Der Internethandel generiert gigantische Warenströme: Doch wo die bestellten Produkte letztlich herkommen, das wissen die Online-Shopper allzu häufig nicht. Schon gar nicht, ob es sich tatsächlich um Originalprodukte oder womöglich Fälschungen handelt. Schließlich greift die Markenpiraterie in aller Welt immer weiter um sich. Was bei Luxusartikeln und anderen hochwertigen Produkten für die Käufer schlicht ärgerlich ist, kann bei Arzneimitteln die Gesundheit gefährden und sogar Leben kosten. Schätzungen zufolge sterben derzeit täglich nahezu 2.000 Menschen, weil sie gefälschte Medikamente zu sich nehmen. Zehn Prozent der weltweit im Umlauf befindlichen Medikamente sollen Plagiate sein.
„Die bisherige Erfahrung zeigt, dass solche gefälschten Arzneimittel nicht nur auf illegalen Wegen, sondern auch über die legale Lieferkette zu den Patienten gelangen. Dies stellt eine außerordentliche Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar und kann dazu führen, dass die Patienten das Vertrauen auch in die legale Lieferkette verlieren“, heißt es in der Richtlinie 2011/62/EU („Fälschungsrichtlinie“), mit der die Europäische Union künftig die Verbraucher bei verschreibungspflichtigen Medikamenten vor Fälschungen schützen will. Sie schreibt unter anderem die Rückverfolgbarkeit von Medikamenten sowie die Kontrolle von Pharmaverpackungen vor. In Kraft treten soll die im Juni 2011 auf den Weg gebrachte Fälschungsrichtlinie in 2019. Sowohl für die Hersteller pharmazeutischer Produkte als auch ihrer Verpackungen bringt das reichlich Handlungsbedarf mit sich.
Serielle Nummern und Sicherheitsverschluss als Schutz
Die Rückverfolgbarkeit der Medikamentenverpackungen garantieren künftig serielle Nummern. Sie werden in Form von Barcodes auf die Verpackungen gedruckt und bei der Abgabe der Medikamente per Datenbankabfrage kontrolliert. Da jede Nummer nur einmal vergeben wird, ist die Herkunft aller Medikamentenverpackungen von der Produktionshalle bis zur abgebenden Stelle eindeutig nachverfolgbar. Neben den seriellen Nummern werden die Verpackungen zusätzlich jeweils mit einem Sicherheitsverschluss versehen, der bei der Abgabe der Packung an die Verbraucher auf Unversehrtheit hin überprüft wird. Beides soll sicherstellen, dass Verpackungen Originalprodukte enthalten – diese also nicht irgendwo in der Lieferkette gegen gefälschte und womöglich unwirksame oder gar schädliche Präparate ausgetauscht wurden. Kurz: Warenmanipulationen innerhalb der Logistikkette sollen per se unterbunden werden.
Ein Standard ist notwendig
Um für die Herstellerindustrie eine gemeinsame, verlässliche Basis für den Schutz von Arzneimitteln zu schaffen, ist in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN) und dem Europäischen Komitte für Normung (Comité Européen de Normalisation/CEN) ein europäischer Standard erarbeitet worden. Er beschreibt geeignete Verschlussmöglichkeiten (Tamper Evidence) und wie Erstöffnungen erkannt werden. Zur besseren Anwendbarkeit dieser Norm wurden die verfügbaren Technologien in neun Kategorien eingeteilt. Für den Verschluss von Faltschachteln als Sekundär-Packmittel erlaubt die Fälschungsrichtlinie grundsätzlich vier Möglichkeiten: das Verschließen mit Klebstoffen, spezielle Faltschachtelkonstruktionen, Verschluss mit Siegeletiketten und Labeln sowie Folienversiegelungen. Mit welchem dieser vier Verfahren Hersteller pharmazeutischer Produkte ihre Verpackungen vor unberechtigten Öffnungen schützen, können sie selbst bestimmen.
Der Verschluss mit Klebstoffen ist besonders kostengünstig
Eine wirtschaftlich attraktive Lösung ist der Verschluss von Faltschachteln mit Klebstoff. „Vor allem vier Aspekte sprechen für diese Sicherheitsverschluss-Variante: Zum einen sind Klebstoffe sehr preisgünstig. Zum anderen übt der Klebstoffauftrag keinen Einfluss auf die Verfügbarkeit der Verpackungslinien aus – das heißt, er bremst diese nicht aus. Schließlich muss das Design der Verpackungen zwecks Klebstoffauftrag nicht verändert werden. Last but not least können verschiedene Klebstofftypen mit unterschiedlichen Eigenschaften verwendet und kombiniert werden“, erklärt Andreas Brandt, bei Baumer hhs in Krefeld Spezialist für das Thema Tamper Evidence.
