Dr. Johann Overath, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Glasindustrie e. V., ist erfreut, dass so viele Vertreter und Entscheider aus Industrie und Handel der Einladung gefolgt sind: „Dieses Jahr konnten wir 260 Besucher beim Trendtag Glas begrüßen – so viele wie nie zuvor. Darüber freuen wir uns sehr. Denn die Besucherzahlen sind eine Bestätigung für uns. Dafür, dass unser Programm für die Branche von Relevanz ist, dass wir ein weiteres Mal auf eine interessante Location gesetzt haben und dass trotz stetig zunehmender Digitalisierung der persönliche Austausch unverzichtbar ist.“
Gesellschaftlicher Wandel prägt Deutschlands Zukunft
Die Keynote hielt in diesem Jahr Zukunftswissenschaftler Professor Dr. Horst Opaschowski mit seinem Vortrag „DeutschlandVision 2030 – Wie wir in Zukunft arbeiten und leben“. Darin stellte er zehn Trends für die deutsche Gesellschaft vor. Die aktuelle Ausgangslage ist eine fragile Welt zwischen Terrordrohungen und geopolitischen Risiken, der die Bevölkerung die 3-G-Hoffnungen entgegensetzt: Geld, Gesundheit und Geborgenheit. Insbesondere die jüngere Generation ist nicht pessimistisch, sondern setzt das Wort Zukunft mit Hoffnung gleich. Laut Professor Opaschowski befinden wir uns mitten in einer Ära der Unsicherheit, die durch Krisen verschiedener Couleur geprägt ist. Seine These: Sicherheit wird die neue Freiheit. Aber auch in der Arbeitswelt zeichnen sich klare Trends ab: Die Absolventenzahlen von Universitäten zeigen, dass die Arbeitswelt weiblicher wird. Eine wichtige Säule wird zudem die 50+-Generation, die mit ihrer Berufs- und Lebenserfahrung Beständigkeit und Gelassenheit in die Unternehmen bringt. Die jüngere Generation hingegen ist darauf bedacht, ein gesundes Gleichgewicht zwischen Leistung und Lebensfreude zu finden. Das durchschnittliche Alter bei der Familiengründung sinkt wieder. Auch wenn die Geburtenrate inzwischen wieder stabiler wird, kann der Wirtschaftsstandort Deutschland nur durch Zuwanderung gesichert werden – bei allen Herausforderungen, die das in sich birgt.
Konsum-Individualisten sind auf dem Vormarsch
Dr. Eike Wenzel, Gründer und Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ), beschäftigt sich mit Megatrends und stellte in seinem Vortrag die Konsumenten von morgen vor. Wichtige Bevölkerungsgruppen, die ab jetzt von Marketing-Abteilungen besonders bedacht werden sollten, sind: Großfamilien aus Mehrgenerationen-Haushalten, Frauen 55plus, Greyhopper (Männer 70+) sowie Konsum-Individualisten. Ihre Gemeinsamkeit ist der Wunsch, off the grid – also autark – leben zu können. Diese Autarkie-Ideen leiten sie unmittelbar aus der Erfahrung mit Vernetzung ab. Denn das Internet ist für sie eine dezentrale Struktur, die ihnen eine möglichst große Autonomie auf Basis jederzeit aufkündbarer Verbindungen verspricht. Laut Wenzel wird in Europa die Individualisierung und das millimetergenaue Matching von Bedürfnis und Produkt weiterhin den Marketing-Erfolg bestimmen – und das wird durch Konsum-Individualisten global beschleunigt. Und dennoch gibt es laut Dr. Wenzel kein Ende des stationären Handels durch die Digitalisierung, dafür allerdings eine Beeinflussung aller damit verbundenen Prozesse. Im Fokus des Marketing muss aus seiner Sicht heute stehen, die individuellen Bedürfnisse der Kunden des digitalen Zeitalters zu befriedigen. Und die wollen dezentral, personalisiert sowie raum- und zeitunabhängig konsumieren.
