Professor Dr.-Ing. Bernd Finkemeyer, FH Kiel, und Sabine Hipp, Macio.

Professor Dr.-Ing. Bernd Finkemeyer, FH Kiel, und Sabine Hipp, Macio, möchten auch Laien das Programmieren von Robotern ermöglichen. (Bild: Sönke Schaack)

Kollege Roboter: Im Projekt „Robotics Out Of The Box“ soll es Laien etwa in kleineren Betrieben ermöglicht werden, Roboter zu programmieren. Was war die Triebfeder dafür?
Bernd Finkemeyer: Wir sind Teil des Mittelstand-Digital Zentrum Schleswig-Holstein und führen sehr viele Gespräche mit Mittelständlern. Viele beklagen eine Lücke: Sie erkennen, da ist Automatisierungspotenzial. Aber der Einsatz von Automatisierungstechnik ist für mittelständische Unternehmen häufig noch sehr aufwendig. Die Anwender begeben sich sehr schnell in eine Abhängigkeit von Dritten. Wir wollen mit Robotics Out Of The Box diese Abhängigkeit reduzieren. Robotik wird auch für kleinere Betriebe interessant, wenn man nicht für jede kleine Änderung gleich einen Dienstleister beauftragen muss.

Kollege Roboter: Wie soll das konkret funktionieren?
Finkemeyer: Wir wollen davon wegkommen, dass Anwender dem „Kollegen Roboter“ sagen müssen, wie er etwas im Detail machen muss. Stattdessen sollen sie ihm mitteilen, was er insgesamt machen soll – das Ganze also auf eine höhere Abstraktionsebene bringen.

Kollege Roboter: Wie kann man sich das praktisch vorstellen?
Finkemeyer: Die Idee ist, dass man eine Vielzahl von einzelnen kleinen Fähigkeiten für einen Roboter hinterlegt – ganz ähnlich wie bei Auszubildenden. Auch die lernen, wie man ein Werkstück markiert und viele andere Tätigkeiten. Dementsprechend bringen wir, die Experten, dem Roboter diese vielen einzelnen Fähigkeiten bei. Die Anwender können anschließend diese Fähigkeiten abrufen und in eine Reihenfolge bringen, die zu ihrem individuellen Produktionsprozess passt.

Zur Person: Prof. Dr.-Ing. Bernd Finkemeyer

Prof. Dr.-Ing. Bernd Finkemeyer forscht und arbeitet seit mehr als 20 Jahren auf dem Gebiet der Robotik. Nach einem Studium der Mess-, Regelungs- und Automatisierungstechnik an der TU Braunschweig und Promotion zum Doktor-Ingenieur war Finkemeyer von 2005 bis 2012 beim Roboterhersteller Kuka in Augsburg tätig, zuletzt als Leiter Steuerungsentwicklung im Bereich Forschung und Entwicklung der Kuka Laboratories. Seit Oktober 2012 ist er Professor an der Fachhochschule Kiel im Fachbereich Maschinenwesen.

Kollege Roboter: Die einzelnen Bausteine müssen aber noch richtig platziert werden, es reicht nicht, einen Ausgangs- und Endzustand zu definieren?
Finkemeyer: Ja, das stimmt. Diese Programmierung ist dort angesiedelt, wo klassischerweise in einem Unternehmen die Arbeitsvorbereitung sitzt. Dort wird ebenfalls festgelegt, welche Arbeitsschritte in welcher Reihenfolge notwendig sind.
Wir arbeiten bei Robotics Out Of The Box neben unserem Projektpartner, der Macio GmbH, auch mit einem Pilotkunden zusammen, der Firma Buchholz Hydraulik GmbH, und kooperieren dort ganz konkret mit der Arbeitsvorbereitung. Mitarbeitende mit dem Qualifikationsniveau für die Arbeitsvorbereitung sollen in Zukunft mit unserem System die Roboterprogrammierung vornehmen können.

Kollege Roboter: Viele Roboterhersteller bieten mittlerweile ja das Konzept des Hand-Teachings an. Macht das Ihren Ansatz nicht überflüssig?
Finkemeyer: Nein, ganz und gar nicht. Wenn ich beim Teaching einen Punkt mit der Hand anfahre, ist die Logik dahinter – zu welchem Zweck ich den Punkt anfahre – ja noch nicht beantwortet. Tatsächlich haben wir die Handführung aber auch in unseren Ansatz integriert.

