Nach dem Zweiten Weltkrieg: Nivea Creme in Pappe.
PS: Diese Bildergalerie ist Teil unserer Rückschau <a href=" http://www.neue-verpackung.de/58208/70-jahre-neue-verpackung/
">70 Jahre Verpackungsgeschichte</a>

Nach dem Zweiten Weltkrieg: Nivea Creme in Pappe.
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Die Zeit des Anfangs

Der Zweite Weltkrieg war verloren, in Deutschland lebten zehn Prozent mehr Menschen als 1939, inklusive der Flüchtlinge und Vertriebenen. Zusätzlich kehrten Millionen Kriegsgefangene zurück, die ebenfalls versorgt werden mussten. Die deutschen Industriebetriebe waren größtenteils demontiert. Die, die noch produzierten, waren mit hohen Reparationen und Besatzungskosten belastet. Es herrschte Versorgungsnotstand in allen Bereichen des täglichen Lebens, der Schwarzmarkt blühte, die Menschen hatten Hunger und versetzten ihr Tafelsilber. Packstoffe und Packmittel, die die wenigen vorhandenen Güter beim Transport schützen konnten, fehlten, sodass Transportschäden die prekäre Situation weiter verschärften.

Warenverluste durch Packstoffmangel

So schreibt Johannes Hoffmann, der Gründer der „neuen verpackung" in seinem Informationsdienst Anfang 1948 von 20 bis 25 Prozent Verluste beim Papiertransport infolge Mangel an Packbrettern. 20 Prozent Verlust bei Kunstseiten, da Kisten und Packmaterial fehlten, um die Spulen transportsicher zu machen. Zehn Prozent Verlust durch lose Verladung von Zement (alleine für die Herstellung dieser Menge Zement wurde mehr Kohle verbraucht, als für die Produktion der zum Transport notwendigen Papiersäcke nötig gewesen wäre). Acht bis zehn Prozent Bruchverlust in der Glasindustrie (früher ein Prozent) wegen fehlender oder ungeeigneter Verpackung. Verluste an Salz infolge losen Versandes oder Verwendung von Sulfitpapiersäcken. Ausfälle von 30 bis 50, ja sogar von 100 Säcken je Waggon sind hier beobachtet worden. Verluste beim Teigwarenversand in leichten Papiersäcken, von denen fast jeder zweite Sack zerrissen ankam. Verluste an Margarine und Suppenerzeugnissen, die von Lieferfirmen nur im Ober- oder Unterteil eines Kartons mit Papier als Deckelersatz versendet wurden. Verlust an Marmelade, die selbst in der warmen Jahreszeit teilweise nur in Steigen oder Spankörben zum Versand kam. Eine Wiederverwendung der Packmittel war nicht möglich, da es keine Rücklaufsysteme gab. Zusätzliche Faktoren wie Rohstoffknappheit, Zonengrenzen, Ausfall von Maschinen, Stromsperren, Mangel an Arbeitskräften und Transportprobleme bringen der Verpackungswirtschaft den Zusammenbruch beziehungsweise den Stillstand.

Mangel macht erfinderisch

Danke Uncle Sam

Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Amerikaner den Deutschen die Demokratie gelehrt, sie mit ihren Care-Paketen satt gemacht, mit dem Marshallplan Investi­tionen angeregt und zu guter Letzt die Kunst des Verpackens, Verkaufens und Werbens nahegebracht. Im Jahre 1946 bekam der spätere Gründer der „neuen verpackung", Johannes Hoffmann, von den Amerikanern den Auftrag, das darniederliegende Verpackungswesen zu organisieren. Es wurden unterstützende Organisationen gegründet, wie beispielsweise die Gesellschaft der Deutsch-Amerikanischen Handels GmbH Frankfurt.

Anfang 1950er-jahre: Produkte mit Mehrfach­nutzen waren inden USA schon vor dem Zweiten Weltkriegeine gute Marketingidee.
Anfang 1950er-jahre: Produkte mit Mehrfach­nutzen waren inden USA schon vor dem Zweiten Weltkriegeine gute Marketingidee.

