Daniela Soukup und Silvia Steinert

Daniela Soukup, Expert Corporate Responsibility, und Silvia Steinert, Director Corporate Responsibility, bei Cosnova geben Einblicke in die Arbeit an nachhaltigen Verpackungen im Kosmetikbereich. (Bild: Cosnova)

neue verpackung: Welche Möglichkeiten hat ein Unternehmen, das Kosmetikprodukte herstellt, in Sachen nachhaltige Verpackung?
Daniela Soukup: Wenn wir von Verpackungen reden, geht es nicht ausschließlich um Primärverpackungen. Denn uns ist wichtig, alle Verpackungen und Materialien, die wir in den Verkehr bringen – sei es zum Endkonsumenten oder zu einem unserer Handelspartner –, nachhaltiger zu gestalten. Das schließt auch die Transportverpackungen sowie Aufsteller und Regale in den Verkaufsstellen mit ein.

Wir haben unsere Strategie an der Abfallvermeidungs-Pyramide abgeleitet, das heißt die Materialreduktion ist immer etwas, das man in Betracht ziehen kann, und was auch den größten Effekt hat. Jedes Material, das gar nicht erst produziert wird, hat natürlich den größten Hebel auf die Umwelt.

Unter dieser Prämisse haben wir unser Sortiment gescreent und nach Elementen geschaut, die einen rein dekorativen Charakter haben. Diese wollen wir nun Schritt für Schritt austauschen oder gänzlich weglassen. Beziehungsweise eigentlich genau das nicht, sondern das Produkt im Ganzen neugestalten. Denn wenn man ein Element weglassen würde, sähe es auch weggelassen aus.

Materialreduktion ist aber nur ein Aspekt. Außerdem ist uns wichtig, dass unsere Produkte recyclingfähig sind. Wir denken daher vom End-of-life rückwärts: Was passiert am Ende seines Lebenszyklus mit dem Produkt und mit der Verpackung? Stichwort Design for Recycling. Wir wollen unserer Produktentwicklungsabteilung so viel Know-how wie möglich mitgeben, damit sie dieses bei ihrer Arbeit berücksichtigen können.

Und ja, da haben wir eine Hürde, denn häufig braucht dekorative Kosmetik Applikationshilfen, die für einen Materialmix sorgen, der schwierig zu recyceln ist. Diese Hürde wollen wir schrittweise angehen. Dafür haben wir unsere Verpackungen mit einem externen Experten zusammen gescreent und im Anschluss daraus eine Sortimentsübersicht erstellt, die alle Verpackungsarten aufgeschlüsselt hat. Beispielsweise Tuben aus Kunststoff, Flaschen aus Glas oder Flaschen aus Kunststoff. Aus diesen Einteilungen haben wir eine Leitlinie für die Produktentwicklung abgeleitet mit Eigenschaften, die Verpackungen haben müssen, um recyclingfähig zu sein. Gerade beim Thema Recyclingfähigkeit lernt man nie aus. Egal mit wem man spricht, jeder lernt gefühlt wöchentlich nochmal dazu. In der Verpackungsentwicklung habe ich einen Kollegen, der für die technischen Fragen zuständig ist. Gemeinsam haben wir einmal wöchentlich eine offene Sprechstunde, während der die Produktentwickler jederzeit zu uns kommen und gezielt Fragen zu dem Sortimentscreening oder dem Materialeinsatz von Rezyklat stellen können.

Roter Nagellack von Catrice
Das rPP für die Nagellackkappen stammt von Material aus dem Gelben Sack. (Bild: Cosnova)

Silvia Steinert: Das ist auf jeden Fall – wie wir finden – eine sehr wichtige Aufgabe. Wir haben große Marketingteams, die Produkte konzipieren und keine Verpackungstechniker sind. An dieser Stelle müssen wir versuchen, den Teams Leitfäden oder auch das entsprechende Mindset mitzugeben, dass der Moment der Produktentwicklung ein total wichtiger ist, um das weitere Leben eines Produktes zu steuern. Deshalb finde ich diese Sprechstunde eine gute Sache, um das Thema auch in den Marketingköpfen immer weiter voranzubringen. Und die Sprechstunden werden gut besucht.

