Thomas Reiner, CEO von Berndt+Partner

Thomas Reiner, CEO von Berndt+Partner (Bild: Berndt+Partner)

1.       Herr Reiner, als Fachmagazin zum Thema Verpackungen bekommen wir vor allem immer dann Input, wenn es eine Lösung für eine bestimmte Fragestellungen gibt. Sie hingegen haben durch Ihre Beratertätigkeit wahrscheinlich vor allem Themen auf der Agenda, die es erst noch zu lösen gibt. Wo drückt also beispielsweise bei Markenartiklern noch der Schuh, wo die Industrie noch liefern muss?

Thomas Reiner: Was wir momentan am Markt sehen, das sind häufig nur Blitzlichter eines riesigen und vielfältigen Themenfeldes. Aus Sicht der Markenartikler sind die aktuellen Innovationen vor allem durch die Forderungen bezüglich Nachhaltigkeit getrieben, beispielsweise durch den Einsatz von Rezyklat und alternative Packmittel. Aber die Materialseite allein kann nicht alles richten, und so wird hier sicherlich auch Mehrweg künftig an Relevanz gewinnen; wir müssen ganz allgemein mehr im System denken.

Vor allem mit Blick auf England sehen wir bereits einige Lösungen in Sachen Mehrweg, beispielsweise im Bereich der Molkereien. Solche Lösungen wird es aber, davon bin ich überzeugt, künftig auch für viele andere Produkte geben – bis hin zur Gewürzgurke.

Solche Lösungen kann – zumindest da, wo er Zugriff hat – vor allem der Handel vorantreiben. Außerdem haben natürlich große Markenartikler den nötigen überregionalen Hebel, um hier etwas zu bewegen. Für regionale Unternehmen wiederum bieten sich Initiativen wie Loop an.

Ebenfalls sehe ich im extrem angestiegenen Wellpappen-Bedarf, getrieben durch den zuletzt in der Pandemie schnell gewachsenen E-Commerce-Bereich, großen Entwicklungsbedarf – hier brauchen wir neue Transport-Lösungen für zu versendende Güter.

All diese Nachhaltigkeitsthemen, so löblich sie auch sind, haben aber auch den Nebeneffekt, dass sie die Unternehmen an anderer Stelle regelrecht lähmen. Klassische Aufgaben wie Linieneffizienz stehen faktisch still. Dies wird sich in den Produktionen hierzulande bald bemerkbar machen, so es das nicht schon tut.

2.       Auch wenn Corona dazu führte, dass das Thema zumindest kurzzeitig etwas an Medienpräsenz verloren hat, so stehen Verpackungen – speziell solche aus Kunststoff – bei vielen Konsumenten unter Generalverdacht. Welche Möglichkeiten hat die Industrie, um hier gegenzusteuern?

Die Situation, wie sie sich aktuell darstellt, ist leider sehr schwierig: Das Vertrauen der Verbraucher ist schlicht verloren. Nicht zuletzt aufgrund der vielen noch ungelösten Fragestellungen rund um das Thema Nachhaltigkeit. Die hier nötige Grundaufklärung sehe ich als Aufgabe der Industrie – allerdings mahne ich hier gleichzeitig ein Stück weit zur Vorsicht, da Kampagnen zu diesem Thema in der aktuellen Situation schnell wie eine Verteidigung wirken könnten. Jetzt ist aber auf jeden Fall die Zeit, sich darauf vorzubereiten.

Wenn Sie nach konkreten Möglichkeiten fragen, mit der sich die Konsumenten abholen lassen: Man muss es schaffen, erreichte Erfolge in Sachen Nachhaltigkeit für den Verbraucher via Kommunikation am POS erlebbar zu machen, beispielsweise durch präzise Angabe des Rezyklat-Anteils einer Verpackung. Dabei gilt es aber, die aktuelle Inflation an Labels etc. etwas einzudampfen und zu einer Vereinheitlichung zu finden.

Einzelne Branchen haben es hier einen gewissen Startvorteil. So hat es Kosmetik vergleichsweise einfach mit der Umsetzung von Maßnahmen, da es in diesem Bereich nicht ganz so viele Vorgaben gibt. Und große Getränkehersteller haben eigene Rückführungssysteme installiert, wodurch sie einen gesicherten Zugang zu hochwertigem Rezyklat besitzen.

3.       Ein weiterer Nebeneffekt der Pandemie: Sie war ein echter Katalysator für die Digitalisierung der Industrie. Da Sie auch hier sicher das eine oder andere Projekt begleiten durften, gab es hier vielleicht eine Entwicklung, die Sie besonders spannend fanden?

Auf der Verpackung selbst hat sich eigentlich, wenn man sich ehrlich macht, wenig getan –hier herrscht fast schon Stillstand, wenn man nach neuen Entwicklungen sucht.

Im Gegensatz dazu, hat sich der E-Commerce stark nach vorne entwickelt, was natürlich auch Auswirkungen auf die Entwicklung und Herstellung von Verpackungen hat. Gleichzeitig gibt es viele neue intelligente Ideen bei der Kennzeichnung, beispielsweise um die Entsorgung für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft zu unterstützen.

Ebenfalls stark geändert hat sich der Bereich Automatisierung. Oder besser gesagt: Der Grund für Automatisierung. Ging es hier früher vor allem um Rationalisierung, etablieren produzierende Unternehmen nun mehr und mehr Automatisierung und damit natürlich auch Digitalisierung, um überhaupt produzieren zu können. Was nicht zuletzt mit einem sich ständig verschärfenden Fachkräftemangel zusammenhängt.

Speziell getrieben durch die Pandemie wurde Digitalisierung aber dadurch, dass die klassischen Kanäle zum Kunden faktisch über Nacht gekappt wurden. Innovationstreiber bauten hier binnen kurzer Zeit komplett digitale Plattformen und Communities auf und so haben manche dieser Unternehmen mittlerweile 80 bis 90 Prozent ihres Kommunikationsbudgets ins Digitale verlagert. Diese Unternehmen haben aus der Corona-Not sozusagen eine Tugend gemacht. Und der Rest wird sicherlich bald nachziehen.

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