
Aufgrund ihrer komplexen Lieferketten spielen Verpackungen in der Automobilindustrie eine wichtige Rolle. (Bild: OpenAI / Dall-E)
Während die Automatisierung die Automobilproduktion und -logistik immer effizienter macht, werden herkömmliche Verpackungslösungen zu einem regelrechten Nadelöhr. Denn mit der Einführung automatisierter mobiler Roboter (AMRs), robotergestützter Kommissionierungssysteme und sich weiterentwickelnder automatisierter Technologien, die die manuelle Handhabung ersetzen, erweisen sich herkömmliche Verpackungslösungen als unzureichend und behindern Fortschritte bei der Effizienz.
Infolgedessen sind OEMs und Zulieferer gezwungen, ihre Verpackungsstrategien zu überdenken und als Möglichkeit zu sehen, die Effizienz steigern, Kosten senken und die Nachhaltigkeit zu verbessern. Dieser Wandel erfordert neue Materialien, standardisierte Designs und einen stärker integrierten, übergreifenden Ansatz zwischen Verpackungs-, Logistik-, Einkaufs- und Automatisierungsteams.
Warum die Verpackung die Logistik (aktuell) behindert
Das Hauptproblem bei Verpackungen in der automatisierten Logistik ist das Auspacken der Teile. Werden Teile im Werk angeliefert, sind sie in der Regel in Schutzhüllen wie Plastiktüten oder korrosionsbeständige Materialien eingewickelt, insbesondere wenn sie besonders zerbrechlich sind oder aus Übersee kommen. Während ein Mensch diese auspacken und die verschiedenen Teile innerhalb der Schichten leicht identifizieren kann, sind Roboter und AMRs dazu noch nicht in der Lage, was auf dem Weg zur vollständig autonomen innerbetrieblichen Logistik ein Problem darstellt.
Dies kann zu höheren Kosten und unnötigem Umpacken – sprich: zu Ineffizienzen – führen. Die fehlende Standardisierung von Verpackungen in der Automobilindustrie erschwert diese Situation zusätzlich. Die Zusammenarbeit mit Zulieferern bei der roboterfreundlichen Umgestaltung von Verpackungen könnte also einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil darstellen.
Bei vielen der derzeitig eingesetzten Verpackungen handelt es sich eher um veraltete Lösungen als um erforderliche oder strategische Lösungen. Manche Teile werden zwar nur über eine kurze Strecke transportiert, aber so verpackt, als würden sie international verschickt. Die Bewertung des Bedarfs an Schutzverpackungen kann auch unnötige Schichten beseitigen, um Kosten, Abfall und Handhabungszeit in automatisierten Anlagen zu reduzieren.
Überdenken von Sonderlösungen für Flexibilität
Die Schaffung von Sonderbehältern könnte die Effizienz der innerbetrieblichen Logistik verbessern. Wird beispielsweise ein Behälter mit Fächern ausgestattet, die in einem bestimmten Abstand zueinander stehen, können Roboter die dort gelagerten Teile erkennen und aus jedem Behälter entnehmen. Allerdings ist diese Option nicht sonderlich skalierbar. Ein Erstausrüster könnte einige Tausend dieser kundenspezifischen Behälter für bestimmte Teile einsetzen. Was aber auch heißen würde, dass bei einem Modellwechsel die dann neuen Teile nicht mehr in die maßgefertigten Behälter passen – und damit auf einen Schlag Tausende von überflüssigen Behältern übrig blieben.
Selbst wenn ein Erstausrüster die Kosten für die Nachbestellung von Sonderbehältern alle paar Jahre senken würde, gibt es noch die Herausforderung des Platzes in der Fabrikhalle. Genauer: in den Gängen. Denn mit der zunehmenden Verbreitung von AMRs werden die Wege, die sie befahren, zu wichtigen Überlegungen in der innerbetrieblichen Logistik. Sollen beispielsweise zwei AMRs in einem Gang aneinander vorbeifahren können, muss die Breite der Behälter schmal genug sein, um dies zu ermöglichen. Eine Verkleinerung der Behälter reduziert aber die Menge der Teile, die die AMRs transportieren können, und verringert damit den Effizienzgewinn.
Modulare und wiederverwendbare Verpackungen
Angesichts kürzerer Produktzyklen von Fahrzeugen, die zum Teil auf Angebots- und Nachfrageverschiebungen zwischen ICE-, Hybrid- und EV-Produktion zurückzuführen sind, können kundenspezifische Behälter schnell veraltet sein. Daher sollten OEMs und Zulieferer in modulare, wiederverwendbare Behälterdesigns investieren, die für verschiedene Teile neu konfiguriert werden können, anstatt sich auf kundenspezifische Lösungen mit kurzer Lebensdauer festzulegen.
