Fahrerloses Transportsystem Odyn

Das Fahrerlose Transportsystem Odyn könnte künftig klassische Gabelstapler ersetzen. (Bild: Fraunhofer IML)

Als autonomer Transportroboter ist Odyn einer der ersten Bewohner des sogenannten „Robotik Kontinuums“, das Simulation und Maschinelles Lernen mit der Realität verbindet. Mit dem hochdynamischen Transportsystem möchten die Dortmunder Forschenden den außer- und innerbetrieblichen Palettenumschlag verändern. Entwickelt wurde Odyn im Rahmen des Großforschungsprojekts Silicon Economy. Mit diesem Projekt, das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) mit über 25 Mio. Euro über drei Jahre gefördert wird, möchte das Fraunhofer IML einer dezentralen, föderalen und offenen Plattform­ökonomie in Deutschland und Europa zum Durchbruch verhelfen.

Odys
In freier Wildbahn erreicht Odys bis zu 36 km/h. (Bild: Fraunhofer IML)

Höhere Sicherheit und Effizienz beim Palettenumschlag

Im Gegensatz zu den meisten Fahrerlosen Transportsystemen, die entweder eine hohe Leistungsfähigkeit oder Dynamik oder Flexibilität aufweisen und entweder für den Innen- oder für den Außenbereich konzipiert sind, kann Odyn alle drei Eigenschaften in sich vereinen. Er ist nicht nur hochdynamisch und autonom, sondern eignet sich auch für den hybriden Betrieb. Mit einer Fahrgeschwindigkeit von bis zu 36 km/h kann er omnidirektional große Lasten im Format einer Palette transportieren. Dabei verlässt er die geschützte und definierte Umgebung von Lagerhallen, um auf Betriebsgeländen dynamisch zu agieren.

Deshalb nennen ihn die Forschenden Odyn, was für omnidirektional, Outdoor und Open Source steht. Seine größte Stärke soll Odyn überall dort ausspielen, wo auf ausgedehnten Werksgeländen über längere Strecken Material von einem Gebäude zum nächsten gebracht werden muss. Hier transportiert er mühelos große Ladungsträger und wechselt nahtlos vom Innen- in den Außenbereich.

Kommen heute für dieses Einsatzprofil meist Gabelstapler oder Routenzüge zum Einsatz, könnte Odyn zukünftig die Resilienz und Flexibilität erhöhen. Im Vergleich zu herkömmlichen Transportfahrzeugen ließe sich mit Odyn, so die Forschenden, das Unfallrisiko reduzieren und die Effizienz deutlich steigern. Ein Routenzug beispielsweise muss immer erst gebildet werden: Es müssen Teile gepuffert und zusammengestellt werden, die dann im Milkrun entlang einer Produktionslinie verteilt werden. Der Koordinationsaufwand ist sehr hoch. Stattdessen könnten flexible und autonom agierende Einzelfahrzeuge Bedarfsorte direkt anfahren.

Odyns Nutzlast beträgt aktuell 350 kg. Das Fahrzeug ließe sich jedoch problemlos für höhere Nutzlasten auslegen. „Für die industrielle Anwendung könnten wir den Rahmen statt aus Aluminium aus Stahl konstruieren. Antriebstechnik und Fahrwerk sind schon heute auf ein Gewicht von 1,3 Tonnen ausgelegt“, so Guido Follert, Abteilungsleiter Maschinen und Anlagen am Fraunhofer IML.

Der Transportroboter entstand mittels simulationsbasierter Künstlicher Intelligenz.
Der Transportroboter entstand mittels simulationsbasierter Künstlicher Intelligenz. (Bild: Fraunhofer IML)

Omnidirektionales Fahrwerk für präzises Lasthandling

Damit Odyn im Innen- und Außenbereich problemlos fahren kann, haben die Forschenden das omnidirektionale Fahrwerk mit Mecanumrädern und einer Luftfederung kombiniert. Dadurch kann sich das Fahrzeug nicht nur auf engstem Raum – durch Traversieren und Seitwärtsfahrt – fortbewegen, sondern auch die Last präzise positionieren. Das Fahrwerk passt sich möglichen Bodenunebenheiten im Außenbereich an. Dies ermöglichen die speziellen Räder sowie die Luftfederung, die einen sicheren, lastunabhängigen Lauf auf unebenem Untergrund ermöglicht. Dies schont sowohl die Last als auch das Fahrzeug.

Das Luftfahrwerk sorgt auch für die Lastaufnahme. Zur Palettenaufnahme senkt sich das Fahrwerk ab. Die Ladungssicherung erfolgt durch Klinken, die von außen zwischen die Palettenklötze einfahren und diese festhalten. Dies verhindert das Herausrutschen der Palette beim dynamischen Transport. Das Bremssystem besteht aus der elektrischen Betriebsbremse und einer Notbremse, die mit verschleißenden Bremsplatten unter dem Rahmen arbeitet. Bei einer Notbremsung öffnen sich die Luftventile des Fahrwerks. Das Fahrzeug senkt sich auf die Bremsplatten ab und kommt sofort zum Stillstand.

Navigation zwischen Indoor und Outdoor

Eine weitere Hürde, die das Fraunhofer-Forscherteam bei der Entwicklung von Odyn überwinden musste, war die übergangslose Navigation zwischen Innen- und Außenbereich. Diese lösten sie mit umgebungs- und funkbasierten Lokalisierungsalgorithmen. Die Lokalisierung greift auf Lidar-Scanner, 3D-Kamerasysteme und Differential-GPS/GNSS zurück.

Eine Herausforderung, die derzeit noch zu bewältigen ist, ist ein sicherer autonomer Betrieb. „Wie die Automobilindustrie müssen auch wir Lösungen finden, um eine sichere autonome Fahrt im öffentlichen Raum zu garantieren, mit allen Unvorhersehbarkeiten, wie plötzlich auftauchenden Hindernissen auf dem Fahrweg“, erklärt Follert. „Hier liegt noch ein Stückchen Arbeit vor uns.“

Mit KI ins Robotik-Kontinuum

Entwickelt hat das Fraunhofer IML den Transportroboter mithilfe eines neuen Forschungszweigs: der simulationsbasierten Künstlichen Intelligenz. Aufgrund moderner Grafikkarten, der Robotikplattform Omniverse von Nvidia sowie der Simulationsoftware Isaac, ebenfalls von Nvidia, lassen sich hochkomplexe Vorgänge in Echtzeit simulieren.

Mittels Motion Capturing gleichen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Verhalten in der Simulation mit dem der realen Fahrzeuge ab und optimieren so das Simulationsmodell. „Je mehr sich die Differenz von Modell und Realität reduziert, umso mehr wird der Roboter zum cyberphysischen Zwilling der Simulation“, so Dr. Sören Kerner, Abteilungsleiter KI und Autonome Systeme am Fraunhofer IML. „Mit diesem Vorgehen können wir die Entwicklungszeiten massiv reduzieren.“

So lassen sich Prototypen bereits in der digitalen Realität testen, bevor sie gebaut werden. Dadurch lässt sich die Entwicklung von Hardware und Software entkoppeln. Es entsteht ein digitales Kontinuum der Entwicklung (Robotik Kontinuum). Das Konzept und die Kon­struktion von Odyn werden quelloffen – also als Open-Source-Anwendung – bei der Open Logistics Foundation zur Verfügung gestellt. Erste Kontakte zu Projektpartnern in der Industrie konnte das Fraunhofer IML schon knüpfen.

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