Die EU-Regelung DPP setzt auf Transparenz, um Umweltauswirkungen und die Herkunft von Produkten für jeden zugänglich zu machen und so die Circular Economy (Kreislaufwirtschaft) zu fördern. Dies erfolgt durch ein digitales Dokument, das über einen QR-Code am Produkt abgerufen werden kann und sämtliche relevante Informationen beinhaltet:
- Hersteller und Herkunft
- Material
- Eigenschaften (physikalisch, chemisch und biologisch)
- Zusammensetzung (Namen und Mengen der verwendeten Rohstoffe/Chemikalien)
- Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit (Möglichkeit, in seine ursprünglichen Bestandteile/Ressourcen zu zerlegen)
- Umweltauswirkungen (Boden, Wasser, Luft)
Ein Schlüsselmerkmal des DPP ist die eindeutige Produktkennzeichnung durch eine Seriennummer. Diese ermöglicht nicht nur das Hinterlegen produktspezifischer Daten, sondern auch deren präzises Abrufen. Dies ist besonders wichtig, um selbst bei identischen Produkten mit unterschiedlichen Restladungen oder Zuständen eine klare Zuordnung zu ermöglichen. Unternehmen, die bisher wenig Erfahrung mit Circular Economy haben oder die Digitalisierung vernachlässigt haben, stehen vor einer besonderen Herausforderung. Data Governance spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie die Verwaltung von Daten während ihres gesamten Lebenszyklus sicherstellt – von der Erfassung über die Verwendung bis zur Vernichtung. In der heutigen Zeit ist eine umfassende Data Governance unverzichtbar, um Datenqualität, Datenintegrität und Datensicherheit zu gewährleisten.
Artikel 10 der EU-Ökodesign-Verordnung gibt aktuell folgende Anforderungen für die Daten an:
- vollständige Interoperabilität für die nahtlose Zusammenarbeit verschiedener Systeme
- freier Zugang zu Produktpass für Verbraucher, Wirtschaftsteilnehmer und weitere maßgebliche Akteure auf der Grundlage ihrer in den Delegierten Rechtsakten festgelegten Zugangsrechten
- sichere Datenspeicherung und Verarbeitung
- Verifikation der Authentizität, Zuverlässigkeit und Integrität der Daten
- Datensicherheit & Datenschutz
Um den Anforderungen der Digitalisierung gerecht zu werden, ist der Einsatz geeigneter Systeme von zentraler Bedeutung. Es gilt stets die Regel: je automatisierter, desto effizienter. Automatisierung hilft dabei nicht nur, Fehler zu vermeiden, sondern auch, um den Arbeitsaufwand und laufende Kosten auf ein Minimum zu reduzieren.
Umsetzung und Deadlines des DPP
Die erste Phase des DPP startete am 1. Januar 2023 und machte die Einhaltung des Digitalen Produktpasses für Elektro- und Elektronikgeräte zur Pflicht. Ab dem 1. Januar 2026 beginnt Phase 2, in der der DPP auf weitere Produktkategorien ausgeweitet wird. Bis 2027 werden Industrien nach dem Circular Economy Action Plan (CEAP) weiter definiert und als Regulierung für bestimmte Produktgruppen eingeführt. Ein Kernpunkt des Programms besteht darin, umfassende Nachhaltigkeitsinformationen bereitzustellen, die von Unternehmen vielfältig genutzt werden können, sei es für die Produktentwicklung, das Marketing oder die Unternehmensführung. Um diese Nachhaltigkeitsinformationen zu generieren, sind Unternehmen dazu angehalten, Daten entlang ihrer Lieferkette zu sammeln. Hierbei können Lieferanten, Hersteller und andere Beteiligte entscheidende Informationen beisteuern. Die Datenerfassung wird durch den Einsatz eines Track-and-trace-Systems unterstützt, das es Unternehmen ermöglicht, die Produktbewegungen innerhalb der Lieferkette zu verfolgen. Dies erleichtert nicht nur die Datensammlung, sondern steigert auch die Transparenz der gesamten Lieferkette. So können Unternehmen beispielsweise defekte Chargen identifizieren und umgehend melden. Dies trägt dazu bei, den Ruf des Unternehmens zu schützen.
DPP: Vorteile auf einen Blick
Die Einführung des DPP bietet sowohl Unternehmen als auch Konsumenten zahlreiche Vorteile.