Erfolgsstories aus Amerika

Diese brachte 1951 ein von der „neuen verpackung" verlegtes Buch heraus, das die Entwicklungsschritte von zwanzig amerikanischen Markenartikeln und ihrer signifikanten Verpackungen beschrieb. Die Erfolgsstories der Marken Heintz, Planters, Kraft, Colgate, Uneeda Biscuits oder Kleenex sollten die Deutschen anspornen und stärken. Vortragsreisen von amerikanischen Experten durch Deutschland und Studienreisen deutscher Spezialisten in die USA unterstützten den Aufbruch zu neuen Ufern. Im Rahmen dieses „Know-how-Transfers" reiste Johannes Hoffmann bereits 1951 von Frankfurt nach New York. Amerikanische Schlagwörter wie One-Way-Glassbottle, Teamwork, Know-how, Overpacking oder Fibre Drum wurden bald Bestandteil der deutschen Sprache. Der „American way of life" wurde der deutschen Bevölkerung über aufkommende Werbung, neue Produkte, wie Spraydosen, Instantpulver, Lucky-Strike-Zigaretten, und den Gewohnheiten der amerikanischen Besatzerfamilien täglich vor Augen geführt. Ganz langsam kamen auch amerikanische Konzerne mit Tochterfirmen auf den deutschen Markt, beispielsweise Dow Chemical, 3M (Minnesota Mining and Manufacturing Company), Union Carbide oder Continental Can. Der wirtschaftliche Aufschwung mit dem sich anbahnenden deutschen Wirtschaftswunder setzte im Bereich Verpackung 1958 mit der ersten Interpack in Düsseldorf, heute die größte Verpackungsmesse der Welt, einen ersten Meilenstein.

Der "American way of life"

Die Fünfziger:
Spraydosen sind die Neuheit

Der norwegische Ingenieur Erik Rotheim aus Oslo erfand 1927 ein Verfahren zum Versprühen von in flüssigem Gas gelösten Materialien. Auf dem Weg von einem druckfesten Behälter zu einer Austrittsöffnung wird der unter Druck stehende Inhalt einer sprunghaft stattfindenden Druckminderung ausgesetzt, und die flüssige Substanz wird zu einem feinen, gasförmigen Sprühstrahl. Rotheim beschrieb in seinem Patent bereits die Anwendung des Verfahrens für zum Beispiel Öle, Fette, Wachse, Lacke oder Desinfektionsmittel – eine geniale Idee. Doch erst 1941 gelang es den Amerikanern T. L. Goodhine und W. N. Sullivan, ein Insektenspray zu entwickeln, das mit Kohlendioxid als Treibgas mit einem Innendruck von 6 atü versprüht werden konnte.

Die Werbung für die ersten Aluspraydosen (um 1957) für Sonnenschutz „Spray-Tan“ wirkt sehr amerikanisch.
Die Werbung für die ersten Aluspraydosen (um 1957) für Sonnenschutz „Spray-Tan“ wirkt sehr amerikanisch.

Diese Dosen, von amerikanischen Soldaten nach dem Zweiten Weltkrieg nach Deutschland gebracht, wurden im Volksmund „Bug Bombs" – Ungezieferbomben – genannt. Ab 1949 gab es erstmals auch Spraydosen mit einem Innendruck von 2,4 – 2,8 atü, die weniger gefährlich waren. 1950 berichtete die „neue verpackung" unter der Rubrik Neuerungen erstmals von der großen Neuheit aus den USA, den Spritzdosen, die in den Bereichen Desinfektionsmittel, Schädlingsbekämpfung und im Bereich Farben sehr erfolgreich waren.