Digitalisierung des Einzelhandels birgt Herausforderungen
„Der Sprung zu Retail 4.0“ – so lautete der Titel des Vortrags von Professor Dr. Jörg Funder, Direktor des Instituts für Internationales Handel- und Distributionsmanagement (IIHD). Handel 4.0 und Digitalisierung – darunter versteht er die Nutzung von Informationen zum besseren Verständnis des Kundenbedarfs und -verhaltens mit dem Ziel, Geschäftsmodelle des Einzelhandels anzupassen. Dabei charakterisieren seiner Auffassung nach drei Kernentwicklungen den Umbruch zu Retail 4.0: Der Bedarf an kundenindividuellen Problemlösungen nimmt zu, Datenbestände wachsen rasant schnell und die Vernetzung von Handels-, Dienstleistungsunternehmen und Herstellern führt zum Aufbau von Ecosystemen. Für den Einzelhandel, will er seine Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren, ist es essentiell, Kundeninformationen nicht nur zu sammeln, sondern sie schnell und faktenbasiert auszuwerten. Und danach Entscheidungen zu treffen. Nach einer internationalen Studie des IIHD sind nur 7,4 Prozent der Unternehmen gut für das bevorstehende Zeitalter „Retail 4.0“gerüstet. 67,4 Prozent sind in der Position, den Sprung in die neue Ära schaffen zu können, wenn sie sich jetzt mit „Customer Insights“ beschäftigen und ihre internen Strukturen danach ausrichten. Und 25,2 Prozent der Unternehmen haben die Transformationserfordernisse noch nicht erkannt und werden die Versäumnisse der vergangenen Jahre trotz erhöhter Anstrengungen kaum mehr aufholen können und einer Marktbereinigung zum Opfer fallen.
Datenströme verändern die Welt
Visionär wurde es beim Vortrag von Autor, Blogger und Strategieberater Sascha Lobo. Die Vernetzung der Welt war sein Thema – und was dies für den Lebensmittelhandel von morgen bedeutet. Sein Appell war deutlich: Gestalten Sie die Digitalisierung mit. Ein erster Schritt dazu ist die Identifikation und Analyse der relevanten Datenströme. Wer mit diesem Begriff nicht sofort etwas anfangen konnte, dem zeigte Lobo, dass unsere Welt schon jetzt von Datenströmen durchdrungen ist: durch Sensoren in verschiedensten mobilen Endgeräten, durch Apps und Tools, die beispielsweise Bilder auswerten, bis zur Datenbegeisterung der Menschen im Social Web, die es lieben, ohne Einschränkungen Daten ins Netz zu stellen. Die große Herausforderung inmitten dieser Datenströme: diese Informationen richtig auszuwerten. Der Blick auf Big Data reicht Lobo zufolge allerdings nicht aus. In die Entwicklung neuer Geschäfts- und Vertriebsmodelle müssen auch aktuelle Trends einfließen. In den Plattformen, die die Dezentralisierung der Lebensmittellogistik vorantreiben, sieht er einen großen Einschnitt für den stationären Lebensmittelhandel. Denn es findet eine Verschiebung vom reinen Produkt zum Service statt. Dadurch stehen Produkte nicht einfach im Supermarkt zur Verfügung, sondern es werden beispielsweise regionale Lebensmittel geliefert. Aber nicht nur technische Geräte, auch völlig andere Produkte verändern und vernetzen sich. Die Tablette mit einem integrierten Chip, der jede Einnahme an Arzt oder Krankenkasse meldet – und so die Compliance des Patienten unterstützt. Oder die W-LAN-gestützte Maschine, die Gemüsesaft presst.
Kühne: Der Spagat zwischen Tradition und Moderne
Nina Kracht, Senior Verpackungsentwicklerin bei der Carl Kühne KG, präsentierte die Markenstrategie von Kühne – und demonstrierte, wie das Unternehmen den Spagat zwischen Tradition und Moderne schafft – und neue Zielgruppen erschließt. Maßgeblich dafür war die Einführung neuer Subbrands, die nicht in Konkurrenz zum bestehenden Sortiment stehen. Die Marke ENJOY richtet sich dabei mit ihren Salatdressings, Gemüsechips und Salatessigen insbesondere an junge Frauen zwischen 25 und 49 Jahren, die sich gesund und convenient ernähren möchten. Die Premium-Grillsaucen MADE FOR MEAT sind hingegen vorrangig für Männer zwischen 20 und 40 Jahren entwickelt worden, für die Barbecue mehr als nur „Würstchen auf den Grill werfen“ ist. Bei beiden Subbrands wurde bewusst Glas als Verpackungsmaterial gewählt, weil es die Hochwertigkeit und Natürlichkeit der Produkte unterstreicht und vielseitig formbar ist: So haben die ENJOY Dressings und Essige entsprechend der Zielgruppe eine runde, eher weibliche Form und die MADE FOR MEAT Saucen sind markant und kantig. Kühne arbeitet bereits weiter an neuen Produkten.
