Christian Traumann, CEO der Multivac Group

Christian Traumann, CEO der Multivac Group (Bild: Multivac)

neue verpackung: Ein sich immer stärker globalisierendes Geschäft, Fach- und Arbeitskräftemangel (sowohl im Verpackungsmaschinenbau als auch bei Ihren Kunden), Digitalisierung und immer neue Regularien – an Herausforderungen herrscht wahrlich kein Mangel. Mit welcher Strategie wappnet sich Multivac für diese Zeiten der allgemeinen Gleichzeitigkeit?

Christian Traumann: Demografischer Wandel, zunehmende Regulierung, steigende Kosten für Energie und Materialien, Spätfolgen der Covid-19-Pandemie: In der Tat ist die weltweite Industrie derzeit mit multiplen Herausforderungen konfrontiert. Um Entlastung zu bieten, stärken wir unsere Rolle des global agierenden Lösungsanbieters. Wir liefern unseren Kunden in diesem Selbstverständnis nicht nur Maschinen, sondern stehen ihnen langfristig als Partner zur Seite, um gemeinsam den Anforderungen der Zeit zu begegnen. Wir konzipieren maßgeschneiderte Linien, die mit innovativen Technologien rund um Automatisierung, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz Lebensmittel, Industriegüter und Medizingüter effizient und ressourcenschonend verarbeiten und verpacken und Produktionsmitarbeitende entlasten. Zudem sorgen wir für eine zügige Inbetriebnahme der Anlagen, die Schulung von Bedienern sowie einen reaktionsschnellen Service, der für kurze Ausfallzeiten und hohe Produktivität sorgt. Diese individuelle und langfristige Betreuung ist nur durch die weltweite Nähe zu unseren Kunden möglich. Sie verlangt einen intensiven Austausch und ein Verständnis für die jeweilige Kultur und die regionalen Besonderheiten der Märkte. Deswegen bauen wir konsequent unser globales Netz der Innovationszentren aus. Ganz aktuell haben wir beispielsweise im Dezember 2023 ein Multifunktionsgebäude für Vertrieb und Produktion in Indien eröffnet – als Drehscheibe für Indien, Sri Lanka und Bang-ladesh. Das Feedback zeigt uns: Kunden fühlen sich dank dieser engen Zusammenarbeit ernstgenommen und dank unserer Automatisierungs- und Linienkompetenz entlastet.

Doch auch wir als Maschinenbauer müssen die Prüfungen der Zeit bestehen und Agilität beweisen. Das gelingt uns bislang zum Glück sehr gut. Wir verzeichneten in den letzten Jahren ein kontinuierliches Wachstum. 2022 lag der Jahresumsatz trotz Pandemie bei rund 1,5 Milliarden Euro. Um auch zukünftig erfolgreich zu wachsen, müssen wir auf historische Herausforderungen wie den demografischen Wandel vorbereitet sein. Wir wissen: Von weltweit rund 7.000 Mitarbeitenden werden in den nächsten zehn Jahren schätzungsweise 400 Kollegen und Kolleginnen in den Ruhestand gehen. Deswegen setzen wir verstärkt auf die eigene Ausbildung von Nachwuchsfachkräften und investieren in das duale Studium.

Zudem setzen wir einen starken Fokus auf Mitarbeiterbindung, um die Fluktuation so gering wie möglich zu halten. Wir kümmern uns beispielsweise mit unserem Programm Multicare um das physische und psychische Wohl unserer Mitarbeitenden. Und wir haben jüngst ein neues Entgeltsystem in unserer Muttergesellschaft am Standort Wolfertschwenden mit Benefits auf den Weg gebracht, mit dem wir unter anderem die Loyalität langjähriger Mitarbeiter honorieren wollen. Zudem setzen wir verstärkt auf Automation und Künstliche Intelligenz, um Menschen zu entlasten und ein Stück weit unabhängiger vom zunehmenden Arbeitskräftemangel zu sein. Dabei geht es vorrangig darum, die technologischen Möglichkeiten zu nutzen, um die täglichen Herausforderungen effizienter und weniger fehleranfällig bewältigen zu können.

