Wie die Schreiner Group sich vom Gas verabschiedet hat
Ein Wärmepumpenhaus für eine nachhaltige Zukunft
Die Energiewende ist ein großes Wort – in Oberschleißheim ist sie längst Realität: Seit über einem Jahr ist der Hauptsitz der Schreiner Group vollständig unabhängig von fossilen Brennstoffen. Möglich macht das ein Wärmepumpenhaus, das in ein ganzheitliches Nachhaltigkeitskonzept eingebettet ist.
Die riesigen Wärmepumpen nutzen Geothermie, um die in der Erde gespeicherte Wärme in Heiz- und Kühlenergie umzuwandeln. Vier der sieben Pumpen sind in einem zentralen Gebäude untergebracht, welches eigens für sie errichtet wurde. Die anderen drei befinden sich dezentral in einzelnen Gebäuden. Mit dieser Technologie können alle sechs Produktions- und Bürogebäude der Schreiner Group in Oberschleißheim effizient und ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe geheizt und gekühlt werden. „Mit einer Investition von sechs Millionen Euro ist die Heiz- und Kühltechnik am Hauptsitz CO2-frei und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz“, erklärt Wolfgang Bonnet, Leiter Facility Management der Schreiner Group.
„Mit dem Wärmepumpenhaus haben wir ein energetisches Herzstück geschaffen,“, kommentiert Geschäftsführer Roland Schreiner. „Heute können wir mit Stolz sagen: Unsere Produktion in Oberschleißheim läuft komplett ohne Gas und Öl.“
2021 hat das Unternehmen ein strategisches Nachhaltigkeitsziel verabschiedet und will bis 2045 komplett klimaneutral sein. „Das Wärmepumpenprojekt bringt uns auf diesem Weg einen gewaltigen Schritt weiter. Denn dadurch stoßen wir schon heute selbst kein CO2 mehr aus“, so Schreiner.
Die CO2-Emissionen des Familienunternehmens konnten im Jahr 2024 am Hauptsitz in Oberschleißheim durch den konsequenten Einsatz von Wärmepumpen reduziert werden – sowohl relativ zur Bruttowertschöpfung als auch absolut in Tonnen. Insgesamt verzeichnet die Schreiner Group in den letzten zehn Jahren eine beeindruckende CO2-Reduktion von 85 % (für Scope 1 und 2 (beziehungsweise bezogen auf die Energieträger Strom und Gas)).
Maßgeblich dazu beigetragen haben neben den Wärmepumpen auch der Einsatz energieeffizienterer Maschinen und optimierter Produktionsprozesse wie etwa in der rotativen Bügelfertigung. Parallel dazu ist der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamtenergiebedarf kontinuierlich gestiegen. Für das Jahr 2025 hat sich die Schreiner Group ein weiteres ambitioniertes Ziel gesetzt: Die CO2-Emissionen sollen nochmals um 15 % gesenkt werden – unter anderem durch die Umstellung des Werks Dorfen auf Biomasse-Fernwärme, den flächendeckenden Austausch von Leuchtstoffröhren durch LED-Technologie sowie den weiteren Ausbau der Elektromobilität.
Das Wärmepumpenhaus – Technologieträger im besten Sinne
Von außen auf schlichte Funktionalität ausgelegt, beeindrucken die inneren Werte des Wärmepumpenhauses umso mehr: Hier arbeiten gleich mehrere Hochleistungswärmepumpen, die Wärme und Kälte aus dem Grundwasser gewinnen und über ein ausgeklügeltes Leitungssystem in die Gebäude leiten – effizient, emissionsfrei und zuverlässig.
Die grundlegende Funktionsweise beruht darauf, dass der Wärmepumpenkreislauf Umweltwärme – in diesem Fall aus dem Erdreich Grundwasser – entzieht und über ein technisches System in nutzbare Heizenergie umwandelt. Das funktioniert konkret so:
- Brunnenanlage: Über eine Brunnenanlage wird Grundwasser gefördert (Temperaturniveau circa 10 bis 12 °C) – und zur Wärmepumpe geführt.
- Wärmepumpentechnologie: Das entnommene Grundwasser fließt durch einen Wärmeübertrager (Verdampfer) und gibt dort seine Wärmeenergie an ein Kältemittel ab. Durch Kompression wird Wärme erzeugt, die an das Heizsystem der Gebäude abgegeben wird. Dabei ist der Energieeinsatz deutlich geringer als bei konventionellen Heizsystemen – im Schnitt liefern Wärmepumpen etwa vier- bis fünfmal so viel Wärmeenergie, wie sie an Strom verbrauchen. Die erzeugte Wärme wird über ein ausgeklügeltes Verteilsystem im gesamten Gebäudekomplex verteilt. Große Pufferspeicher ermöglichen, dass die Wärme bedarfsgerecht abrufbar ist.
Gleichzeitig dient das Wärmepumpenhaus nicht nur der Wärmeerzeugung: Es kann auch kühlen. Im Sommer ermöglicht es das System, dass die Produktionshallen und Büroflächen auf angenehmer Temperatur bleiben, indem es die Klimaanlagen mit Kühlwasser versorgt. Das spart nicht nur Energie, sondern auch CO2. Damit unterstreicht das Wärmepumpenhaus seine Rolle als multifunktionales Energiesystem, das über die klassische Wärmeversorgung hinausdenkt.
