Studie für den Maschinen- und Anlagenbau

Bürokratiekosten: Hoher Aufwand, stark unterschiedlich verteilt

Symbolbild Bürokratie
Zuviel, zu intransparent und zu teuer: Regularien und Vorschriften für Unternehmen.

Unternehmen leiden unter der Bürokratie. Das belegte vor einiger Zeit eine Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM). Jetzt liegt die aktualisierte Version vor. Entwarnung? IfM-Projektleiterin Dr. Annette Icks brachte Ernüchterndes zur Packaging Machinery Conference 2025 mit.

Bürokratie bremst. Diese Einschätzung teilen viele Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau. Doch wie groß ist die Belastung wirklich? Der VDMA hat das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn beauftragt, genau das zu untersuchen. Die aktualisierte Studie liefert jetzt neue Erkenntnisse: Erfasst wurden nicht nur Bundes-, sondern auch Landes-, kommunale und EU-Vorgaben – insgesamt rund 3.900 Regelungen, die für Unternehmen der Branche relevant sind.

Ein Flickenteppich an Pflichten

Rund 30.000 gesetzliche Vorgaben existieren in Deutschland, von denen 17.000 die Wirtschaft betreffen. Für Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau bleiben davon nach systematischer Analyse etwa 3.900 übrig. Diese umfassen Vorgaben aus Bereichen wie Arbeitsschutz, Steuern, Umwelt, Personal und Normen.

Der Großteil dieser Vorgaben stammt aus dem Bundesrecht. EU-Vorgaben erscheinen formal seltener – allerdings nur deshalb, weil viele von ihnen durch sogenannte „Gold Plating“-Maßnahmen in Deutschland verschärft und somit dem nationalen Recht zugeschlagen wurden. Landes- und kommunale Vorgaben spielen eine untergeordnete Rolle, da etwa Bauvorschriften und Einzelgenehmigungen in der Studie nicht berücksichtigt wurden.

Dr. Annette Icks
Dr. Annette Icks, Projektleiterin beim IfM, sprach auf der PMC ausführlich über Bürokratie - und wie man sie reduzieren kann.

Die Kosten sind nicht gleich verteilt

Die Studie gliedert die Vorgaben in acht Themenfelder, darunter Personal, Arbeitsschutz, Finanzen & Steuern, Umwelt, Normen, Compliance, Statistik und Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeitsberichterstattung. Auffällig: Die Anzahl der Vorschriften korreliert nicht automatisch mit der Kostenbelastung. So verursachen etwa Umweltvorgaben besonders viele Einzelpflichten, sind aber nicht zwangsläufig die teuersten. Auch Statistikpflichten sind häufig Anlass für Frustration, obwohl ihr finanzieller Aufwand vergleichsweise gering ausfällt.

Erfasst wurden neben Zeit- und Lohnkosten auch Sachausgaben, Beratungsaufwand, der Digitalisierungsgrad und subjektive Belastungsfaktoren.

Drei Fallstudien – drei Realitäten

Unternehmen A: Größter Betrieb, solide digitalisiert – aber mit steigenden Lasten

Das erste untersuchte Unternehmen mit rund 1.700 Mitarbeitenden weist im Jahr 2023 Bürokratiekosten von rund 3,8 Mio. Euro aus – nach 2,5 Mio. Euro im Jahr 2021. Prozentual am Umsatz gemessen stieg der Anteil von 1,0 auf 1,3 %. Der Zuwachs ist unter anderem auf neue EU-Vorgaben sowie interne Qualitätsansprüche zurückzuführen.

Kostentreiber:

  • Arbeitsschutz: 400.000 Euro für Arbeitsmittelsicherheit
  • Compliance: 380.000 Euro für neues Managementsystem
  • Arbeitszeiterfassung: 265.000 Euro Investitionskosten
  • Betriebsrat: 345.000 Euro für 5,5 freigestellte Vollzeitstellen

Das Unternehmen ist zu etwa 70 % digitalisiert. Schnittstellenprobleme mit nicht-digitalisierten Behörden oder Partnern bleiben dennoch ein Hemmnis.

Grafik Bürokratiekosten Unternehmen A
Unternehmen A weist einen Digitalisierungsgrad von rund 70 % auf.