Für Unternehmen:
- verbesserte Nachhaltigkeit: Transparenz über den gesamten Produktlebenszyklus
- Wettbewerbsvorteil: Vertrauen und Kundenbindung durch Nachhaltigkeitsinformationen und nachweisliche Nutzung hochwertiger Rohstoffe
- verbesserte Effizienz: Optimierung von Reparatur- und Entsorgungsprozessen
- neue Geschäftsmöglichkeiten: Entwicklung für Recycling und Kreislaufwirtschaftslösungen
Für Konsumenten:
- verbesserte Transparenz: fundiertere Kaufentscheidungen durch Produkttransparenz
- Unterstützung nachhaltiger Konsumentscheidungen: Beitrag zum Umweltschutz
verbesserte Sicherheit: Reduzierung der Gefahr von Produktfälschungen
Insbesondere in den Bereichen Chemie und Verpackungstechnik eröffnet dies neue Wege für das Recycling und die Wiederverwertung von Produkten. Diese Ansätze fördern nicht nur die Innovationskraft der Unternehmen, sondern haben auch einen positiven Einfluss auf die gesamte Nachhaltigkeitsbilanz. Die verbesserte ökologische Performance macht Unternehmen attraktiver, da sie ihren Kunden überzeugendere Nachhaltigkeitsbilanzen vorlegen können, was wiederum die Erschließung neuer Kunden und Geschäftsfelder ermöglicht.
Digitaler Produktpass für Alpina-Farben
Die Jokey Group produziert erstmals Kunststoffverpackungen mit einem digitalen Produktpass (DPP). Für Alpina-Farben, eine Marke der DAW SE, werden dazu Farbeimer mit einem entsprechenden QR-Code versehen. Über die Markierung lassen sich beispielsweise recyclingrelevante Eigenschaften und Inhaltsstoffe der Verpackung abrufen. „Mit dem DPP erzeugen wir Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, sagt Gustav Dengel, Product Manager Packaging der Jokey SE. „Dadurch, dass alle relevanten Informationen der Verpackung digital dokumentiert und jederzeit abrufbar sind, schaffen wir zudem eine wichtige Voraussetzung für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen“, so Dengel weiter. Als einer der ersten Hersteller von starren Kunststoffverpackungen produziert Jokey ein Serienprodukt mit DPP. Um eine weltweite Rückverfolgung der Verpackungen sicherzustellen, setzt das Unternehmen auf den digitalen Produktpass von R-Cycle. Durch die Kooperation wird eine standardisierte Dateninfrastruktur des DPP gewährleistet.
„Alpina ist bei nachhaltigen Produkten und Verpackungen Vorreiter der Branche. Bereits heute wird bei diversen Alpinaweiß-Gebinden mindestens 70 Prozent recycelter Kunststoff eingesetzt“, sagt Dorothee Kreis, Head of Packaging DAW SE. „Wir möchten mit dem digitalen Produktpass moderne Kreislaufsysteme aktiv unterstützen und können zugleich unseren Kunden Informationen beispielsweise zum CO2-Fußabdruck der Verpackung transparent zur Verfügung stellen“, so Kreis.
ESG-Datenmanagement und Produktverfolgung
Bei der Erfassung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Daten (ESG) aus Lieferketten und Fertigungsprozessen sollte eine geeignete Softwarelösung eingesetzt werden, die diese Daten sowohl verwalten als auch nachverfolgen (Track-and-trace) kann. Die Lösung ermöglicht die umfassende Bewertung direkter, erworbener und indirekter Emissionen, die durch unternehmerische Maßnahmen, Wertschöpfungsketten und Produkte entstehen. Die Prozesse orientieren sich an globalen Standards für die Kohlenstoffberichterstattung als auch an Best Practices je Industrie.
Die gesammelten Daten können über einen Datenaustauschmechanismus in einem Geschäftsnetzwerk weitergegeben werden. Dieses Netzwerk ermöglicht die Anforderung von Informationen zum Product Carbon Footprint (PCF) und den Austausch von Daten mit Handelspartnern innerhalb des Netzwerks. Dies fördert eine verifizierte Kommunikation und Interoperabilität mit standardisierten Datenmodellen.