Das Prinzip ist nicht neu – aber in dieser Größenordnung, verbunden mit moderner Steuerungstechnik und im industriellen Maßstab, ist es ein Novum. Der Wirkungsgrad der Anlage liegt deutlich über dem von konventionellen Heizsystemen. „Wir gewinnen aus einer Kilowattstunde Strom etwa vier bis fünf Kilowattstunden Wärme“, so Bonnet. Diese Effizienz trägt maßgeblich dazu bei, den ökologischen Fußabdruck zu senken und gleichzeitig die Betriebskosten langfristig zu optimieren.
Energieeffizienz mit System
Der Einsatz des Wärmepumpenhauses ist Teil eines ganzheitlichen Energie- und Klimakonzepts, das die Schreiner Group in den vergangenen Jahren konsequent umgesetzt hat. Parallel dazu wurde beispielsweise nahezu der gesamte Hauptstandort mit LED-Technik ausgerüstet, Maschinenparks auf Energieeffizienz optimiert und ein durchgängiges Energiemonitoring eingeführt.
„Wir schauen uns den Verbrauch jeder einzelnen Maschine an und passen Prozesse laufend an. Das bringt nicht nur ökologische, sondern auch wirtschaftliche Vorteile“, erklärt Bonnet. „Jede eingesparte Kilowattstunde ist ein Gewinn – für uns, für unsere Umwelt und letztlich auch für unsere Kunden.“ Die Maßnahmen greifen ineinander und zeigen, wie wichtig ein systemisches Denken beim Thema Energieeffizienz ist.
Unabhängigkeit als strategisches Ziel
Die Investition in das Wärmepumpenhaus war für die Schreiner Group nicht nur eine ökologische, sondern auch eine strategische Entscheidung. „Wir wollten unsere Energieversorgung langfristig unabhängig machen – von Gaslieferungen, politischen Unsicherheiten und Preisschwankungen“, erklärt Roland Schreiner. Der Ukraine-Krieg habe diesen Kurs nur noch bestärkt.
Das Projekt wurde innerhalb von rund zwölf Monaten geplant und umgesetzt – eine kurze Zeit, wenn man bedenkt, dass es sich um eine Maßanfertigung handelt, die exakt auf die Gebäudestruktur und den Energiebedarf der Schreiner Group zugeschnitten ist. Dabei kamen ausschließlich Partner aus der Region zum Einsatz, mit denen das Unternehmen seit Jahren erfolgreich zusammenarbeitet. Für Bonnet war es auch ein persönliches Highlight: „So ein Projekt realisiert man nicht alle Tage. Es ist ein technisches und organisatorisches Meisterstück, das unsere Nachhaltigkeitsziele mit modernster Technologie vereint.“
Signalwirkung für den Mittelstand
Mit dem Wärmepumpenhaus will die Schreiner Group auch ein Signal senden: Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg müssen sich nicht widersprechen – im Gegenteil. Wer heute in zukunftsfähige Energietechnologien investiert, sichert sich Wettbewerbsvorteile, reduziert Abhängigkeiten und stärkt die eigene Resilienz.
„Wir wollten nicht nur mitmachen, sondern vorangehen“, bringt es Roland Schreiner auf den Punkt. „Unsere Kunden erwarten das mittlerweile genauso wie unsere Mitarbeiter – und wir selbst setzen diesen Anspruch mit voller Überzeugung um.“
Der Erfolg des Projekts zieht bereits Kreise: Andere Gemeinden sind schon darauf aufmerksam geworden und haben sich über das Projekt informiert. Vertreter des Gemeinderats aus Inning am Ammersee sind sogar extra nach Oberschleißheim gekommen und haben sich das Wärmepumpenhaus vor Ort angeschaut, um daraus für eigene Energiekonzepte zu lernen. „Innovative Technologien wie Wärmepumpen sind entscheidend für die Zukunft. Der Besuch in Oberschleißheim zeigt uns, wie solche Systeme auch in unserer Gemeinde zur Energiewende beitragen können“, kommentiert Gemeinderat Johann Ritzer. Der Austausch ist ausdrücklich erwünscht: „Wenn unser Beispiel andere inspiriert, freut uns das sehr“, so Bonnet.
Blick in die Zukunft
Die Schreiner Group denkt bereits über die nächsten Schritte nach: Geplant ist der Ausbau der Eigenstromproduktion durch zusätzliche Photovoltaikflächen, die Erprobung von Batteriespeichern sowie die kontinuierliche Weiterentwicklung der Energiestrategie durch digitale Zwillinge und KI-gestützte Verbrauchsanalysen. Auch Konzepte für saisonale Wärmespeicherung befinden sich in Prüfung.
„Für uns ist Nachhaltigkeit kein Projekt, sondern ein Prozess“, erklärt Bonnet. „Und dieser Prozess ist nie zu Ende – aber wir sind stolz darauf, wie weit wir schon gekommen sind.“
Langfristig möchte die Schreiner Group auch ihre internationalen Standorte mit nachhaltigen Energiequellen ausstatten – angepasst an die lokalen Bedingungen. In Shanghai wurde bereits eine Analyse durchgeführt, in New York prüft man derzeit Photovoltaikoptionen. Der Weg ist klar: Die Energiezukunft der Schreiner Group ist fossilfrei – und das mit System.