Unternehmen B: Andere Prioritäten, anderer Aufwand

Auch das zweite Unternehmen ist ein Maschinenbauer – familiengeführt, international tätig, aber weniger stark digitalisiert. Hier fallen etwa 40 % der Bürokratiekosten auf Finanzen, Steuern und Zoll, was der Geschäftsführer als notwendiges Controlling-Instrument versteht.

Besonderheiten:

  • Compliance-Aufwand kaum messbar: „Machen wir ohnehin.“
  • Arbeitszeiterfassung: 400.000 Euro für neues System
  • Betriebsrat: nur eine freigestellte Person (65.000 Euro)
  • Skepsis gegenüber Digitalisierung: „Papier schafft weniger Transparenz.“

Trotz ähnlicher Strukturen unterscheidet sich das Unternehmen deutlich im Umgang mit gesetzlichen Anforderungen – und zeigt damit, wie individuell Bürokratiekosten entstehen.

Grafik Bürokratiekosten Unternehmen B
Unternehmen B ist weniger stark digitalisiert.

Unternehmen C: Kleinbetrieb mit überproportional hoher Belastung

Das dritte Unternehmen beschäftigt 150 Mitarbeitende – und kämpft mit der höchsten relativen Last: Bürokratiekosten machen hier 6,3 % des Jahresumsatzes aus. Grund ist nicht nur die Unternehmensgröße, sondern auch der Verlust des Russland-Geschäfts und die pandemiebedingte Kurzarbeit, die zusätzlichen Aufwand verursachte.

Belastende Faktoren:

  • 34 Vollzeitäquivalente ausschließlich für Bürokratie
  • Arbeitsschutz: über 500.000 Euro jährlich
  • Datenschutz-Schulungen durch externe Berater
  • Statistikangaben nur mit Fantasiewerten möglich („Kästchen passen nicht“)
  • Kurzarbeit: Aufwand wurde als zu hoch für den begrenzten Nutzen eingeschätzt

Ein großes Thema war zudem die Unsicherheit durch nicht final beschlossene PFAS-Regulierungen – verbunden mit existenziellen Sorgen und hohem emotionalem Druck auf Geschäftsführung und Belegschaft.

Grafik Bürokratiekosten Unternehmen C
Niedriger Digitalisierungsgrad, schwierige Rahmenbedingungen.

Die Studie zeigt: Bürokratiekosten sind nicht nur eine Frage des Umfangs, sondern auch der Bewertung. Einige Unternehmen empfinden bestimmte Pflichten, darunter Normen oder Arbeitsschutz, als notwendig und qualitätssichernd – andere als störend und belastend. Besonders belastend werden Vorgaben dann empfunden, wenn sie:

  • unklar oder widersprüchlich sind,
  • häufig geändert werden,
  • nicht zur Realität des Unternehmens passen,
  • mit hohem Interpretationsaufwand verbunden sind.

Weniger Misstrauen, mehr Spielräume

Die Studienautoren und -autorinnen leiten mehrere Empfehlungen für Politik und Verwaltung ab:

  • Keine Überregulierung: EU-Vorgaben nicht durch deutsches Recht zusätzlich verschärfen.
  • Zusammenfassen statt zerlegen: Ähnliche Berichtspflichten (z. B. Nachhaltigkeit, Lieferketten, Taxonomie) bündeln.
  • Verständliche Gesetze: Nicht jede Interessengruppe braucht einen eigenen Absatz – Praxisnähe statt Detailversessenheit.
  • Vertrauen statt Kontrolle: Unternehmen sind oft intrinsisch motiviert, nachhaltiger und sicherer zu agieren.
  • Praxis einbeziehen: Gesetzgebungsprozesse sollten Unternehmen und Behörden frühzeitig einbinden („ex ante“ statt „ex post“).
  • Informationszugang erleichtern: Tools wie das VDMA-Regulierungscockpit bieten wichtige Orientierungshilfen.

Die quantifizierten Bürokratiekosten sind nur ein Teil der Wahrheit. Was ebenso schwer wiegt, sind Opportunitätskosten und psychologische Belastungen: Die Abkehr von der unternehmerischen Leidenschaft, der Rückzug aus Innovationsfeldern oder die Entscheidung gegen eine Nachfolge.

Ein Kulturwandel in der Gesetzgebung ist notwendig. Vertrauen, Augenmaß und klare Prioritäten sollten das Handeln bestimmen. Bürokratie ist kein Naturgesetz – sie ist gestaltbar. Und genau das sollte der Anspruch sein.