Um eine präzise Zuordnung von Daten zu einem bestimmten Produkt zu ermöglichen, empfiehlt sich die Nutzung einer Lösung, die auf Erfahrungen im Bereich Track-and-trace basiert. Diese Lösung bietet durch Programmierschnittstellen (API – Application Programming Interfaces) vielfältige Anbindungsmöglichkeiten an externe Software. Sie generiert eine eindeutige Kennung, die auf das Produkt verweist (Serialisierung) und ermöglicht durch die Erfassung von Ereignissen sowie zusätzlichen Daten wie Qualitätsprüfungen und Zertifikaten eine umfassende Dokumentation, die spezifisch für dieses Produkt ist. Dies ermöglicht eine genaue Rückverfolgung der verwendeten Materialien, Chargen, Komponenten und/oder Baugruppen für die Herstellung eines bestimmten Produkts. Die Track-&-trace-Historie wird dadurch weiter aufgeschlüsselt und detaillierter, während die erzeugten ESG-Daten mühelos über die Produktnummer abgerufen werden können.
Ein zusätzlicher Vorteil von standardisierten Schnittstellen und APIs liegt in der nahtlosen Integration der Lösungen in bestehende IT-Landschaften. Durch die einfache Einbindung und Integration in die Architektur wird der Aufbau doppelter Datenstrukturen vermieden, was die Datenpflege erheblich vereinfacht und somit die Gesamtkosten deutlich reduziert.
Konsequenzen und Erfolgsfaktoren
Die Nichteinhaltung des DPP kann erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen, wie in der Verordnung (EU) 2022/920 der Europäischen Kommission detailliert festgelegt:
- vorsätzlich: Bußgelder bis zu 10 Mio. Euro oder bis zu 0,5 % des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens, je nachdem, welcher Betrag höher ist.
- fahrlässig: Bußgelder bis zu 5 Mio. Euro oder bis zu 0,2 % des weltweiten Jahresumsatzes des Unternehmens, je nachdem, welcher Betrag höher ist.
Es ist darum entscheidend, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen und das Thema nicht auf die lange Bank zu schieben. Der DPP wird eingeführt und Unternehmen müssen bereit sein, sonst drohen nicht nur finanzielle Verluste, sondern auch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten. Unabhängig von den gewählten Systemen ist der erste Schritt entscheidend. Prokrastination birgt Risiken und die Vorbereitungen sollten frühzeitig beginnen. Bei der Auswahl von Lösungen ist auch die zukünftige Skalierbarkeit zu berücksichtigen. Obwohl Excel vorübergehend als Werkzeug dienen kann, stößt es schnell an seine Grenzen und ist anfällig für Fehler. Digitalisierungsprojekte dieser Art erfordern durchschnittlich mindestens ein Jahr, um alle Prozesse nahtlos in die bestehende IT-Landschaft zu integrieren.
Ein vorzeitiger Start und die Berücksichtigung der zukünftigen Anforderungen sind entscheidend. Rat und Unterstützung von erfahrenen Partnern sind dabei von unschätzbarem Wert, um Fehler im Vorfeld zu vermeiden und das Projekt erfolgreich zu gestalten. Ein starker Partner mit Erfahrung in den Bereichen Digitalisierung und Track-and-trace ist besonders empfehlenswert, um die Anforderungen des DPP effektiv zu bewältigen.
Chance für Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Was zunächst wie eine weitere Bürde erscheint, ist eine Chance, die eigenen Prozesse weiter zu digitalisieren und Daten miteinander zu verknüpfen, um das volle Potenzial auszuschöpfen. Beispielsweise ermöglicht die Einhaltung des Battery Passport nicht nur die Einführung und Vermarktung von Batterien nach der neuen EU-Regulierung, sondern generiert auch eine beträchtliche Menge an Daten, die sinnvoll ausgewertet und genutzt werden können.
Die gesammelten Echtzeitdaten ermöglichen die Simulation verschiedener Szenarien, wodurch Entscheidungsprozesse optimiert werden können. Von der Standortwahl für eine zusätzliche Fertigung über das Warehouse Management bis hin zur Optimierung globaler Lieferwege und der Anpassung an Katastrophen oder Marktschwankungen – die Bandbreite der Anwendungsfälle ist vielfältig und kann sowohl lokal als auch global betrachtet werden.
Es ist von großer Bedeutung, zu verstehen, dass derzeit viele Digitalisierungsinitiativen wie Gaia-X, Catena-X, Manufacturing-X, Battery Passport und DPP gestartet wurden. In Zukunft wird es unerlässlich sein, über gut zugängliche Daten zu verfügen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die richtigen Wahl der Software und des Beratungspartners ist hierbei entscheidend, um Unternehmen bei der Identifizierung, Implementierung und Servicebereitstellung passender Lösungen zu unterstützen – sowohl auf lokaler als auch auf globaler Ebene.