Kollege Roboter: Wie sieht das aus?
Finkemeyer: Bei uns kommt das Hand-Teaching zu einem späteren Zeitpunkt. Wir sagen: Die Ablauflogik macht die Arbeitsvorbereitung, damit ist die Programmierung fertig. Dann geht es in die Arbeitszelle hinein und dort muss bei der Inbetriebnahme dann noch einmal Feinarbeit geleistet werden und das geht mit Funktionen wie der Handführung sehr gut.

Kollege Roboter: Sie setzen in dem Projekt Aktionen in kombinierbare und wiederverwendbare „Bausteine“ um. Sind viele Aktionen nicht zu sehr domänen- oder anwendungsspezifisch und dadurch nicht universell nutzbar?
Finkemeyer: Es gibt natürlich Fähigkeiten, die stark domänenspezifisch sind. Wir hängen unsere Bausteine ja sehr stark an das zu manipulierende Objekt, wie etwa eine Schraube. Die Logik dahinter ist: Was kann der Roboter alles mit einer Schraube machen?
Die Punkte Übertragbarkeit und Wiederverwendbarkeit sind in der Tat noch mit einigem Forschungsaufwand verbunden. Wir müssen herausfinden, wie groß oder klein diese Fähigkeiten umrissen sein müssen, damit der Baustein möglichst allgemein nutzbar ist. Da sind wir noch am Experimentieren, um die passende Granularität herauszufinden.

Kollege Roboter: Ziel des Projektes ist ja, mit dem Kollegen Roboter genauso zu interagieren wie mit menschlichen Kollegen. Heißt das nicht auch, dass man von einer grafischen zu einer sprachbasierten Programmierung kommen muss?
Finkemeyer: Wir haben auch schon mit Spracheingaben experimentiert. Deren Mehrwert ist aber noch nicht deutlich geworden. Für uns ist im Vergleich zu anderen Projekten eines ganz entscheidend: Wir stellen die Nutzer wirklich in den Mittelpunkt. Wir reden mit den Arbeitsvorbereitenden: Was wollt ihr machen und wie wollt ihr es machen? Welche Technologien wir dann zur Umsetzung darunterlegen, das entscheiden wir erst im zweiten Schritt.
Wenn uns beispielsweise ein Nutzer sagt, es wäre toll, wenn ich hier nur ein Sprachkommando abgeben könnte, dann bauen wir das Sprachkommando ein. Nicht weil wir sagen, die Technik ist so weit, sondern weil der Anwender darin einen Vorteil sieht. Aus diesem Grund arbeiten wir auch mit der Firma Macio zusammen, einem Spezialisten für Software und User Interface Design, der seit über 20 Jahren Bediensoftware entwickelt und daher sehr genau weiß, wie Nutzer sinnvoll in die Entwicklung eingebunden werden.
Es wird in jedem Fall eine multimodale Interaktion mit den Nutzern geben. Das wird von der grafischen Eingabe über Gesten und Sprache bis hin zu Augmented Reality reichen.

Kollege Roboter: Wie sieht ein Augmented-Reality-Szenario in diesem Kontext aus?
Finkemeyer: Man möchte in der Entwicklung nicht immer gleich das echte Roboterprogramm abfahren, um etwa zu testen. Stattdessen wird man Entwicklungsschritte in einer Augmented-Reality-Simulation überprüfen können.

Kollege Roboter: ...wann rechnen Sie denn damit, dass Robotics Out Of The Box als Produkt zur Roboterprogrammierung allgemein zur Verfügung steht?
Finkemeyer: Der Fachkräftemangel kommt rasant auf uns zu, ab 2030 wird das richtig gravierend. Das ist ein starker Motivator für uns. Ich gehe davon aus, dass es keine fünf Jahre mehr dauern wird.

Die Fragen stellte Peter Koller aka „Kollege Roboter“, Leitender Redakteur Competence Center Robotik, Verlag Moderne Industrie

Sie möchten gerne weiterlesen?