Birgit Albrizio

Birgit Albrizio, Packaging Cluster Lead Smarties/Flexible Paper, hat bei Nestlé Deutschland die Umstellung der Smarties-Riesenrolle auf eine reine Kartonlösung federführend verantwortet. (Bild: Nestlé)

neue verpackung: Warum Papierverpackungen? Hätte recyclingfähiger Kunststoff nicht denselben Zweck erfüllt?
Birgit Albrizio: Wir haben uns das Ziel gesetzt, bis 2025 ausschließlich recycelbare oder wiederverwendbare Verpackungen einzusetzen und, im Vergleich zu 2018, ein Drittel weniger Neuplastik zu verwenden. Wenn es um weniger Neuplastik geht, gibt es mehrere Lösungswege. Produkte in recyceltem Kunststoff zu verpacken, ist einer. Und die Umstellung von Plastik auf Papier ist eine weitere Möglichkeit.

Wenn wir über nachhaltige Verpackungen sprechen, ist es in der Tat wichtig, Materialien im Kreislauf zu führen und zu halten. Nur so können wir eine abfallfreie Zukunft schaffen. Recyclingfähige Verpackungen sind eine Grundvoraussetzung dafür. Nehmen wir das Beispiel unserer Smarties-Riesenrolle. Hier hatten wir zuvor eine Kombination aus Karton für den Rollenkörper und Kunststoff für den Verschluss. Mit der Umstellung auf eine reine Kartonlösung haben wir die Recyclingfähigkeit der Riesenrolle deutlich erhöht.

Genauso wichtig sind darüber hinaus gut funktionierende Recycling-Infrastrukturen. In Deutschland haben wir dafür ideale Voraussetzungen. Konsumenten können zum Beispiel Papierverpackungen einfach über die separate Altpapiersammlung entsorgen. So haben wir in Deutschland eine hohe Recyclingrate von Papier beziehungsweise Karton. Ähnlich gute Voraussetzungen finden wir in vielen anderen Ländern. Mit der Smarties-Umstellung auf recyclingfähige Papierverpackungen haben wir also den Einsatz von Neukunststoff bei Nestlé erheblich reduziert und gleichzeitig die Recycling- beziehungsweise Kreislauffähigkeit der Verpackung erhöht. Denn das neue Smarties-Sortiment ersetzt jährlich 250 Mio. Kunststoffverpackungen. Das entspricht weltweit 400 t Kunststoff, die bei der Produktion nicht mehr zum Einsatz kommen.

Smarties-Rollen aus Pappe
Die Rolle ist jetzt nicht mehr rund, sondern sechseckig – dafür aber nur aus Pappe, also ohne einen Kunststoffdeckel. (Bild: Nestlé)

neue verpackung: War die Umstellung auf Papier mit einer Nachrüstung realisierbar, oder mussten Sie die komplette Linie ersetzen?
Albrizio: Nestlé stellt in Deutschland Smarties im Chocoladen-Werk in Hamburg her. Der Standort ist unsere einzige Fabrik in Europa, die die bunten Schokolinsen produziert – und das für weltweit 50 Länder. Wir haben in unserem Standort zwei komplett neue Fertigungslinien installiert, um die Smarties-Produkte in recycelbarem Papier verpacken zu können. Und wir haben auch bestehende Anlagen nachgerüstet. Nestlé hat dafür in dem Hamburger Werk insgesamt 10 Mio. Euro investiert.

Riesenrollen Smarties aus Papier
Nicht nur die Riesenrolle, auch die Tüte, in die die Mini-Smarties-Schächtelchen kommen, ist mittlerweile aus Papier. (Bild: Nestlé)

neue verpackung: Welche Herausforderungen haben sich mit dem neuen Material bei der Umstellung ergeben?
Albrizio: Produkte in Papier zu verpacken, ist nicht einfach. Im Vergleich zu Plastik bringt Papier zum Beispiel andere physische Eigenschaften mit sich. Das verwendete Material muss einerseits dafür geeignet sein, Produkte auf der Produktionsanlage in großen Mengen effizient zu verpacken. Im Zuge der Entwicklung haben wir zum Beispiel festgestellt, dass wir die ikonische, runde Form der Smarties-Riesenrolle verändern müssen. Das hat Papier als Verpackungsmaterial erfordert. Daher ist unsere Riesenrolle heute sechseckig.

Die Umverpackung muss andererseits das Produkt vor äußeren Umwelteinflüssen schützen. Bei der Verpackungsentwicklung war es für uns außerordentlich wichtig, dass das verwendete Material die Sicherheit der Produkte gewährleistet und gleichzeitig in den bestehenden Infrastrukturen recyclingfähig ist. Die Haltbarkeit der Schokolinsen bleibt mit der neuen Verpackung zum Beispiel unverändert. Die Recyclingfähigkeit haben wir zertifizieren lassen. Das haben nationale und internationale Experten sowie Institute bestätigt.

Für die Entwicklung haben unsere Verpackungsexperten im Produkttechnologie-Zentrum für Süßwaren in York, Großbritannien, und im Nestlé Forschungsinstitut für Verpackungen in Lausanne zusammengearbeitet. Dabei waren sie in enger Abstimmung mit unserem Werk in Hamburg und unseren Material- und Maschinenlieferanten. Unsere Kollegen haben mit den Materialien eine Vielzahl von aufwendigen Tests durchgeführt. Die Entwicklung dauerte über ein Jahr.

neue verpackung: Ist die Performance im Vergleich zu vorher gleichgeblieben?
Albrizio: Nestlé stellt im Hamburger Chocoladen-Werk für die Marke Smarties mehr als 20.000 t Produkte im Jahr her. Das hat sich durch die Verpackungsumstellung nicht verändert.

neue verpackung: Wie wird die Verpackung von Verbrauchern angenommen? Lässt sich ein Unterschied in den Absatzzahlen feststellen?
Albrizio: Die neue recycelbare Papierverpackung fällt im Regal direkt auf und sie kommt bei den Konsumenten gut an. Das sehen wir an der überwiegend positiven Resonanz der Smarties-Fans und an der positiven Auswirkung auf die Nachfrage nach den Schokolinsen.

neue verpackung: Gibt es nach der erfolgreichen Markteinführung bei Smarties und Nesquik All Natural bereits Pläne, weitere Produktverpackungen auf Papier umzustellen?
Albrizio: Wir schauen uns grundsätzlich recyclingfähiges Papier als mögliche Verpackungslösung auch für andere Produkte als Smarties oder Nesquik an. Es gibt aber keine einheitliche Formel mit Papier: Formate und Produkteigenschaften beziehungsweise Produktanforderungen unterscheiden sich voneinander und brauchen somit individualisierte Lösungen.

Wir prüfen auch andere Wege für mehr Nachhaltigkeit bei Verpackungen. Um einige Beispiele zu nennen: unsere Kaffeekapseln für das Nespresso-System bestehen aus 80 % recyceltem Aluminium. Mit dem Lieferdienst Loop nutzt Nestlé in Frankreich wiederverwendbare Behälter. Und wir investieren erheblich in lebensmitteltaugliche Rezyklate.

 

Die Fragen stellte Nora Menzel, Redaktion neue verpackung

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