Welche Chancen bietet die Pumo Welt der Kreislaufwirtschaft?

Auf Wachstumskurs: die Green Grass Strategy

Der Umstand, in einer Pumo Welt zu leben, sollte Unternehmen nicht davon abhalten, sich konsequent in Richtung Kreislaufwirtschaft zu entwickeln.
Der Umstand, in einer Pumo Welt zu leben, sollte Unternehmen nicht davon abhalten, sich konsequent in Richtung Kreislaufwirtschaft zu entwickeln.

Die Industrie möchte und muss grüner werden – trotz aktuell großer Verunsicherung in einem Umfeld, das als „Pumo“ bezeichnet werden kann: Polarized, Unthinkable, Metamorphic und Overheated. Dabei ist bloßes Abwarten auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft keine Lösung, vielmehr stellt die Grass Grass Strategy einen proaktiven Erfolgsfaktor dar.

Die Rahmenbedingungen für das Nachhaltigkeitsmanagement in Unternehmen sind in den letzten Monaten nicht einfacher geworden. Viele Firmen stehen aktuell vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, unter anderem durch mögliche Auswirkungen neuer Zölle in verschiedenen Regionen, um nur ein Beispiel zu nennen.

Insgesamt ist daher vielfach eine große Verunsicherung zu spüren, die mit bestehenden Ansätzen wie Vuca (Volatile, Uncertain, Complex, Ambiguous) kaum mehr erfasst werden kann, da diese Eigenschaften schon fast als Normalität angesehen werden. Daher erhält der Pumo-Ansatz verstärkte Aufmerksamkeit, der die Umwelt von Firmen als polarisiert beschreibt, in der viele eigentlich undenkbare Ereignisse eintreten, sich das Umfeld wie in einer Metamorphose regelmäßig fundamental ändert und öffentliche Diskussionen überhitzt geführt werden.

Abwarten ist keine Lösung

Die dadurch entstehende Verunsicherung könnte leicht dazu verleiten, erst einmal nur abzuwarten. Und das gilt insbesondere beim Thema Nachhaltigkeit, bei dem die sogenannte Omnibus-Richtlinie der Europäischen Kommission einige Berichtspflichten gerade für kleine und mittlere Unternehmen abgeschwächt hat.

Doch einfach Abwarten ist kein gangbarer Weg, denn die Herausforderungen der Dekarbonisierung und Transformation zur Kreislaufwirtschaft stellen keinen Trend dar, der wieder verschwindet. Vielmehr sollten sich Führungskräfte diesen Herausforderungen stellen – und auch die damit oft verbundenen Chancen nutzen. Trotz des herausfordernden Umfelds sollten Firmen ihre Nachhaltigkeitsinitiativen proaktiv vorantreiben. Dies ist jedoch umso schwieriger, da sich die meisten Unternehmen bisher auf reaktive Nachhaltigkeitsstrategien beschränkt haben.

Grundsätzlich sollte man annehmen, dass ein möglichst nachhaltiges Wirtschaften schlicht eine Notwendigkeit für die gesamte Menschheit darstellt. Über diese Grundannahme hinaus waren die Bestrebungen zur Steigerung der Nachhaltigkeit, die die meisten Firmen in den letzten Jahren gestartet oder intensiviert haben, stark getrieben von Regulierung, Berichtspflichten und Auflagen in verschiedenen Wirtschaftsregionen.

Weit weniger Aufmerksamkeit haben Chancen-orientierte Maßnahmen erhalten, die sich vor allem durch ein gesteigertes Kundeninteresse an nachhaltigen Innovationen in vielen Branchen ergeben. Dies ändert sich momentan, allerdings ist in den meisten Firmen eine noch deutlich aktivere Ausrichtung der Nachhaltigkeitsaktivitäten nötig, wenn die Transformation zur Kreislaufwirtschaft gelingen soll. Der bisherige Fokus auf Reporting und Berichtspflichten ist nicht genug, stattdessen wird es stärker auf proaktive Strategien für grundlegende Innovationen und echte Transformation ankommen.

