4 Gläser mit verschieden farbigen Flakes

Die Nachfrage nach den klaren und weißen Flakes ist weit höher, als deren Verfügbarkeit. (Bild: See More – stock.adobe.com)

Jedes Jahr verbraucht Europa 50 Mio. t Kunststoff, wovon nur 10 % aus Rezyklat hergestellt werden. Der größte Verbraucher ist die Verpackungsindustrie. Denn Verpackungen aus Kunststoff zu fertigen, ist kostenattraktiv, offeriert eine hohe Designfreiheit und ermöglicht einen guten Produktschutz. Dazu sind Kunststoffe in ausreichenden Mengen leicht verfügbar – zumindest als Virgin Material.

Jedoch kommen von den 20 Mio. t eingesetzten Verpackungskunststoffen, die etwa 40 % des europäischen Bedarfs entsprechen, nur rund 6 Mio. t in den Recyclingkreislauf. Davon wiederum können lediglich etwa 1,5 Mio. t gleichwertig recycelt werden, da es sich dabei um durchsichtige oder weiße Verpackungen handelt. Der bunte Rest des Kunststoffs wird downgecycelt und findet sich je nachdem als Mülltonne oder Parkbank wieder.

Fokus auf Polyolefine

Der Schlüssel, um weniger Kunststoff in die Welt zu bringen, ist also nicht nur, alternative Materialien mit in der Zukunft hoffentlich vergleichbarem Nutzen zu entwickeln, sondern vorhandene Kunststoffe adäquat wiederzuverwenden – möglichst ohne Downcycling.

Eine Lösung hierfür hat das Aachener Unternehmen Smart Coloring entwickelt. Dafür hat das junge Start-up einen wissenschaftlichen Ansatz weiterentwickelt, patentiert und durch den Proof-of-concept geführt. Smart Coloring kann Kunststoffe entfärben.

„Wir werden mittelfristig weder eine Welt ohne Kunststoffe erleben noch eine Welt ohne Farben“, nimmt Dr. Bernd Robertz, einer der beiden Köpfe von Smart Coloring an. „Farben stehen für den Wiedererkennungswert einer Marke und laut einer Studie beeinflussen sie 85 % aller Kaufentscheidungen. Die Lösung muss also sein, farbige Kunststoffe kreislauffähig zu machen.“

Und diese Lösung ist greifbar, bei Smart Coloring steht sie vor dem industriellen Einsatz. Dabei liegt der Fokus vornehmlich auf Polyolefinen wie PE und PP, die wir von den Verpackungen von Shampoos und anderen Pflegeprodukten kennen, aber auch aus Milliarden von Kunststoffdeckeln, die alljährlich produziert werden. Insbesondere letztere sind ein leicht verfügbares Recyclinggut, gehen sie doch heute schon gemeinsam mit PET-Flaschen in den Kreislauf. Während das PET dabei wiederverwertet wird, werden die schwereren Polyolefine der Deckel im Wasserbad abgeschieden und deren geschredderte Flakes anschließend farblich in Klar, Weiß und Bunt sortiert.

Die Nachfrage nach den so entstehenden klaren und weißen Flakes ist riesig, weit höher als deren Verfügbarkeit, weshalb die Preise für derartiges Rezyklat auch weit über denen für Rohmaterial liegen. Nicht nur die Hersteller von Lebensmitteln und Pflegeprodukten buhlen um das entsprechende Rezyklat, auch die Textilindustrie greift danach und ist einer der Preistreiber. Werden die EU-Forderungen an höhere Recyclingquoten betrachtet, so wird offensichtlich, dass der Nachfragedruck weiter steigen wird. Kommen noch die Selbstverpflichtungen von Herstellern wie Beiersdorf, Henkel, Nestlé und Unilever oder von Handelskonzernen wie der Schwarz-Gruppe hinzu, wird klar, dass all die bunten Flakes nicht mehr dem Downcycling zum Opfer fallen dürfen.