Dreiteilige Blechdosen von Schmalbach

Bereits 1951 fertigte die deutsche Firma J. A. Schmalbach Blechwarenwerke Braunschweig als erstes Unternehmen dreiteilige Blechspraydosen für Autopflegemittel in Lizenz der amerikanischen Firma Continental Can Company. 1952 brachte die Firma Rütgers aus Duisburg als einer der Ersten in Deutschland den Rostlöser Caramba in Aerosoldosen auf den Markt. Schmalbach lieferte auch das Equipment zum Abfüllen, wo von der Bodenseite her Wirkstoff eingefüllt wird, danach kommt tiefgekühltes Gasgemisch in flüssiger Form hinzu und die Bördelmaschine falzt den Blechboden auf. Ab Mitte der Fünfzigerjahre gab es auch Spraydosen aus Aluminium. Im Oktober 1955 brachte der Hamburger Kosmetikhersteller Schwarzkopf das erste Haarspray unter der Marke Taft auf den Markt. Ende der Fünfziger betrug das Marktvolumen von Aerosoldosen circa 25 Millionen Stück, während heute annähernd eine Milliarde produziert werden.

Die ersten Convenience-Verpackungen

Die Sechziger:
Der Siegeszug der Kunststoffflaschen

Extrusionsgeblasene Kunststoffbehälter, individuell geformt, gewannen in den Sechzigerjahren immer mehr an Bedeutung. Die sich immens vermehrenden Selbstbedienungsläden verlangten nach praktischen, plakativen und modernen Verpackungen. Das Extrusionsblasverfahren, ähnlich dem Glasblasen, war im Prinzip schon seit 1851 mit dem amerikanischen Patent Nr. 8180, das ein Aufblasen eines Guttapercha­rohres beschreibt, bekannt. Auch in der deutschen Patentschrift Nr. 86631 von 1894 wurde das Aufblasen und Formen eines Zelluloidrohres beschrieben. 1950 erhielten die Brüder Reinhold und Norbert Hagen, Besitzer der 1935 gegründeten Firma Kautex, ein deutsches Patent über das Verfahren und Herstellen von Flaschen aus thermoplastischen Kunststoffen (DP Nr. 971333). Die Extrusionsblastechnik war bereits in den Dreißigerjahren in den USA durch die Firma Plax Corp. aus Hartford patentiert worden. Die Amerikaner vergaben nach dem Zweiten Weltkrieg jedoch nur zögerlich Lizenzen und diese nur an Großkonzerne. Dieses und eigene neue Ideen trieben die beiden Brüder dazu, weitere eigene Entwicklungen anzustellen. Auf einer umgebauten Spindelpresse mit vorgeschaltetem Extruder wurden erste Verfahrenstests durchgeführt und entsprechende Hohlkörper produziert. Im Gegensatz zum amerikanischen Prozess, bei dem im geschlossenen Werkzeug von oben gleichzeitig extrudiert und Blasluft zugeführt wurde, brachte Kautex das Blasrohr von unten in den extrudierten Schlauch ein und quetschte diesen dann durch Zusammenfahren des zweigeteilten Werkzeuges an der oberen Seite ab. Dann wurde durch das Blasrohr Druckluft zugeführt, welche die Flasche von innen aufblies. Das Blasrohr, das gleichzeitig die Flaschenöffnung festlegte, wurde im Anschluss nach unten herausgezogen und die geteilte Form geöffnet. Ende der Fünfzigerjahre gab es von den verschiedenen Herstellern funktions- und leistungsstarke Blasmaschinen und von chemischen Herstellern wie BASF oder Höchst die dazu notwendigen Kunststoffe, sodass die Kunststoffflasche in den Sechzigerjahren ihre erste große Blütezeit erlebte.

Auch Lebensmittel in der Kunststoffverpackung

Mit Ende der Sechzigerjahre wurden dann auch Lebensmittel wie Essig, Öl oder auch Milch in extrusionsgeblasene Flaschen verpackt. Neu entwickelte Dekorationsverfahren wie Bedrucken (Therimage) und Etikettieren sowie neuartige Spritzgussverschlüsse machten die Flaschen, die ab etwa 1965 auch integrierte Tragegriffe hatten, komplett. Eine Sensation war die größte Extrusionsblasanlage der Welt für Behälter bis 2.000 Liter Inhalt, die Kautex 1965 in Betrieb nahm. Am weitesten fortgeschritten waren die Entwicklungen von PVC-Flaschen für Bier mit Kronkorkenverschluss und sogar für Wein. Einen großen Marktschub brachte den extrusionsgeblasenen Kunststoffbehältern die Einführung von griffig geformten Behältern für Motoröl, Ende des erfolgreichen Jahrzehnts.