Soukup: Eine weitere Möglichkeit für nachhaltige Kosmetikverpackungen ist der Einsatz recycelter Materialien. Auch da haben wir einige Hürden. Wir haben im Bereich der dekorativen Kosmetik im Grunde zwei Reyzklate, die uns zur Verfügung stehen, wenn wir von Kunststoff sprechen: Das ist einmal das recycelte PET aus dem Flaschenkreislauf, das wir produktberührend einsetzen können. Und wir haben für uns selbst mit unserem Partner Interseroh – da sind wir auch ganz stolz drauf – ein Material aus dem Gelben Sack qualifiziert, das sogenannte rPP. Das Material wurde nach unseren Vorgaben so konzipiert, dass es die von uns benötigten physikalischen Eigenschaften für die Maschinen sowie die Produkte und Verpackungen erfüllt. Das rPP können wir allerdings nur für nicht produktberührende Bestandteile wie Verschlusskappen benutzen.

Zum rPET möchte ich noch erwähnen, dass dieses aus dem europäischen Flaschenkreislauf kommt und wir der Meinung sind, dass es dort grundsätzlich auch bleiben soll. Eine Flasche, die wieder eine Flasche werden kann, sollte auch wieder eine Flasche werden. Wir beziehen deshalb ausschließlich rPET, das schon aussortiert wurde. Also Rezyklat, das beispielsweise aufgrund von Farbigkeit nicht mehr als Material für Flaschen geeignet ist. Uns ist wichtig, nicht in den funktionierenden Flaschenkreislauf einzugreifen.

Mascara von Catrice
Die Mascaras sind aus dem Foodgrade rPET aus dem Flaschenkreislauf. (Bild: Cosnova)

neue verpackung: Bei den Mascaras von Catrice kommen aktuell Verpackungen mit einem Rezyklatanteil von 80 % zum Einsatz. Wie gelingt es, dass kein Fehlgeruch vom Rezyklat in das Produkt gelangt, oder die Verpackung selbst unangenehm riecht?
Soukup: Die Mascaras sind aus dem Foodgrade rPET aus dem Flaschenkreislauf und haben diese Geruchsproblematik daher nicht. Bei dem rPP aus dem Gelben Sack, dem Procyclen von Interseroh, das wir beispielsweise für Kappen von Nagellack verwenden, gibt es ein Verfahren, um den Fehlgeruch zu verhindern. Der Kunststoff wird vor dem Einschmelzen nicht nur gewaschen, sondern auch beim Aufschmelzen entgast. Das entfernt die Moleküle, die für diesen Geruch verantwortlich wären.

Um beim Beispiel des Mascaras zu bleiben; Der Rezyklatanteil von 80 % entspricht dem Anteil an der gesamten Verpackung. Die restlichen 20 % entfallen auf den Stiel, Abstreifer und das Bürstchen.

Steinert: Wir haben da auch schon so ein paar Überraschungen gehabt. Ob und wie viel Rezyklat verwendet werden kann, ist häufig ein iterativer Prozess. Dann kommen manchmal Dinge zustande, mit denen man gar nicht gerechnet hätte. Es ist auf jeden Fall ein Weg des Ausprobierens: Wie viel geht und wo gibt es Grenzen?

Soukup: Uns ist dabei auch wichtig, klar zu kommunizieren: Wir könnten auch wie andere Wettbewerber sagen „Flasche zu 100 % aus Rezyklat“. Aber im Zweifel wollen wir eher Informationen herausgeben, die schlechter sind als der Konsument es erwartet, aber die dafür wahrheitsgemäß sind. Es schürt aber auch die Erwartungshaltung der Konsumentinnen, wenn der Wettbewerb so etwas sagt, weil sie sich dann fragen „Könntet ihr nicht mehr Rezyklat einsetzen?“

neue verpackung: Welche weiteren Produkte gibt es schon im Sortiment, die nachhaltige Verpackungen haben und wie sehen diese aus?
Soukup: Hauptsächlich sind wir aktuell im Bereich Kappenumstellung aktiv. Außerdem haben wir bei diversen Tools wie Applikatoren und Bürstchen auf Papierverpackungen oder leicht trennbare und dadurch recyclingfähige Verpackungen umgestellt. Bei Foundations haben wir teilweise von nicht recycelbarem Kunststoff- auf recycelbare Glasflaschen gewechselt und wir sind dabei, Tuben aus einem Materialmix auf recyclingfähige Tuben aus einem Monomaterial umzustellen.

