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Auch in der Intralogistik steigt der Grad an Automatisierung und Digitalisierung. (Bild: j-mel – stock.adobe.com)

neue verpackung: Herr Schmel, mit dem Ausbruch der Coronapandemie und dem damit einhergehenden Zusammenbruch internationaler Lieferketten folgte eine Debatte über das Reshoring der Produktion sowie des Ausbaus von Lagerkapazitäten. Bestätigen die Auftragsbücher Ihrer Mitgliedsunternehmen diese Entwicklung?

Sascha Schmel: Dass Lagerkapazitäten ausgeweitet wurden, hat sich beispielsweise deutlich in der Nachfrage nach Logistikimmobilien gezeigt. Insgesamt stellen viele Unternehmen ihre Lieferketten auf den Prüfstand und suchen nach verlässlichen Alternativen. Angesichts der weiter anhaltenden geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten ist das für die verantwortlichen Supply-Chain-Manager eine Herkulesaufgabe. Insofern war es auch wenig verwunderlich, dass die Unternehmen zusätzlich eingelagert haben, was sie bekommen haben.
Auch Intralogistikanbieter haben eine steigende Nachfrage – vor allem nach Automatisierungslösungen – erlebt. Hier bestand vor allem 2021 eher das Problem, die vollen Auftragsbücher ebenfalls vor dem Hintergrund stockender Lieferketten pünktlich abarbeiten zu können. Verfügbarkeiten sind auch nach wie vor noch eine Herausforderung – das zieht sich aber durch alle Branchen. Der Trend zur Automatisierung bleibt – das zeigt sich in den verfügbaren Statistiken und das ist der Weg, den viele Intralogistikanbieter mit ihrem Sortiment gehen.

neue verpackung: Fahrerlose Transportsysteme sind nur ein Beispiel für die voranschreitende Automatisierung der Intralogistik. Welche Rolle spielt hier eigentlich künftig noch der Mensch?

Schmel: Der Personalmangel ist quer durch alle Branchen allgegenwärtig. Einige Tätigkeiten in der Logistik können bereits nicht mehr wie benötigt besetzt werden und hier können Intralogistiklösungen den Bedarf abdecken.

Der Mensch spielt aber natürlich weiter eine wichtige, um nicht zu sagen eine maßgebliche Rolle. Die Aufgaben und Kompetenzen verändern sich jedoch aktuell stark. Denn je vernetzter und automatisierter Intralogistiksysteme eingesetzt werden, desto mehr IT-Know-how ist gefragt.

Und zwar für die Planung solcher Projekte, aber natürlich auch für die Umsetzung bis hin zum produktiven Betrieb. Diese Fachkräfte fehlen natürlich – übrigens auch bei den Intralogistikanbietern selbst.

neue verpackung: Über die Forschungsgemeinschaft Intralogistik/Fördertechnik und Logistiksysteme (IFL) läuft eine große Anzahl an Projekten. Gibt es hier Themen, die Sie mit besonderer Spannung verfolgen?

Schmel: Lassen Sie mich dazu ein klein wenig ausholen: Seit der Gründung der IFL 2005 wurden insgesamt
58 Projekte erfolgreich abgeschlossen. In den ersten Jahren waren Forschungsprojekte noch ausschließlich mit Eigenmitteln finanziert worden. Seit 2007 ist die IFL Mitglied in der AIF und realisiert Projekte auch durch öffentliche Fördermittel.

Mittlerweile arbeitet die IFL mit einem Netzwerk aus über 35 Forschungseinrichtungen zusammen. Ich möchte betonen, dass wir uns über jeden neuen Kontakt zu Einrichtungen und Hochschulen freuen.

Der wissenschaftliche Beirat der IFL entscheidet über die Einreichung eines Förderantrags bei der AIF oder über eine IFL-Eigenmittelfinanzierung.

Derzeit laufen in der IFL sieben Projekte und jedes davon ist spannend, weil hier vorwettbewerblich und damit für die Branche geforscht wird. Unternehmen, die sich in der IFL engagieren, erhalten die Ergebnisse nicht nur aus erster Hand, sondern können auch über die Mitarbeit in den projektbegleitenden Ausschüssen die Forschungsarbeit begleiten. Davon profitieren vor allem kleine und mittelständische Unternehmen, die nicht über große Budgets für Forschung und Entwicklung verfügen.

Die aktuellen Projekte beschäftigen sich beispielsweise mit dynamischen Regalbelastungen in Shuttle-Systemen. Die Ergebnisse dieses Projektes helfen, Shuttle-Systeme und insbesondere deren Regalbau zukünftig besser und effizienter zu gestalten. Zusätzlich wird auch die Sicherheit der Regallager erhöht, da die dynamischen Einflüsse der Shuttle-Fahrzeuge auf die Stabilität der Regale im Vorfeld bestimmt werden können. In einem weiteren Projekt wird ein mobiler Handhabungsroboter zur ortsungebundenen Kommissionierung in der Lebensmittelwirtschaft konzeptioniert und evaluiert.

Um ein ganz anderes Anwendungsgebiet geht es bei dem Projekt „Grundlagen, Methoden und Ansätze für die Erdbebenauslegung schienengebundener mobiler Großgeräte“. Hier sollen wesentliche Grundlagen erarbeitet werden, um mobile Förderanlagen auch bei Erdbebenbeanspruchung sicher und wirtschaftlich bemessen zu können.

Die genannten Projekte zeigen exemplarisch, wie heterogen die Intralogistikbranche ist, und wie breit die Forschung aufgestellt sein muss. Gleichzeitig sorgt der enge Kontakt zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen dafür, dass praxisnah geforscht wird – eine Win-win-Situation aus unserer Sicht.

neue verpackung: Welche Rolle spielt die Intralogistik beim großen Ziel der klimaneutralen Industrie?

Schmel: Intralogistik kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten und den innerbetrieblichen Materialtransport bereits heute unter ökologischen Gesichtspunkten optimieren. Das gilt für die Systeme selbst sowie für die Prozesse. Energierückgewinnung, elektrische Antriebe, nachhaltige Materialien und vieles mehr sind bereits heute größtenteils Stand der Technik. Dazu kommt die weitgehend absolvierte Strecke in Richtung „all electric“: Fast jedes Hallendach wird in Zukunft CO2-freien Strom produzieren können, was den ökologischen Fußabdruck der Fertigung und der verbundenen Intralogistik unabhängig vom Strommix im Netz signifikant reduziert. Erfolgreiche Beispiele dafür finden sich immer öfter auch bei unseren Mitgliedern.

Sascha Schmel
Sascha Schmel, Geschäftsführer VDMA-Fachverband Fördertechnik und Intralogistik. (Bild: VDMA)

Über den VDMA-Fachverband Fördertechnik und Intralogistik

Der Fachverband Fördertechnik und Intralogistik vertritt die Interessen von deutschen und europäischen Herstellern aus den Bereichen fahrerlose Transportsysteme, Flurförderzeuge, Krane, Lagertechnik und Stetigförderer.

Mit aktuell rund 250 Mitgliedsunternehmen ist er einer der bedeutendsten Intralogistik-Fachverbände Europas und wichtiges Bindeglied zu Industrie 4.0. Er unterstützt seine Mitglieder, damit sie weltweit Materialfluss, Warehousing und die Produktionsversorgung ihrer Kunden ermöglichen können. Als Treffpunkt der Branche bündelt er Informationen und vertritt die technischen, fachspezifischen und wirtschaftspolitischen Interessen seiner Mitgliedsfirmen.

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