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(Bild: Gina Sanders – Adobe Stock)

Bei großen Markenartikelherstellern wird meistens ein „kreatives Team“ aus den eigenen Reihen gebildet. Hier geht es um die einzelnen Schritte zur Entwicklung neuer Verpackungslösungen: von der Erstellung eines Briefings über Findungsmethoden bis hin zu den erforderlichen Prüfungen auf Eignung in einem Lebensmittel-herstellenden Betrieb.

Was ist ein kreatives Team?

Ein kreatives Team ist im Grunde einfach eine Art „Denkfabrik“ oder „Thinktank“. Es besteht aus drei bis acht Mitgliedern, meist aus dem Auftraggeber, dem Verpackungsmanager, Mitarbeitern aus der Entwicklungsabteilung und dem Verkauf. Sie sollen fantasievoll denken können, sich locker und positiv mit dem Unternehmen identifizieren und unbedingt teamorientiert sein. Wer glaubt, ein Einzelkämpfer kann eine wirklich innovative neue Verpackungslösung finden oder entwickeln, dürfte schlecht beraten sein: Nur selten kommt dabei etwas Einmaliges, Individuelles heraus, wie zum Beispiel die ikonische Coca-Cola-Flasche mit ihrem Alleinstellungsmerkmal.

Packstoffe und Packmittel kennen

Völlig neue Verpackungstypen kann man heutzutage praktisch nicht mehr erfinden. Im Prinzip sind alle Arten und Typen von Verpackungen mittlerweile bekannt. Es gibt allerdings eine Vielfalt von Kombinationsmöglichkeiten zwischen den Packstoffen und Packmitteln, und weil das Verpackungsmanagement eines herstellenden oder verpackenden Betriebs sowie die anderen Mitglieder des kreativen Teams nicht immer den vollen Überblick haben können, sollte die nachstehende Liste – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – hierzu eine gute Hilfestellung geben. Jedes Mitglied des Teams sollte eine solche Liste haben.

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Checkliste zur Erstellung von Verpackungsbriefings (Bild: BFSV)

Ein klares Briefing ist Voraussetzung

Meist ist das Marketing der Auftraggeber für neue Entwicklungen. Bei einer Neuentwicklung übernimmt das Verpackungsmanagement die Koordination des Projekts für den technischen Bereich. In kleinen oder mittleren Betrieben dürfte das eher die Geschäftsleitung sein. Ein klares Briefing muss alle Ansprüche an die neue Aufgabe zur Findung einer neuen oder anderen Verpackung enthalten. Es muss klar das Ziel definieren und es muss von allen, die darin einbezogen sind, verbindlich unterschrieben sein; doch davon später mehr.

Marketing bedeutet einfach ausgedrückt „einen Markt machen“, ihn sich also erschließen. Marketing ist die gezielte und zielgruppenorientierte Ausrichtung einer Unternehmung zu (geschäftlichem) Erfolg. Die Goldene Regel für das Verpackungsmanagement dazu lautet: ohne ein beiderseitiges, akzeptiertes und unterschriebenes Briefing kein Beginn einer Verpackungsentwicklung.

Warum? Dadurch wird vermieden, dass mitten in der Arbeit möglicherweise neue Aspekte und Erkenntnisse das Ziel verändern. Das Problem ist, dass der Auftraggeber meist nicht übersehen kann, welche Folgen das auf die Fertigstellung des Projekts hat. Praktisch jede gravierende Änderung bedeutet eine Zeitverschiebung nach hinten und bringt Planungsprobleme mit sich für den Betrieb, den Verkauf, die Werbung und andere Abteilungen. Wie die Erfahrung zeigt, wird dieser Zeitverlust allerdings nur vom Verpackungsmanagement wahrgenommen und sozusagen realisiert, während alle anderen meinen, der ursprüngliche Zeitplan könne durchaus noch eingehalten werden.

Hat das Marketing das Briefing alleine erstellt, dann muss das Verpackungsmanagement das Briefing sehr wahrscheinlich mit einer Reihe von technischen Elementen ergänzen, die dort meist nicht sofort gesehen werden. Beispiele dafür sind: Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD), Displays, Anzahl der Einzelverpackungen in den Transportverpackungen, Dimensionierung, Recycling, Bioabbaubarkeit, Entsorgung. Die aufgeführte Checkliste des Verpackungsmanagements bietet dafür eine Hilfestellung; erst danach ist das endgültige Briefing fertig.