Am 4. Dezember 2023 war Spatenstich für Wolfertschwenden #2, bei dem unter anderem Grundwasser mittels Brunnen zur Gebäudekühlung genutzt und eine eigene Photovoltaik-Anlage zum Einsatz kommen soll.
Am 4. Dezember 2023 war Spatenstich für Wolfertschwenden #2, bei dem unter anderem Grundwasser mittels Brunnen zur Gebäudekühlung genutzt und eine eigene Photovoltaik-Anlage zum Einsatz kommen soll. (Bild: Multivac)

neue verpackung: Auch wenn das Thema mittlerweile nicht mehr die anfängliche Aufmerksamkeit erhält: Als die Corona-Pandemie die weltweiten Lieferketten zusammenbrechen ließ, waren vom Halbleiter bis zum Maschinenstahl viele Dinge plötzlich Mangelware. Wie haben Sie diese Zeit erlebt? Und fast noch wichtiger: Welche Lehren haben Sie daraus gezogen?

Traumann: Die Covid-19-Pandemie hat auch die Multivac Group vor Herausforderungen gestellt. Zu kämpfen hatten wir beispielsweise mit der Beschaffung von Rohstoffen für unsere Maschinen, darunter Aluminium und Edelstahl. Es hat sich als vorteilhaft erwiesen, dass wir schon seit geraumer Zeit auf eine langfristige Bevorratungsstrategie für wichtige Rohstoffe und Materialien setzen. Auch einige Elektronikbauteile waren Mangelware. Deswegen haben wir Maschinen und Anlagen kurzerhand so umkonstruiert, dass wir beispielsweise auf Servomotoren anderer Hersteller ausweichen konnten. Diese Flexibilität in Kombination mit einer hohen Eigenfertigungstiefe hat es uns ermöglicht, Kunden während der gesamten Pandemie ohne Produktionsausfall beliefern zu können. Die Corona-Krise hat uns darüber hinaus die Vorzüge einer dezentralen Organisationsstruktur vor Augen geführt. Mit einem globalen Produktionsnetzwerk mit inzwischen 14 Standorten weltweit verfolgen wie diese Strategie schon lange, um Geschäftsrisiken zu minimieren und lokale Lieferengpässe zu vermeiden. Dank unserer dezentralen Serviceorganisation und Ersatzteillager in aller Welt können wir Ressourcen ausbalancieren und unsere Kunden bei der Aufrechterhaltung ihres Geschäftsbetriebs bestmöglich unterstützen.

neue verpackung: Als Verpackungsmaschinenbauer ist Multivac gleichzeitig Anwender wie auch Anbieter digitaler Lösungen. Wo setzen Sie also mittlerweile selbst auf hoch-automatisierte Applikationen? Und welche Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung oder auch Services bieten Sie Ihren Kunden an?

Traumann: Die Digitalisierung von Maschinen und Anlagen ist in wirtschaftlich herausfordernden Zeiten ein mächtiger Hebel. So machen es digitale Assistenten mittlerweile möglich, mit weniger Personal produktiver und ressourcenschonender denn je zu arbeiten. Das hat Multivac frühzeitig erkannt. Als eins der ersten Unternehmen der Verpackungsbranche haben wir 2017 angefangen, Maschinen ins Industrie-4.0-Zeitalter zu führen. Unsere Maxime dabei lautet: Wir ermöglichen auch kleinen mittelständischen Unternehmen einen barrierefreien Einstieg in die Digitalwelt. So lassen sich unsere Anlagen nach dem Plug-and-play-Prinzip mit der Multivac Cloud verbinden. Betriebe greifen dann mit Computer, Tablet oder Smartphone über das Internet auf ein Dashboard zu. Dort überwachen, analysieren und optimieren sie die Produktion in Echtzeit. Unterstützt von den digitalen Multivac Smart Services steigern Unternehmen dank der digitalen Transformation ihre Produktivität, schonen Ressourcen, entlasten ihre Mitarbeitenden und minimieren Ausfallzeiten. Deswegen haben sich mittlerweile rund 200 Kunden aus 34 Ländern für eine Einbindung in die Multivac Cloud entschieden. Im Neukundengeschäft liegt die Vernetzungsquote bei rund 20 Prozent.