Kunststoffe sind nicht mehr aufzuhalten

Die Siebziger:
Tetra Brik erobert die Welt

Ab den Siebzigerjahren war das neue aseptische Verpackungssystem „Tetra Brik" in der rechteckigen Kartonverbund-Packung marktreif. Der Name Brik (ähnlich dem englischen Wort für Ziegelstein) ist von der Form der Packung abgeleitet. Das amerikanische Institut für Lebensmitteltechnologie bewertete diese neue aseptische Verarbeitungs- und Verpackungstechnologie als die bedeutendste lebensmitteltechnische Innovation der letzten 50 Jahre.

Das Grundprinzip des Tetra-Pak- (Tetraeder) Systems aus der Patent­anmeldung aus dem Jahre 1944.
Das Grundprinzip des Tetra-Pak- (Tetraeder) Systems aus der Patent­anmeldung aus dem Jahre 1944.

Mit der Verpackungstechnik, das heißt Formung von der Rolle, der Abfüllung in steriler Umgebung ohne Restluft in der Packung und der aus der Form resultierenden Stapelbarkeit hob sich Tetra Brik von allen großen Konkurrenten wie Elopak oder PKL ab. Diese arbeiteten nicht von der Rolle sondern von vorgefertigten Zuschnitten, sogenannten „Blanks". Die aufkommende Rationalisierung im Logistikbereich mit der Europalette 120 x 80 cm und die darauf abgestimmten Modulmaße der Packung machten die Tetra-Brik-Packung zu einem höchst effizienten Packmittel (95 Prozent Palettenausnutzung) für flüssige Lebensmittel. Die Entwicklung bei Akerlund und Rausing, später Tetra Pak, begann 1944 mit der Patentanmeldung des Tetraederpacks von der Rolle (noch gewachster Karton), über eine aufwendige, fast zehn Jahre andauernde Materialentwicklung zum PE-kaschierten beziehungweise beschichteten Duplexkarton. Um 1960 wurde das Projekt „Brik" gestartet und ab Mitte der 1960er-Jahre im Markt getestet. Ende der Sechziger war es dann marktreif und in puncto Abfülltechnik sowie Packungsmaterial weltweit führend. In Deutschland stellte die Berliner Molkerei C. Bolle im Februar 1969 als erste auf das System Tetra Brik um. Es wurden elf Maschinen mit einer Gesamtstundenleistung von 40.000 Litern Milch installiert. Als Material setzte Bolle 250 g/m2 Duplexkarton, der beidseitig mit PE beschichtet war, ein. Die Firma Zupack aus Darmstadt, ein kleines deutsches Unternehmen, das ähnliche Packungen von der Rolle herstellte und füllte, kämpfte in den Siebzigerjahren vergebens gegen den Riesen Tetra Pak und wurde 1982 von diesem übernommen. Heute werden in Deutschland circa sieben Milliarden Tetra Paks hergestellt (Anteil Tetra Brik über 95 Prozent). Weltweit sind es über 130 Milliarden Einheiten.

Siegeszug eines Quaders

 Die Achtziger:
Getränkedose bringt Convenience

Die Getränkedose wurde Anfang der 30er-Jahre in den USA erfunden. Dort brachte die Brauerei Krüger 1933 die erste Bierdose der Welt, verschlossen mit zwei Böden, auf den Markt. Ab Mitte des Jahrzehnts wird diese Variante von einer Blechdose der amerikanischen Brauerei Schlitz mit konischem Oberteil (Dom) und Kronkorkenverschluss, zum besseren Öffnen, abgelöst. Im Gefolge der nach dem Zweiten Weltkrieg im Land stationierten amerikanischen Soldaten kam die Getränkedose nach Deutschland. Der Blechwarenhersteller Schmalbach, Braunschweig, war der erste deutsche Hersteller von Bierdosen in einfacher Ausführung. Diese für den deutschen Markt hergestellten Dosen waren mit zwei Böden verschlossen und mussten mit einem separaten Werkzeug geöffnet werden. 1958 wurde dann die erste zweiteilige und wesentlich leichtere Aluminium-Getränkedose im Fließpressverfahren produziert, das 1968 vom Tiefziehverfahren abgelöst wurde. Coca-Cola war der erste Softdrink, den es um 1963 in einer Getränkedose zu kaufen gab. Der von Ermal Fraze 1963 erfundene „Easy-Open-Ring-Pull"-Oberverschluss machte die Getränkedose zu einem perfekten Packmittel für zuhause und unterwegs.