Nicht nur regulatorischer Zwang, sondern Chance: Unternehmen sollten Nachhaltigkeit als Möglichkeit erkennen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Nicht nur regulatorischer Zwang, sondern Chance: Unternehmen sollten Nachhaltigkeit als Möglichkeit erkennen, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Die Sustainability Innovation Map

Doch wie sehen die ersten Schritte auf dem Weg zu einer proaktiven Nachhaltigkeitsstrategie aus? Hierfür bietet die ‚Sustainability Innovation Map‘ ein bewährtes Tool, mit dem Fach- und Führungskräfte systematisch Chancen durch Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft identifizieren können. Konkret bietet dieser Bezugsrahmen als horizontale Dimension einen ganzheitlichen Überblick über die Lieferkette, wobei die Einteilung in Wertschöpfungsstufen auf das jeweilige Unternehmen angepasst werden sollte.

Grundsätzlich sollte hierbei alles berücksichtigt werden; von den vorgelagerten Stufen wie Materialien über die internen Aktivitäten in der eigenen Organisation bis zu den nachgelagerten Stufen ganz am Ende der Lieferkette. Als vertikale Dimension werden die üblichen ESG-Dimensionen (Environment, Social, Governance) dargestellt, hierbei wird allerdings zwischen zwei strategischen Ausrichtungen unterschieden, die in der Grafik ‚Sustainability Innovation Map‘ dargestellt sind.

Die Sustainability Innovation Map und ein bis zwei Workshops – mehr braucht es häufig nicht, um Nachhaltigkeit und gleichermaßen den Umsatz zu steigern.
Die Sustainability Innovation Map und ein bis zwei Workshops – mehr braucht es häufig nicht, um Nachhaltigkeit und gleichermaßen den Umsatz zu steigern.

Die meisten Nachhaltigkeitsinitiativen in Firmen konzentrieren sich bisher auf die Steigerung der Ressourceneffizienz, um angesichts des Klimawandels zur Dekarbonisierung beizutragen und gleichzeitig oftmals die Kosten zu senken. Ein Beispiel hierfür ist die Verringerung des Energieverbrauchs im Produktionsprozess. Diese Strategien legen somit den Schwerpunkt darauf, negative Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit zu reduzieren (‚No Net Loss‘) und sie umfassen den oberen blauen Teil der Abbildung. Sie werden als ‚Blue Sky Strategy‘ bezeichnet, da Ressourceneffizienz in der ökologischen Dimension zu weniger Emissionen und damit zu einem blauen Himmel beiträgt.

Diese Strategien sind oft eher reaktiv und getrieben von Regulierung und Berichtspflichten. Sie ermöglichen häufig schnelle Erfolge und sind ebenso richtig wie wichtig für Unternehmen, gleichzeitig schränkt ein zu starker Fokus darauf eine erfolgreiche Transformation in Richtung der Kreislaufwirtschaft nennenswert ein.

Die Green Grass Strategy

Hierfür sind nämlich zusätzlich zur ‚Blue Sky Strategy‘ weitere Maßnahmen erforderlich, die von vielen Unternehmen bisher weitgehend vernachlässigt werden. Genau dort setzt die ‚Green Grass Strategy‘ an, die sich auf Innovationen und neue Geschäftsmöglichkeiten konzentriert, anstatt sich auf die Optimierung bestehender Prozesse zu beschränken. Diese proaktive Strategie orientiert sich hauptsächlich an neuen Chancen und wird ‚Green Grass Strategy‘ genannt, weil damit nachhaltige Innovationen wie grünes Gras wachsen und gedeihen. Insbesondere werden Innovationen mit höherem Neuigkeitsgrad angestrebt, die beispielsweise tatsächlich zirkuläre Geschäftsmodelle ermöglichen. Im Idealfall wird so ein positiver Beitrag für Umwelt und Gesellschaft über das eigene Unternehmen hinaus erreicht (‚Net Positive Impact‘).

