Für Willi Berresheim, Produktmanager bei Bucher Automation, liegt der Nutzen virtueller Steuerungen auf der Hand: „Eine Entwicklungsumgebung, die Steuerung, Kommunikation, I/Os und Motion-Control-Achsen in Software abbildet – sprich emuliert –, ist nicht mehr abhängig von der Verfügbarkeit der Hardware. Die virtuelle Steuerung kann einfach auf einem PC am Schreibtisch programmiert, getestet und sogar in Betrieb genommen werden. Das spart sehr viel Zeit.“
Vorteile für den Unternehmer
Maschinenbauer sind hierdurch nicht mehr so sehr von Bestellvorgängen und Lieferzeiten für Hardware abhängig. Ebenso wenig von einem lückenlosen Hardware-Projektfortschritt, beispielsweise um Servoachsen testen und in Betrieb nehmen zu können. Hinzu kommt, dass im Projektverlauf oftmals noch nicht entschieden ist, welche der Steuerungsoptionen, Antriebsregler und welcher Antrieb am Ende zum Einsatz kommen wird.
In der physischen Welt ist eine Änderung der Hardware-Komponenten immer ein zeitlicher und finanzieller Verlust. Im virtuellen Modell hingegen sind Modifikationen und Programmtests sofort durchführbar und eine gezielte Beschaffung der Hardware ohne böse Überraschungen möglich. Hierdurch verkürzen virtuelle Steuerungen die Time-to-market einer Maschine. Dazu addieren sich Einsparungen bei der Programmerstellung, den Tests und der Inbetriebnahme.
Steuerung auf dem USB-Stick?
Bucher Automation liefert bei Bestellung seiner virtuellen Steuerungen Jetcontrol-VM lediglich einen USB-Stick. Dort findet sich der Kopierschutz für die Softwarelizenz. Der Kunde kann damit jede beliebige virtuelle Steuerung Jetcontrol-VM von der Bucher-Automation-Homepage herunterladen. Grundsätzlich sind alle Funktionen und die maximale Anzahl an Achsen aktiviert (Jetcontrol 4xx bis zu 24 Achsen, Jetcontrol 9xx Reihe bis zu 128 Achsen).
Der Kunde benötigt nur noch eine VM, auf der die virtuelle Steuerung laufen kann. Der kostengünstige VM-Ware-Workstation-Player bietet genau das. Er kann beispielsweise einen Computer inklusive Betriebssystem in einer virtuellen Maschine simulieren beziehungsweise emulieren. Produktmanager Berresheim erklärt: „Wir verwenden den Player, um darin das Betriebssystem unserer Steuerung auf einem PC zu starten. Der Vorteil: Das Betriebssystem und die Firmware der Steuerung sind zu 100 Prozent identisch mit denen auf der physischen Steuerung. Deshalb ‚fühlt‘ es sich für den Anwender und Programmierer so an, als habe er seine reale Steuerung vor sich. Alle Funktionen laufen genauso ab, wie auf der realen Hardware.“
Programmierung der virtuellen Steuerung
Nach dem Starten des VM-Ware-Players öffnet der Anwender die gewünschte Steuerung, die jeweils als VMX-Datei bei Bucher Automation erhältlich ist, beispielsweise die Steuerung Jetcontrol 440 VM. Diese ist eine Emulation der Hardware-Steuerung Jetcontrol 440 EXT. Das Betriebssystem der Steuerung wird durch Drücken des „Play“-Buttons gestartet. Die Steuerung gibt während der Bootphase Statusmeldungen aus, wie die IP-Adresse, unter der sie erreichbar ist. Am Ende des Bootvorgangs meldet die Steuerung „System running“.
Die Programmierung der Steuerung erfolgt mit dem Bucher-Automation-Tool Jetsym. Dort wählt der Anwender die entsprechende reale Steuerung aus, kompiliert das Programm und überträgt es per Download auf die virtuelle Steuerung. Eine Sicherheitsabfrage verhindert, das Programm auf eine andere Steuerung zu laden. Danach kann das Programm in der virtuellen Steuerung gestartet werden und beispielsweise komplette Achsverbunde und Motion-Befehle getestet, Oszillographen aufgenommen und angezeigt werden, als würden die Achsen real fahren. „Real ist hier nicht ganz korrekt“, bemerkt Berresheim, „denn hier handelt es sich um ideale Achsen beziehungsweise ideale Regler. Es gibt also keine Regelabweichung; die Ist-Position entspricht immer der Soll-Position. Für funktionale Tests ist das aber unerheblich.“
Ist die virtuelle Steuerung neu?
Kenner von Jetsym werden sich erinnern, dass das Tool bereits über einen Emulator verfügt. Dieser diente jedoch nur zum Testen von einfachen STX-Programmen ohne Achsen. Die virtuellen Controller hingegen bieten praktisch alles, was eine reale Steuerung auch bietet: Register, Motion-Control-Befehle (MCX Motion Control Extended), Oszilloskop-Funktion, sämtliche TCP/IP-basierte Kommunikation wie OPC UA (Server und Client), OS-Update, FTP, MQTT und Modbus-TCP. Die virtuelle Steuerung kann also auch mit externen Teilnehmern kommunizieren. So lässt sich beispielsweise der Datenaustausch via OPC UA zwischen einer (virtuellen oder real vorhandenen) Drittanbieter-Steuerung als Server und einer Jetcontrol-VM als Client oder umgekehrt testen. Solche Tests waren bislang nur mit Hardware möglich. Und dazu musste auch die richtige Ausbaustufe beziehungsweise Variante der Steuerung zur Verfügung stehen.