Und auch Multivac selbst nutzt die Vorzüge von Automation und Digitalisierung. So werden in unserem neuen Werk, das derzeit in Wolfertschwenden entsteht, einige Prozessketten vollautomatisiert sein – beim Einlagern, in der Produktion und am Warenausgang. Dort kommen beispielsweise fahrerlose Transportsysteme zum Einsatz, die Material befördern oder Industrieroboter, die CNC-Bearbeitungsmaschinen be- und entladen.

 

Zitat

Die Corona-Krise hat uns darüber hinaus die Vorzüge einer dezentralen Organisationsstruktur vor Augen geführt.

neue verpackung: Bei Nachhaltigkeit im Verpackungsbereich geht es für Sie als Maschinenbauer nicht nur um alternative Packmittel und deren Verarbeitung, sondern auch um die Frage, wie Ihre Maschinen entstehen – Stichwort: Dekarbonisierung der Industrie. Wie sehen hier Ihre Ziele aus und wie erreichen Sie diese?

Traumann: Als international agierendes Familienunternehmen ist das Thema Nachhaltigkeit schon seit langem ein fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie. Unser Bestreben ist es, verantwortungsvoll mit Umwelt und Ressourcen umzugehen und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. So kommen mittlerweile an vielen Produktionsstandorten Photovoltaik-Anlagen, Blockheizkraftwerke und geothermische Wärmepumpen zum Einsatz. Unsere Standorte in Deutschland und in Österreich betreiben wir zu 100 % mit umweltfreundlichem Ökostrom. Im Sinne einer nachhaltigen Infrastruktur sind auch im Produktionswerk Wolfertschwenden #2 verschiedene Maßnahmen geplant, die zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen beitragen: Im neuen Werk soll Grundwasser mittels Brunnen zur Gebäudekühlung genutzt werden, für die Energieversorgung kommt neben Bio-Fernwärme eine eigene Photovoltaik-Anlage zum Einsatz. Darüber hinaus achten wir auf eine verantwortungsvolle Ressourcenbeschaffung entlang der Lieferkette. Nicht zuletzt investieren wir in Forschung und Entwicklung, damit unsere Maschinen immer weniger Strom, Wasser und Druckluft verbrauchen.

Dass wir in puncto Umweltschutz und Nachhaltigkeit gut aufgestellt sind, bestätigt EcoVadis, eine international anerkannte Ratingagentur für Nachhaltigkeitsbewertungen. Der Standort Wolfertschwenden wurde 2023 erstmalig von EcoVadis bewertet und mit einer Silber-Medaille ausgezeichnet. Vor allem in Bezug auf Umwelt sowie Arbeits- und Menschenrechte liegen wir nach der Bewertung von EcoVadis weit über dem Branchendurchschnitt. Das erfüllt uns mit Stolz und motiviert uns, unsere Nachhaltigkeitsstrategie auch weiterhin mit vollem Einsatz zu leben.

Die Fragen stellte Philip Bittermann,
Chefredakteur neue verpackung

Logo der Packaging Machinery Conference
(Bild: Hüthig Medien)

Christian Traumann ist nicht nur CEO von Multivac, sondern bildet auch zusammen mit Valeska Haux von Südpack, Jana Götz von SEW, Richard Clemens vom VDMA und Prof. Dr.-Ing. Matthias Niemeyer von Uhlmann den Fachbeirat der Packaging Machinery Conference, die am 11. und 12. Juni 2024 in München stattfindet.

Ob Nachhaltigkeit, Automatisierung/Digitalisierung, Regularien oder Globalisierung: Hier trifft sich das C-Level des deutschen Verpackungsmaschinenbaus, um über die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft zu diskutieren – und mögliche Lösungen abzuleiten.

Weitere Infos und Anmeldung unter https://www.packaging-machinery-conference.de/

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Multivac Sepp Haggenmüller SE & Co.KG

Bahnhofstr. 4
87787 Wolfertschwenden
Germany