PET-Obstverpackung

Von einer PET-Obstverpackung (links) bleiben nach der Behandlung mit dem Enzym PHL7 nur Farbstoff und Reste von Schnittkanten. (Bild: Christian Sonnendecker)

Reaktor im Labor zum enzymatischen Zersetzen einer PET-Verpackung.
Reaktor im Labor zum enzymatischen Zersetzen einer PET-Verpackung. (Bild: Christian Sonnendecker)

Beim Recycling von Kunststoffen, insbesondere moderner Hochleistungsmaterialien, gibt es verschiedene Hürden zu überwinden: Zusatzstoffe, Materialgemische, Farbstoffe und Verunreinigungen erschweren beispielsweise die Produktion von Rezyklaten, die in ihren Eigenschaften Neuware ebenbürtig sind. Ein alternativer Ansatz ist darum das chemische Recycling, bei dem Kunststoff-Polymere in Monomere zurück-überführt werden. Mit diesen einfach aufzureinigenden Bausteinen als Ausgangsstoff lässt sich nicht nur neuwertiges, sondern chemisch tatsächlich neues Material herstellen. Bisherige Verfahren zum chemischen Recycling nutzen jedoch in der Regel hohe Temperaturen, hohen Druck oder sogar beides, haben also einen vergleichsweise hohen Energiebedarf. Um gleichzeitig wirtschaftlich und nachhaltig zu sein, sind sie also auf preisgünstige Energieversorgung aus regenerativen Quellen angewiesen. Diese ist noch nicht überall ausreichend verfügbar und insbesondere für Anwendungen im großen Maßstab oft nicht ausreichend.

Biokatalysatoren für jede Reaktion

Plastikschale
Die durch maschinelles Lernen optimierte Fast Petase zerlegt PET-Endprodukte wie diese Plastikschale in weniger als 48 Stunden in ihre Ausgangsstoffe. (Bild: University of Texas at Austin)

Um den Energiebedarf chemischer Reaktionen zu senken, sind Katalysatoren ein etabliertes Mittel. Mittlerweile ebenso etabliert ist der biotechnologische Ansatz, geeignete Enzyme als hochwirksame Katalysatoren einzusetzen. Für praktisch jede biochemische Reaktion, und damit auch für viele ähnliche Reaktionen, gibt es ein entsprechendes Enzym – also einen Biokatalysator – das diese Reaktion umsetzt. Aber gelingt das auch für synthetische Hochleistungskunststoffe, die in der Natur gar nicht vorkommen?

Die Antwort lautet „Ja.“ Getreu dem vielfach zitierten Grundsatz aus dem Film Jurassic Park – „Die Natur findet immer einen Weg“ – existieren Bakterien, die mit ihrer Enzymausstattung auch Kunststoffe abbauen können. Diese galten zunächst als Hoffnungsträger, um die biologische Abbauzeit von Kunststoffabfällen in den Ozeanen zu beschleunigen. Mittlerweile liegt die Aufmerksamkeit verschiedener Forschungsgruppen aber auch auf dem Nutzen für chemische, genauer gesagt biochemische Recyclingverfahren. Allerdings waren die gefundenen Bakterien und deren Enzyme bislang zu empfindlich oder nicht leistungsfähig genug für den großtechnischen Einsatz. In diesem Bereich haben jedoch zuletzt gleich mehrere Forschungsgruppen deutliche Fortschritte und Erfolge gemeldet.

So haben Forschende um Dr. Christian Sonnendecker von der Universität Leipzig ein Enzym, das den verbreiteten Kunststoff PET geradezu in Rekordzeit in seine Monomere zerlegt. Im Laborversuch baute das Enzym PHL7 PET-Proben in nur 16 Stunden zu 90 % ab. Den Wissenschaftlern zufolge ist es damit rund doppelt so schnell wie das bereits 2012 in Japan entdeckte Enzym Hydrolase LCC, das bislang als Gold-Standard in diesem Bereich gilt. Eine Plastikschale für Obst aus dem Supermarkt löste PHL7 in weniger als 24 Stunden in die PET-Bausteine Terephthalsäure und Ethylenglycol auf. Dies gelang in wässriger Lösung bei Temperaturen unter 70 °C – ein deutlicher Vorteil gegenüber den energieaufwendigen chemischen Recyclingverfahren.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Enzyme von ungewöhnlichen Fundorten

So ungewöhnlich wie die hohe Aktivität des Enzyms erscheint auch der Fundort, an dem es isoliert wurde: ein Komposthaufen auf dem Leipziger Südfriedhof. Dies ist allerdings nur teilweise überraschend, erklärte Dr. Christian Sonnendecker im Interview mit dem MDR: Die Kunststoff-zersetzenden Enzyme basieren auf Werkzeugen der Bakterien, um pflanzliche Polymere abzubauen. Wo viel pflanzliches Material verrottet, besteht also auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, die gewünschten Kunststoff-zerlegenden Enzyme zu finden.

An einem ebenfalls unerwarteten Ort wurden thailändische Forschende um Chayasith Uttamapinant vom Vidyasirimedhi Institute of Science and Technology in Rayong und Worawan Bhanthumnavin von der Chulalongkorn University in Bangkok fündig. Normalerweise als vielversprechend für die Suche nach Kunststoff-verdauenden Bakterien gelten Orte, an denen auch viel Kunststoff vorliegt – etwa Mülldeponien oder auch die großen Plastikmüll-Strudel in den Ozeanen. Das Team aus Thailand entdeckte jedoch ein PET-spaltendes Enzym namens MG8 in menschlichem Speichel. Produziert wird es dort von Mikroorganismen, die auf natürliche Art im Speichel vorkommen. Die Wissenschaftler vermuten, dass sich diese Mikroorganismen an Mikroplastik angepasst haben, da Menschen viele in Kunststoff verpackte Lebensmittel konsumieren. MG8 zeichnet sich dadurch aus, dass es sich auch in denaturiertem Zustand isolieren und anreichern lässt, dann aber einfach zu renaturieren ist und wieder einsatzfähig ist. Diese Eigenschaft erleichtert den großtechnischen Einsatz deutlich.

Nicht ausschließlich auf die Natur verlassen wollten sich Hal Alper und seine Mitarbeitenden von der University of Texas in Austin. Sie nutzten maschinelles Lernen, um ein bekanntes PET-spaltendes Enzym zu modifizieren. Das Ziel war, die bekannten Schwachpunkte existierender Enzyme zu überwinden, namentlich deren Empfindlichkeit gegenüber Temperatur und pH-Schwankungen sowie langsame Reaktionsgeschwindigkeiten. Das erhaltene Enzym namens Fast-Petase erwies sich als stabil und aktiv im Bereich von 30 bis 50 °C, und konnte unbehandelte PET-Abfälle in weniger als einer Woche in Monomere zerlegen. Auch hier sehen die Forschenden das Potenzial für einen wirtschaftlichen industriellen Einsatz.

Zusammengenommen zeigen diese und weitere Forschungsergebnisse der letzten zwei Jahre, dass Enzyme als Werkzeuge im chemischen Recycling nicht mehr von der Hand zu weisen sind. Neben den bereits entwickelten chemischen Verfahren sowie dem mechanischen Recycling können sie eine wirtschaftliche Ergänzung darstellen, um Kunststoffkreisläufe zu schließen.

Sie möchten gerne weiterlesen?