt kommt. Und da die durchschnittliche Kaufentscheidung binnen 2,4 Sekunden fällt, muss die Überzeugungsarbeit hier schneller passieren als ein Porsche Turbo für den Sprint von 0 auf 100 km/h braucht.
Wie nachhaltig eine Verpackung in dieser Zeit auf den Kunden wirkt, kann also unmittelbare Auswirkungen auf den Umsatz eines Unternehmens haben. Und wenn es um Geld geht, ist der Chef gefragt, argumentierte Micha Goes, Gründer und Geschäftsführer von Pacoon, auf dem Packaging Summit in München. Heute sei es leider noch häufig so, dass die Verpackung erst an letzter Stelle des Entwicklungsprozesses für einen Marketeer steht, also lange nach Marketingstrategie, Kommunikation, Social-Media-Konzepten und weiterem.
Idee gelungen – und die Umsetzung?
Im Grunde liegen die Vorteile pro Verpackung auf der Hand. So lässt sich beispielsweise die Haltbarkeit von Lebensmitteln deutlich verlängern, bei Weintrauben sogar um den Faktor 10. Auf diese Weise lässt sich der Foodwaste deutlich reduzieren. Die Fragestellung für Unternehmen und Designer lautet allerdings nicht nur: Wo ergibt Verpackung Sinn? Sondern viel schwieriger: Wie kann ich diesen Sinn kommunizieren?
Als gutes Beispiel führt Goes Kaufland auf: Die Handelskette führte vor einiger Zeit faire Arbeitskleidung ein und gab in einem ersten Schritt 24 Millionen Kleidungsstücke aus – worauf die Gesamtmenge an in Deutschland verkaufter Fairtrade-Baumwolle schlagartig um ein Viertel anstieg. Ein weiteres Beispiel, wie Nachhaltigkeit am Point of Sale funktioniert, kommt von Rewe: Die Supermarktkette bot Bio-Äpfel in einer Graspapier-Verpackung an. „Solche Konzepte versteht und nimmt der Kunde an", kommentiert Goes. Oder formuliert: Jedes nachhaltige Konzept, das nicht gekauft wird, ist ein schlechtes nachhaltiges Konzept.
Wie es nicht geht, das konnte die Industrie vor ein paar Jahren bei Danone beobachten: Das Unternehmen führte damals einen Joghurtbecher aus PLA ein, einem auf Mais basierten Biokunststoff, der als umweltfreundlich beworben wurde. Nachdem aber eine – von Danonen beauftrage – Studie des Ifeu-Instituts zum Schluss kam, dass die Umweltbilanz der Becher nicht besser war als die solcher, deren Kunststoff aus Erdöl entstand, wurde dem Unternehmen Greenwashing vorgeworfen. Goes Fazit und Empfehlung daher: „Nicht immer die 100-Prozent-Lösung suchen." Wie man seine Ziele richtig setze, zeige beispielsweise Lidl: Die Handelskette will bis zum Jahr 2025 ihren Plastikmüll um 20 Prozent reduzieren. Das mag vielleicht nicht so beeindruckend klingen wie das Versprechen von Coca-Cola – dafür aber realistischer.
Für Sie entscheidend
Der Packaging Summit
Am 14. März 2018 veranstalteten die Zeitschriften „neue verpackung" und „werben & verkaufen, den ersten Packaging Summit im Hochhaus des Süddeutschen Verlages. Unter den Referenten fanden sich Vertreter gewichtiger Markenartikler wie dm und Mymüsli, aber auch Lösungsanbieter, wie Wipak Walsrode, die STI Group sowie Eilken Brand Building & Packaging Experts, kamen zu Wort. Themen und Referenten waren gut gewählt, und so konnte der Packaging Summit gleich zur Premiere mehr als 80 Teilnehmer verzeichnen, die die Möglichkeit zur Diskussion mit den Referenten und auch untereinander in den Pausen rege nutzten. Die Rückmeldungen von Referenten und Teilnehmern waren so positiv, dass heute bereits eines feststeht: Im April 2019 findet der Packaging Summit erneut statt.