Die Achtziger: Das Einziehen der Oberseite ermöglichte einen kleineren Ring-Pull und sparte so Gewicht und Kosten. Die Dose bekommt immer mehr die Form einer „Blechflasche“.
Die Achtziger: Das Einziehen der Oberseite ermöglichte einen kleineren Ring-Pull und sparte so Gewicht und Kosten. Die Dose bekommt immer mehr die Form einer „Blechflasche“.

Der heutige „Stay-On-Tab" mit der Öffnungslasche, die an der Dose verbleibt, kam 1989 auf den Markt und verbesserte das Packmittel nochmals. Anfang der Achtzigerjahre erfolgte die Einführung der zweiteiligen Weißblech-Getränkedose mit 500 ml Inhalt, hauptsächlich für Bier. 1987 wird die Getränkedose, um den Materialverbrauch weiter zu senken, an der Oberseite nach innen eingezogen (geneckt), was den Einsatz kleinerer Ring-Pull-Verschlüsse ermöglichte.

Auf dem Weg zum Leichtgewicht

Aufgrund der stetigen Verbesserung sank das Gewicht bei der 0,33-Liter-Weißblechdose kontinuierlich. Betrug es 1935 noch 100 Gramm, waren es im Jahre 2005 nur noch 22 Gramm. Eine vergleichbare Aludose wiegt heute elf Gramm. Die Produktionsmengen dieses wachsenden europäischen Marktes liegt bei 45,5 Milliarden Einheiten im Jahr 2006. In Deutschland wurden 2,5 Milliarden Dosen produziert.

Technisch optimiert und immer leichter: die Getränkedose

 Die Neunziger:
Der Beutelboom

Die öffentlich geführte Diskussion über die Verpackung mit den Schlagwörtern Umwelt, Ozonschicht, Deponie, Verbrennung und Recycling Ende der Achtzigerjahre brachte eine Fülle von Maßnahmen und Veränderungen für die Verpackungsindustrie mit sich. Ökobilanzen für einzelne Packstoffe und komplette Verpackungen wurden erarbeitet und zur Beurteilung und Entscheidung über den Einsatz herangezogen. Viele Packmittel wurden diskriminiert und andere, dank guter Lobby, hochgelobt. Während der ganzen Diskussion kristallisierte sich zunehmend heraus, dass der Kunststofffolienbeutel, möglichst sortenrein, mit seinen guten Sperreigenschaften, dem niedrigen Gewicht und geringen Volumen das ideale ökologische Packmittel darstellt. Viele Hersteller und Markenartikler bevorzugten ein Nachfüllsystem mit stabilem Basisbehältnis, das mehrfach verwendet wird und mit einem leichten Beutel als Nachfüllpack kombiniert wird. Entsprechende Markttests ergaben eine hohe Akzeptanz dieser Konzeption beim Verbraucher. Der Verbraucher nahm die Nachteile eines umständlichen Öffnens mittels Schere des teilweise unförmigen und schlecht zu greifenden Beutels sowie das Umfüllen in Kauf. In der späteren Praxis zeigte sich jedoch, dass der Verbraucher – das unbekannte Wesen – sich das Umfüllen meistens sparte und das Produkt in der kostengünstigen Beutelpackung beließ. Ein Grund mehr für die Markenartikler, den Beutel in Form und Druck zu verbessern, ihn vermehrt als ökologisches Primärpackmittel preisgünstig anzubieten und auszuloben.