Über Cosnova

Cosnova ist ein Familienunternehmen, das unter anderem hinter den Kosmetikmarken Catrice und Essence steht. Es hat für sich selbst fünf Säulen der Verantwortung definiert. Diese umfassen neben Zero Waste, die Unbedenklichkeit der Produkte, soziale Initiativen, die Arbeitsbedingungen bei Geschäftspartnern sowie Klima und Umwelt. Die Cosnova Gruppe erwirtschaftete 2020 einen Nettoumsatz von 467 Mio. Euro und beschäftigte 2019 rund 650 Mitarbeitende.

neue verpackung: Wie werden die Umstellungen auf nachhaltige Verpackungen den Verbraucherinnern und Verbrauchern kommuniziert?
Soukup: Idealerweise auf dem Produkt. Da haben wir aber leider nicht so viel Platz, wie wir gerne hätten. Wir versuchen auch gerade jetzt bei den Neuumstellungen durch einen Kappensticker oder eine Integration in das Artwork, Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren. Flankierend erfolgt die Kommunikation über Social Media und unsere Webseiten, für besonders Interessierte, die noch mehr Informationen suchen.

Steinert: Wir sehen, dass das Thema Verpackung schon heute ein ganz wichtiges ist und noch stärker werden wird. Denn die Sensibilität der Verbraucher diesbezüglich steigt und auch das Interesse besser zu verstehen, wie welche Verpackungen am besten entsorgt werden. Deshalb ist es glaube ich wichtig, da eine Hilfestellung zu geben. Und für uns ist es wichtig, bei dieser Thematik in Zukunft weiter voranzuschreiten. Allein durch die Masse an Produkten, die wir bewegen, sehen wir eine große Verantwortung bei uns.

neue verpackung: Auf besagten Webseiten habe ich gelesen, dass sich Cosnova bei Plastics for change engagiert – wie zeigt sich das Engagement? Geht ein Teil der Einnahmen aus Produkten an die Initiative, oder findet das Rezyklat der Initiative Einsatz in Ihren Produkten?
Soukup: Unser Ziel ist es, Rezyklate von Plastics for change einzusetzen, aktuell ist das noch nicht der Fall. Im Moment unterstützen wir das Recyclingprojekt in Indien monetär, aber auch mit Know-how, welches wir in den letzten Jahren sammeln konnten. Über das Netzwerk, das wir uns aufgebaut haben, haben wir Plastics for change mit einem Berater der Food and Drug Administration (FDA) zusammengebracht, mit dem Ziel rPP mit Foodgrade für unsere Produkte zu qualifizieren. Da wir bereits eine gute Quelle für rPET in Europa haben, sind wir eher an rPP von der Initiative interessiert. Für unseren Bedarf müsste das rPP eine helle Farbtype haben, die es bisher in Europa nicht gibt, dazu müssen allerdings noch einige Qualifizierungsschritte gemeinsam gelöst werden.

Die Waste Picker, die für das Projekt in Indien arbeiten, suchen für diesen Zweck die weißen Take-away-Lebensmittelverpackungen aus dem Abfall. Dazu sollte man wissen, dass diese Verpackungen in Indien aus einem Virgin Foodgrade PP hergestellt sein müssen. Deswegen haben wir es – flapsig gesagt – auf diese abgesehen. Denn bei diesem Material können wir sicher sein, dass es unseren Anforderungen entspricht.

Durch die Pandemie wurde leider einiges verzögert, weshalb wir mit diesem Projekt noch nicht so weit sind, wie wir gerne wären. Auch hier möchten wir den Prozess ganzheitlich betrachten: Wo ergibt es Sinn, Materialien von dort zu beziehen? Außerdem möchten wir auch mit unserem Know-how unterstützen. Durch das Geld, welches wir für die Initiative im Rahmen unserer Kooperation gesammelt haben, haben wir beispielsweise eine Waschanlage für das PP in Indien mitfinanziert.

Die Fragen stellte Nora Menzel, Redaktion neue verpackung

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