Ein weitere Herausforderung ist, dass die Toleranzen von Behältern und Regalen oft zu gering sind, um eine Automatisierung zu unterstützen. Die automatische Programmierung der Anzahl der Teile in einem Behälter oder Regal könnte zu Überladung oder falscher Beladung führen, insbesondere wenn die zu ladenden Teile in verschiedenen Mustern und Kombinationen konfiguriert sind, damit sie sicher passen, was zu teuren Schäden an den Teilen führen könnte.
Die Lösung dieses Problems liegt in der Investition. Die Entwicklung robotertauglicher Verpackungen erhöht die Kosten zwar kurzfristig, was zum Teil auf engere Toleranzen und höhere Fertigungspräzision zurückzuführen ist. Aber jetzt mehr in das Verpackungsdesign zu investieren, könnte sich langfristig auszahlen und OEMs und Lieferanten einen Vorsprung vor der Konkurrenz verschaffen.
Verbesserung der Verpackungsstrategie
Aus technischer Sicht besteht der erste Schritt für einen OEM, um einen strategischen Vorteil durch die Verpackung zu erlangen, darin, die Verpackungsrichtlinien für eingehende Materialien zu überprüfen. Auf diese Weise machen Automobilhersteller ihren Zulieferern Vorgaben und Grenzen für ihre Verpackungsdesigns. Hier ist eine enge Zusammenarbeit mit den Zulieferern zu einem möglichst frühen Zeitpunkt für die gesamte Lieferkette von Vorteil und kann dazu beitragen, die Nachhaltigkeit zu verbessern, Abfall zu reduzieren und die Kompatibilität mit autonomen Werkzeugen zu erhöhen.
Digitale Tools wie Bestandsverwaltungssysteme und Lagerverwaltungssysteme können bei der Planung konsistenter und vorhersehbarer Verpackungslösungen helfen, die mit der Automatisierung kompatibel sind. Doch damit dies funktioniert, müssen die sprichwörtlichen Silos innerhalb der OEMs und Zulieferer aufgebrochen werden.
Die Einführung eines Verpackungsfreigabeverfahrens und eines lokalen elektronischen Systems zur Speicherung der erhaltenen Daten kann dazu beitragen, Informationen abteilungsübergreifend auszutauschen und diese Silos aufzubrechen. Denn solche Daten können den verschiedenen Abteilungen dabei helfen, die effizientesten Linien, Transporte, Lagerhaltung und Automatisierung zu entwickeln. Die gleichzeitige Einrichtung von Produktions- und Aftermarket-Lösungen kann diese Effizienz noch weiter steigern.
Dies kann auch zu einer stärkeren Standardisierung der Verpackungen in den verschiedenen Werken und in der gesamten Lieferkette beitragen. Und wenn mehrere Werke einheitliche Verpackungsformate verwenden, wird es einfacher, automatisierte Lager-, Bereitstellungs- und Transportsysteme zu implementieren.

Der Einsatz digitaler Tools und die Zusammenarbeit mit den Zulieferern können auch dazu beitragen, menschliche Fehler zu korrigieren, die bei alten Verpackungen gemacht wurden. Bei Volvo Cars konnte man durch die Beseitigung von Rundungen, die bei Teilebestellungen und Verpackungen üblich sind, einen schnellen Erfolg erzielen wie Sean Bricknell, globaler Leiter der Inbound-Logistik und Verpackung bei Volvo Cars, erklärt: „Wenn Sie in ein Werk gehen und eine zufällige Kiste mit Teilen in die Hand nehmen und sich ansehen, wie hoch die Stückzahl ist, endet die Zahl sehr oft mit einer Null oder einer Fünf, weil es in der menschlichen Natur liegt, sie aufzurunden. So kann es sein, dass in einer Kiste mit 25 Teilen in Wirklichkeit 27 oder 29 enthalten sind.“
Wenn man einem Karton 10 % mehr Teile hinzufügt, könnte man die Anzahl der in einem Werk ankommenden Kartons um 10 % verringern, was wiederum zu einer 10 %igen Verringerung der Zahl der Lastwagen und zu einer 10 %igen Verringerung der CO2-Emissionen führen könnte.
Während die Lösung in der Theorie einfach ist, ist sie in der Praxis zeitaufwändig, da jede Verpackungsanweisung für jedes Teil geändert und anschließend getestet werden muss, um sicherzustellen, dass das Hinzufügen weiterer Teile diese nicht beschädigt oder die Qualität beeinträchtigt. Die Änderungen müssen mit den Lieferanten ausgehandelt und vereinbart werden. Aber wie Bricknell kommentiert: „Wenn man sich nicht aktiv darum bemüht, wird es einfach nicht passieren.“ Selbst wenn man diesen Prozess mit nur einer Art von Bauteil beginnt, kann dies zu einem effizienteren und nachhaltigeren Betrieb beitragen.
Wie Digitalisierung Verpackungen effizienter macht
Viele Werke und Einrichtungen in der Automobilzulieferkette stehen vor dem Problem, dass riesige Stapel leerer Behälter wertvollen Platz beanspruchen. In einigen Fällen halten die Werke mehr Behälter vor als nötig, was zu Ineffizienzen führt.