Markenartikler entdeckten den Beutel

Anfang der Neunzigerjahre gab es einen regelrechten Beutelboom. Bunt bedruckte Folienbeutel in den unterschiedlichsten Fertigungsarten eroberten die Handelsregale. Große Markenartikler wie Nestlé (mit Nesquik) oder Milupa (mit Milumil) hatten Angst, mit ihren stabilen, praktischen und gut wiederzuverschließenden Dosen Marktanteile zu verlieren und setzten auf preiswerte und ökologische Beutel. Die Markenartikler folgten gerne diesem Trend, denn es war auch eine Möglichkeit, Kosten einzusparen. Fast alle Branchen von Süßwaren bis Waschmittel stellten vermehrt auf Beutel um und bescherten der Verpackungsfolie einen enormen Aufschwung. Ab Mitte der Neunzigerjahre war das Angebot an Folien sowie den dazu passenden – je nach Kundenanforderung – Form-, Füll- und Verschließmaschinen riesig. Neue Öffnungs- beziehungsweise Wiederverschluss-Systeme und standsichere Beutelkonstruktionen geben dem Packmittel bis heute alle Marktchancen.

Der Beutel – mehr als ein Nachfüllsystem

Das neue Jahrtausend:
Die PET-Revolution

PET ist ein thermoplastischer und formbarer Kunststoff, der sich beim Einsatz der Spritzblastechnik hervorragend zur Herstellung von glasklaren Flaschen eignet. Die Technik ist historisch im Prinzip so alt wie das Extrusionsblasen und hat ihre Wurzeln in den USA (Patent Nr. 8180/1851, Aufblasen eines heißen Guttaperchaschlauches). Bereits auf der Interpack im Jahre 1969 stellte die Firma Kautex eine Spritzblasmaschine aus, und in den Siebzigerjahren gab es erste vom Preform geblasene PET-Flaschen in Frankreich und den USA (Coca-Cola). Die Flaschen waren an der Bodenseite kuglig ausgeformt, wobei ein zusätzlicher Sockel aus HDPE zur Standsicherheit eingearbeitet wurde.

Coca-Cola gab es schon um 1990 in Deutschland
in PET.
Coca-Cola gab es schon um 1990 in Deutschland
in PET.

1995 brachte der führende deutsche Getränkehersteller Gerolsteiner zusammen mit der Genossenschaft Brau und Brunnen die erste PET-Mehrweg-Flasche mit standfester Bodenform für Brunnenlimonade auf den Markt. Der Test verlief positiv, der Verbraucher akzeptierte, ja er bevorzugte, die leichten, glasklaren und unkaputtbaren PET-Flaschen trotz vieler negativer Vorhersagen. Im Zeichen zunehmender Singlehaushalte und einer veränderten Altersstruktur der Bevölkerung machten sich die Vorzüge der leichten Flaschen in Getränkekisten, zum Beispiel beim Tragen über viele Treppenstufen, besonders bemerkbar. Die neue Fertigungskonzeption, Preforms getrennt und preisgünstig mit hoher Ausbringleistung zu produzieren und erst vor Ort zu blasen und zu füllen, brachte Kosten- und Qualitätsvorteile. Es entstanden in kürzester Zeit große Fabrikationszentren für Preforms, die rund um die Uhr vollautomatisch produzieren.

PET gewinnt Marktanteile

Die individuelle Formgestaltung sowie moderne Dekorationstechniken wie das Schrumpf-Sleeve-Verfahren oder das Stretch-Sleeven bringen zusätzlich marketingtechnische Impulse. Alle Getränkebetriebe Deutschlands, ja weltweit, investieren in die leichte PET-Flasche. Um die Jahrtausendwende nimmt sie der Glasflasche aus dem Stand zwölf Prozent Marktanteil in einem Jahr ab. In Deutschland sind heute circa 800 Millionen PET-Flaschen in den Größen 0,5 , 1 und 1,5 Liter mit steigender Tendenz im Umlauf. 30 Prozent davon gehen in einen stofflichen Kreislauf und werden wieder zu einem Preform beziehungsweise einer PET-Flasche. Über die Hälfte der gebrauchten PET-Flaschen geht für gutes Geld nach China, um dort zu PET-Fäden verarbeitet zu werden, aus denen zum Beispiel Fleecepullis in der Bekleidungsindustrie gefertigt werden.

Helmut Kücherer

Hoch in der Verbrauchergunst: PET-Flaschen

 

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