Rotbäckchen von Haus Rabenhorst: Marke verjüngen – Verpackung bewahren
Auch Rabenhorst steht vor der Herausforderung, Tradition und Moderne miteinander zu verknüpfen, wie Christoph Ripp, Marketingleiter aus dem Hause Rabenhorst, erläuterte. Die Marke Rotbäckchen feiert in diesem Jahr bereits ihren 65-jährigen Geburtstag. Von Beginn an ist der Saft in der charakteristischen Braunglasflasche verpackt worden. Das, so Ripp, werde sich auch nicht verändern. Denn die braune Glasflasche sorgt nicht nur für optimalen Schutz, sondern auch für einen unverkennbaren Wiedererkennungswert im Regal. Rabenhorst entwickelte die Marke Rotbäckchen trotz großem Traditionsbewusstsein stetig weiter und folgte dabei immer dem Zeitgeist. 1952 ursprünglich als Saft gedacht, um die Unterversorgung der Bevölkerung mit Eisen nach dem Krieg auszugleichen, gibt es heute neun weitere Sorten von Rotbäckchen – von „Rotbäckchen Lernstark“ über „Rotbäckchen Ruhe und Kraft“ bis zu „Rotbäckchen Sonnenkraft“, das mit Extra Vitamin D angereichert ist, weil ein Großteil der deutschen Bevölkerung sich heutzutage in der kalten Jahreszeit zu wenig draußen aufhält. Und ganz wie es zum Haus Rabenhorst und zur Marke Rotbäckchen passt, begleitet eine Retro-Marketing-Kampagne das 65jährige Jubiläum, die auch den Link zwischen Tradition und Moderne schafft.
Nominiert und ausgezeichnet: Produktinnovationen in Glas
Bereits zum vierten Mal verlieh das Aktionsforum Glas die Auszeichnung „Produktinnovation in Glas“ – für Lebensmittel oder Getränke, die sich durch besondere Produkt-, Marken-, Marketing- oder Verpackungskonzepte auszeichnen. Beim Trendtag Glas wurden wie bereits in den vergangenen Jahren die Nominierten bekannt gegeben. Andrej Kupetz, Hauptgeschäftsführer des Rats für Formgebung / German Design Council und Mitglied der Jury, präsentierte die drei besten Einreichungen in den Kategorien „Kleine Unternehmen“ und „Mittlere und große Unternehmen“. Die Gewinner wurden im Anschluss an den Trendtag Glas bei einem Get-together gekürt. Neben dem Gewinner kukki Cocktails von boozeME waren in der Kategorie „Kleine Unternehmen” auch diese Produkte nominiert: die Spiritousen Mænnerhobby Liköre und Geiste von Erste Mænnerhobby GmbH & Co. KG sowie die Limonade Liwo von der Liwo GmbH.
In der Kategorie „Mittlere und große Unternehmen” gewann der Fruchtaufstrich GLÜCK von der Friedrich Göbber GmbH. Außerdem standen die Erfrischungsgetränke Anjola von der fritz-kulturgüter GmbH und der Störtebeker Growler von der Störtebeker Braumanufaktur GmbH auf der Nominierungsliste. Aber auch die Teilnehmer waren gefragt. Sie durften zum Abschluss des Trendtags Glas den „Publikumsliebling 2017“ wählen. Mit 39 Prozent der Stimmen wurde auch hier „GLÜCK“ von der Friedrich Göbber GmbH gewählt.
Damit ging ein erfolgreicher Trendtag Glas zu Ende, der die Teilnehmer mit vielen neuen Informationen und Eindrücken entließ.
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Bundesverband Glasindustrie e.V. Fachgruppe Behälterglasindustrie
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