Eine Möglichkeit, dieser Herausforderung zu begegnen, ist der Einsatz digitaler Werkzeuge wie künstliche Intelligenz (KI), wie sie BMW in seinem Werk Dingolfing in Deutschland praktiziert.
Im Rahmen einer Partnerschaft zwischen dem BMW Group Werk Dingolfing und der Hochschule Landshut haben Studierende ein innovatives digitales Tool entwickelt, das die Zählung leerer Behälter mithilfe von KI automatisiert und so Zeit spart und Fehler vermeidet.
„Unser Ziel war es, die Leergutzählung so effizient und einfach wie möglich zu automatisieren“, sagt Wolfgang Schratzenstaller, Projektleiter im BMW Group Werk Dingolfing.
Im Werk sind täglich rund 1.600 verschiedene Gebindearten im Umlauf, die bisher manuell gezählt wurden. Mit Hilfe eines Handyvideos der Behälter kann nun die genaue Anzahl pro Behältervariante ermittelt werden, da über den Blocklagerkanälen QR-Codes angebracht sind, die mit einer Datenbank mit Behälterdaten verknüpft sind. Die KI analysiert das Video und errechnet die Anzahl der Container in Echtzeit.
Das System befindet sich derzeit in der Pilotphase, um seine Leistungsfähigkeit zu testen, aber BMW hofft, dass die Lösung skaliert und in Zukunft auch in anderen Bereichen der Werkslogistik eingesetzt werden kann. Es ist auch geplant, den Zählprozess weiter zu automatisieren, indem autonome Smart Transport Robots (STR) zur Aufzeichnung der Videos eingesetzt werden.
Umdenken bei Verpackungen für mehr Nachhaltigkeit
Ein großer Vorteil der Neugestaltung von Verpackungen liegt in den Möglichkeiten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit. Durch die Gestaltung von Verpackungen mit optimaler Packungsdichte und die Optimierung von Behältergrößen und Stapelkonfigurationen kann die Anzahl der benötigten Lkw-Ladungen reduziert werden, was sowohl die CO2-Emissionen als auch die Logistikkosten senkt.
Auch alternative Verpackungsmaterialien könnten zur Verbesserung der Nachhaltigkeit beitragen, zum Beispiel durch den Ersatz von Kunststoffen und anderen umweltschädlichen Materialien durch wiederverwendbare Metallschalen, wie es in Europa in vielen Automobilwerken geschieht. Die Schalen durchlaufen den gesamten Produktionsprozess und machen den Einsatz von Einwegplastik und zusätzliches Handling überflüssig.
Magna verwendet P2Packaging anstelle von Straight-Wall-Containern und Sleeve-Packs anstelle von Standard-Behältern, um die Nachhaltigkeit zu verbessern und die Kosten zu senken. Das patentierte Wellpappendesign von P2, das von Erstausrüstern wie Ford, GM, Tesla, VW und BMW verwendet wird, spart laut P2 53 Hektar Bäume und 372.000 Pfund CO2 pro Jahr und pro Bestellung von 25.000 Boxen und entlastet die Straßen um 58 Lkw pro Jahr.
BMW hat außerdem in Zusammenarbeit mit dem Projekt Oversea-Box die PAL973, eine Einweg-Papierbox, entwickelt. Die Box passt perfekt in einen 40-Fuß-Schiffscontainer, maximiert die Raumnutzung des Containers und bietet optimale Stabilität für den sicheren Transport empfindlicher Komponenten. Der OEM arbeitet derzeit an einem Projekt zur Erforschung des Materialersatzes von Wellpappringen durch 100%iges Recyclingpapier. Das Unternehmen ist überzeugt, dass die PAL973 ein enormes Innovationspotenzial für noch mehr Nachhaltigkeit birgt.
Ein ganzheitlicher Ansatz für Verpackungen als Wettbewerbsvorteil
Erstausrüster und Zulieferer müssen sich davon verabschieden, die Verpackung als Kostenstelle zu betrachten, und sie als strategischen Wegbereiter für Effizienz und Nachhaltigkeit sehen. Durch die Konzentration auf Standardisierung, automatisierungsfreundliches Design, Kostenkontrolle und funktionsübergreifende Zusammenarbeit in der gesamten Lieferkette kann die Verpackung zu einer Schlüsselkomponente einer wettbewerbsfähigen Automobillogistik werden.
Automotive Logistics & Supply Chaine Europe 2025

Das Thema Verpackung spielt in der Automobilindustrie und ihren logistischen Prozessen eine immer größere Rolle – sei es, um mehr Nachhaltigkeit oder mehr Effizienz zu erreichen. Weshalb neue verpackung erstmals Partner der Automotive Logistics & Supply Chain Europe unserer Kollegen von Ultima Media ist, die vom 18. bis 20. März 2025 in Bonn stattfindet.
Alle Infos zur Veranstaltung finden Sie auf der Event-Seite: https://www.automotivelogistics.media/automotive-logistics-and-supply-chain-europe