Wieviel Aufwand ist mit der ‚Green Grass Strategy‘ verbunden? Erst einmal tatsächlich sehr wenig. Die ersten Schritte kann man bereits in ein oder zwei Workshops erarbeiten.
Konkret sollte man auf Basis der allgemeinen ‚Sustainability Innovation Map‘ zuerst die horizontale Dimension der Lieferkette auf das eigene Unternehmen anpassen und sich dann einen Überblick über die ESG Kernaspekte im eigenen Unternehmen für die vertikale Dimension verschaffen. Dann ergeben sich im Rahmen einer kurzen Runde der Ideengenerierung mit einigen Personen aus verschiedenen Bereichen des Unternehmens meist zahlreiche Ideen, die der ‚Green Grass Strategy‘ zugeordnet werden können. Nach kurzer Priorisierung, Integration und Kombination der Ideen stehen zum Abschluss solcher Workshops in aller Regel drei bis vier vielversprechende Konzepte mit möglichen Maßnahmen, die über die bereits bestehende ‚Blue Sky Strategy‘ im Nachhaltigkeitsmanagement hinausgehen.

Schnell sein lohnt sich

Auch wenn die meisten Unternehmen sich bisher hauptsächlich auf Ressourceneffizienz und die ‚Blue Sky Strategy‘ konzentriert haben, wird dies langfristig nicht ausreichen. Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft und zirkulären Geschäftsmodellen erfordert fast immer deutlich mehr als Effizienzsteigerungen bei bestehenden Prozessen. An grundlegenderen Innovationen wird man nicht vorbeikommen, wenn tatsächlich Kreislaufprozesse angestrebt werden. Die ‚Green Grass Strategy‘ wird somit immer wichtiger werden. Bis Firmen bei möglichst zirkulären Geschäftsaktivitäten ankommen, werden oft noch große Anstrengungen und Transformationen nötig werden. Die ersten Schritte zur Entwicklung und Ausarbeitung einer ‚Green Grass Strategy‘ sind jedoch schnell gemacht.

Dabei lohnt es sich besonders, jetzt zügig zu handeln. Oft sind Firmen mit Chancen-orientierten Nachhaltigkeitsaktivitäten noch Vorreiter in ihren Branchen und können sich dadurch Wettbewerbsvorteile erarbeiten. Beispiele hierfür aus der Verpackungsbranche sind biobasierte und biologisch abbaubare Verpackungsmaterialien, die eine vollständig zirkuläre Nutzung oder auch Kompostierung ermöglichen.

Da längerfristig an nachhaltigen Innovationen kein Weg vorbeiführt, werden künftig auch Wettbewerber nachziehen. In der Übergangszeit bis dahin sind die Chancen durch die proaktive ‚Green Grass Strategy‘ besonders groß, weswegen Firmen noch vor der allgemeinen Transformationswelle ihrer Branche in Richtung Kreislaufwirtschaft aktiv daran arbeiten sollten.

Die ersten Schritte dahin kann man mithilfe der ‚Sustainability Innovation Map‘ systematisch und zügig erarbeiten – auf geht’s!

Über den Autor

Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler
Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler

Prof. Dr. Ulrich Lichtenthaler ist Professor für Management und Entrepreneurship an der International School of Management (ISM) in Köln. Als Experte wird er regelmäßig als Keynote-Speaker, Executive Coach und Senior Advisor zu Strategie, Innovation, Nachhaltigkeit und künstlicher Intelligenz gebucht.

Neben mehreren Büchern hat er verschiedene Management-Tools veröffentlicht, unter anderem die ‚Green Grass Strategy‘ und das ‚Pumo Framework‘. Weitere Informationen dazu auf www.ulrichlichtenthaler.com.