Knox - über Knox, Unternehmensberatung

Knox ist eine Unternehmens- und Personalberatungs-Gesellschaft, deren Engagement der Verpackungs- und Druckindustrie gilt, sei es in der Produktion, im Handel oder im Dienstleistungsbereich. Das Team von Knox berät seit nahezu 20 Jahren in Deutschland, Europa und darüber hinaus Unternehmen in diesem Branchenumfeld bei strategischen Herausforderungen, insbesondere auch durch die umfängliche Betreuung und den erfolgreichen Abschluss von Unternehmenstransaktionen.

Lösung setzt beim Färben an

„Das Smart-Coloring-Verfahren eröffnet dieses riesige Potenzial an bunten, heute nicht oder schlecht genutzter Recyclingkunststoffe. Allerdings steckt unsere patentierte Lösung nicht nur im Entfärben, sondern setzt bereits im Färbeprozess an“, erläutert Robertz das Verfahren.

„Daher haben wir auch erkannt, dass wir an der Schwelle der industriellen Einführung als Finanzinvestor nicht mehr der einzige Partner sein sollten“, hakt Jan Oberbeck ein, Geschäftsführer der Familienholding Schürfeld-Gruppe. Diese beteiligte sich an Smart Coloring bereits 2019 in der Frühphase. Um die massiven Potenziale einer Nutzbarmachung farbiger Kunststoffe für den Recyclingkreislauf auszuschöpfen, müssen sowohl Masterbatcher, Markenartikler und Handelsunternehmen als auch Recyclingunternehmen mit ins Boot. Masterbatcher würden im Zuge der Färbung der Kunststoffe bestimmte Additive von Smart Coloring einfließen lassen. Markenartikler und Handelsunternehmen würden für den Footprint ihrer Produkte entsprechende Materialien einfordern. Und zuletzt würden Recyclingunternehmen im Zuge des Hotwashs den Kunststoffabfällen unter Zugabe eines Lösemittels die Farbpigmente und Farbstoffe wieder auswaschen – und damit große Mengen hochwertiger entfärbter Rezyklate erzeugen.

All dies ohne große Vorlaufinvestitionen für die Verpackungsbranche, denn das Smart-Coloring-Verfahren fügt sich auf den vielfach vorhandenen Anlagen in die heutigen Prozesse ein. „Trotzdem, es ist nichts weniger als eine Disruption des gesamten Kunststoffkreislaufs, was wir brauchen“, resümiert Dr.-Ing. Jürgen Schäfer, zweiter Geschäftsführer von Smart Coloring.

„Das klassische Henne-Ei-Problem“

Neben dem hohen ökologischen Effekt, den das Smart-Coloring-Verfahren bietet, scheint es auch die einzige greifbare wirtschaftliche Lösung zu sein, die überbordende Nachfrage nach hochwertigen PP- und PE-Rezyklaten zu befriedigen. Damit der finanziell reizvolle Wertsprung von ungeliebtem Downcycling-Material zum hochpreisigen Sekundärrohstoff gelingt, braucht es industrielle Partner für den Marktdurchbruch dieses modifizierten mechanischen Recyclingverfahrens.

„Es ist das klassische Henne-Ei-Problem“, sagt Robertz. Große Mengen Rohmaterial nach dem Smart-Coloring-Verfahren zu färben, macht dann Sinn, wenn Recyclingunternehmen für das Entfärben bereit sind. Und für Recycler wird das Entfärben spannend und wirtschaftlich, sobald Masterbatcher Smart Coloring umfangreich einsetzen. „Aber wir haben noch ein Ass im Ärmel“, lacht Robertz, „wir können nämlich durch unser Verfahren nicht nur Verfärbungen herauslösen, sondern wir entfernen auch ganz nebenbei Verunreinigungen, Geruchsstoffe und NIAS, alles heute ein großes Problem bei Recyclingkunststoffen. Und der Effekt greift sofort. Es kann also losgehen!“

Wir sind gespannt, welche industriellen Partner sich am Smart-Coloring-Verfahren beteiligen, sei es finanziell an der Entwicklung der Gesellschaft oder in der industriellen Umsetzung. In jedem Fall sind „grüne Kunststoffe“ damit ihrer Verwirklichung einen großen Schritt nähergekommen.

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