Der erste Schritt …

Der erste Schritt zur Verpackungsentwicklung ist die Analyse des Wettbewerbs: Kaufen Sie im Markt alle gleichen oder ähnlich verpackten Produkte des Wettbewerbs. Analysieren Sie deren Verpackungen und stellen Sie deren Stärken, vor allem aber Schwächen fest, zum Beispiel das oft kritisierte schlechte Öffnen. Was ist gut gelöst? Stimmt deren Modularität? Prüfen Sie die Maße und vergleichen Sie die Tara-Gewichte. Welche Regal- oder Umverpackungen gibt es? Wie viele Kilogramm an Verpackungsmaterial kommen auf eine Tonne Packgut? Gute oder schlechte Entnahmemöglichkeit zum Beispiel bei vielen Konfitürengläsern. Extreme oder optimierte Formgebung? Welche Entsorgungsgebühren?

Ein erfahrener Verpackungsmanager kann dann immer noch etwas verbessern, optimieren, eleganter lösen, vor allem aber leichter machen. Seine Analyse soll das kreative Team danach erfahren, vor allem aber seine Verbesserungsvorschläge. Dies dient zur Einstimmung in die Lösung der Aufgabe.

Zweiter Schritt: Brainstorming 

Brainstorming ist eine Methode, um Problemlösungen oder neue Ideen zu finden. Im Internet gibt  es genügend Beschreibungen dazu; hier werden deshalb nur einige wenige Regeln genannt, die im Team eingehalten werden sollten, um damit gute Ergebnisse erzielen zu können: Der Moderator stellt die Aufgabe zu Beginn nochmals vor. Es ist durchaus zweckdienlich, die gestellte Aufgabe mithilfe von Anschauungsmaterial noch anschaulicher machen. Der Moderator sollte das Team aber auch über die Gründe für diese Zusammenkunft unterrichten. Brainstorming funktioniert nicht auf Knopfdruck. Es sollte zuvor bereits eine gewisse Übung damit gegeben haben, mit einem Teamgeist und jenem Klima, das die Teilnehmer positiv motiviert. 

Der Moderator visualisiert alle Ideen und Nennungen kommentarlos auf einem Flipchart. Die Regeln für das Team: Keine Kritik an irgendeinem Vorschlag, etwa „Das geht nicht ...“ oder „Alles schon uralt …“. Es soll so sein, dass man jeden Einfall äußern kann, auch wenn er abstrus oder verrückt erscheint, und man keine Angst vor einer Blamage haben muss. Dass man die Ideen anderer aufgreifen und weiterspinnen kann. Und vor allem: möglichst locker bleiben. Dabei gilt: Quantität vor Qualität. Schließlich erfolgt die Auswahl der Vorschläge, ihre Bewertung und eine Festlegung auf ein bis drei Lösungsvorschläge.

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Die erste Schmelzkäse-Verpackung in Schalenform aus den 1970er-Jahren war damals eine Verpackungssensation. Milkana ersetzte damit die bis dahin übliche Verpackung in Aluminiumfolie, die fast immer Käsereste an den Fingern hinterließ. (Bild: Milkana)

Eine andere Möglichkeit – die 6-3-5-Methode

Sechs Teilnehmer und ein Moderator, der das Team ebenso informiert wie oben. Auch diese Methode ist beispielsweise im Internet ausführlich beschrieben. Jeder Teilnehmer erhält ein Arbeitsblatt mit sechs horizontalen Zeilen unterteilt durch drei vertikale Linien, sodass auf dem Blatt 3 x 6 Kästchen entsprechend groß zur Beschriftung zur Verfügung stehen. Jeder Teilnehmer schreibt nun drei seiner Ideen in die drei nebeneinander stehenden Kästchen. Der Moderator gibt dazu vielleicht drei bis fünf Minuten Zeit. Danach werden die Arbeitsblätter jeweils fünfmal an den Nachbarn weitergegeben. Dieser wiederum soll die Ideen seines Vorgängers ergänzen oder weiterspinnen, modifizieren, weiterentwickeln und trägt seine Vorschläge in die drei Kästchen darunter ein. Zum Schluss werden die Ideen bewertet und es erfolgt eine Auswahl der möglichen neuen Vorschläge.

Aktivitäten des Verpackungsmanagements

Je nach den Vorschlägen des kreativen Teams und den Erkenntnissen aus den Wettbewerbsverpackungen legt das Verpackungsmanagement alle technischen Details fest: Abmessungen der Um- und Transportverpackungen sowie Palettenbeladung, Recycling- und Entsorgungsangelegenheiten, CO2-Fußabdruck und die Beschaffung aller erforderlichen Dokumente vom Verpackungshersteller wie Unbedenklichkeitsbescheinigung, Konformitätserklärung, etc.

Die Goldene Regel hier: Erst dann, wenn diese Dokumente zufriedenstellend vorliegen, sollten die entsprechenden Muster erstellt und alle Stellen im Unternehmen davon informiert werden: Administration (Kostenerfassung, Entsorgungskosten), Einkauf, Marketing, Betrieb, Logistik, Marktforschung, Agentur (Bedruckung, Ausstattung) und Verkauf.

Praktische Marktforschung 

Ist der Auftraggeber hinsichtlich der Akzeptanz seines (neuen) Produkts in dessen neuer Verpackung unsicher, dann ist ein Test mit Verbrauchern sehr zu em­pfehlen. Unter praxisgerechten Bedingungen werden die entsprechenden Verpackungen befüllt, nachbehandelt und einem Marktforschungstest unterzogen. Dazu muss eine repräsentative Zahl von Verbrauchern nach der Akzeptanz befragt werden. Dabei lautet die Frage, die sich die Testpersonen stellen: „Würde ich das kaufen?“ Die Skalierung der Akzeptanz erfolgt in sieben bis zehn Stufen. Wird lediglich der Mittelwert erreicht, so müssen die Gründe besonders untersucht werden. Gefällt das Produkt nicht so gut, liegt es an der Verpackung?

Entwicklungszeit

Von der ersten Idee bis zur Markteinführung sollte man mit einem Zeitraum von etwa 18 Monaten rechnen; allein die Auslagerung zur Feststellung des MHD nimmt schon erhebliche Zeit in Anspruch.

Schlussbemerkung

Was uns heute selbstverständlich erscheint, zum Beispiel die Schmelzkäse-Verpackung in einer wannenförmigen Schale, das war zuerst einmal eine absolute Novität, die Furore machte. Milkana besaß als erste Firma die Kühnheit, die seit einem halben Jahrhundert verwendete Alufolien-Einwicklung der Käsestücke in Frage zu stellen, mit der die Finger mit mehr oder weniger Käse behaftet werden. Die Idee mit der Schale war völlig neu – und praktisch: endlich kein Käse mehr an den Fingern. Überall wurde diese Verpackung kopiert und nachgeahmt. Die Verpackungsidee entstand übrigens mithilfe eines kreativen Teams bei Unilever Hamburg. Das Ergebnis hieß „nicht-runde Schale“. Und damit ist diese Verpackungsentwicklung die Mutter der vielen nicht-runden oder rechteckigen Schalen, die danach kamen und noch kommen werden. 

Die erste Kopfsteher-Flasche für Ketchup ist ebenso ein Ergebnis eines kreativen Teams, oder die erste in ihre Bestandteile trennbare Margarineverpackung. Die erste rechteckige Margarineverpackung ist ebenfalls die Mutter aller nicht mehr runden Margarinebecher, die zuerst Europa eroberten und sich heute bis nach Australien durchgesetzt hat. Betrachtet man heute diese Beispiele, so werden viele die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und meinen, das sei ja nun nichts Neues. Aber damals, zu ihrer Zeit, waren es Sensationen, gewaltige Verbesserungen und Fortschritte, große Schübe in der Welt des Marketings. Und sie entstanden fast ausnahmslos in Teams, nicht durch Einzelkämpfer. Kreative Teams sind der Weg, der mit wesentlich mehr Sicherheit zum Ziel führt.

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