Bei Klebstoffen unterscheidet man grundsätzlich zwischen Heiß- und Kaltleimen. Während Heißleime vor dem Auftrag erhitzt werden, handelt es sich bei Kaltleim um eine Dispersion, die mit Raumtemperatur aufgebracht wird. In der Verpackungsproduktion kommen häufig Heißleime zum Einsatz, wobei das Auftragssystem auf beiden Deckellaschen jeweils zwei Klebepunkte anbringt. Die größten Pluspunkte der Heißleime sind ihre sehr einfache Anwendung und die schnelle Verklebung, die beim Faltschachtelkleben höchste Produktionsgeschwindigkeiten erlaubt. Herkömmliche Heißleime haben allerdings eine negative Eigenschaft: Sie lassen sich mit Wärme wieder reaktivieren, was Faltschachteln nicht in jedem Fall sicher vor Manipulationen schützt.
Das gilt wiederum nicht für Polyurethan-Klebstoffe (PUR), die ebenfalls heiß aufgetragen werden. Im Gegensatz zu herkömmlichen Heißleimen zählen sie zu den „reaktiven“ Klebstoffen, die mit der Feuchtigkeit in der Luft und im Packmittel reagieren. Beim Aushärten kommt es also zu einer chemischen Reaktion, was den Kleber dauerhaft verhärtet. Folge: Er kann nach der Aushärtung nicht wieder reaktiviert werden. Dennoch härten PUR-Klebstoffe in der Anwendung ähnlich schnell wie herkömmliche Heißleime.
Bei Kaltleimen verdunstet der in ihnen enthaltene Wasseranteil nach dem Auftrag, oder das Wasser wird vom Material aufgenommen. Die verbleibenden Polymere fügen die Klebeteile zusammen. Die Verklebung beansprucht deutlich mehr Zeit und muss mit Pressdruck verstärkt werden. Abgebundener Kaltleim hat jedoch den Vorteil, dass er nicht mehr reaktivierbar ist. Beim ersten Öffnen der Schachteln kommt es zwangsläufig zum Ausriss von Fasern. Zudem wird angesichts des Widerstands die Lasche zerstört, was sich anschließend nicht mehr kaschieren lässt.
Im „Two-Shot-Verfahren“ werden die positiven Eigenschaften sowohl des Heißleims als auch des Kaltleims miteinander kombiniert. Der Heißleim dient dem schnellen Verschließen der Faltschachteln, der Kaltleim dem irreversiblen Verschluss.
Wann ist welcher Klebstoff die richtige Lösung?
Grundsätzlich erfüllen alle diese Klebstofftypen die Vorgaben der Norm. Denn sie haben eins gemeinsam: Die Kartons der verklebten Faltschachteln werden beim Öffnen visuell erkennbar beschädigt – wenngleich unterschiedlich stark. Bleibt die Frage: Welcher Klebstoff ist wann die ideale Lösung? „Die Antwort hängt letztlich von den vorhandenen Produktionsmitteln und dem erforderlichen beziehungsweise gewünschten Sicherheitsniveau ab“, stellt Experte Brandt fest. Grundsätzlich lasse sich sagen: In aller Regel beeinträchtigen nicht die Arzneimittel selbst die Auswahl der Klebstoffe. Vielmehr geben die Art der Verpackungslinie und das angestrebte Sicherheitslevel den Ausschlag. Brandt: „Ansonsten sind hier pauschale Antworten nicht möglich. Vielmehr bedürfen sie in jedem einzelnen Fall einer sorgfältigen Analyse der individuellen Gegebenheiten in der Produktion.“
Schließlich seien Verpackungslinien meist individuell an die zu fertigenden Produkte angepasst und für diese optimiert. „Um den Auflagen der Richtlinie 2011/62/EU zu entsprechen, sollten die Verpacker die Gegebenheiten in ihrer Produktion mit allen Prozessbeteiligten besprechen – also den Herstellern der Pharmaprodukte, der Verpackungslinien und der Klebstoffauftragstechnik“, rät Brandt. So könnten sie sicherstellen, dass sie die am besten geeignete Tamper-Evidence-Technologie reibungslos und ohne große Unterbrechung in ihrer Produktion implementieren.
Auf jeden Fall den Klebstoffauftrag kontrollieren
So zuverlässig Klebstoffauftragssysteme heute arbeiten – der Klebstoffauftrag sollte aus Gründen der Sicherheit konsequent überprüft werden. Und das nicht nur bei kritischen Anwendungen. Ist der Klebstoff überall dort, wo er sein soll? Und auch nur dort? Sensoren sind ein praxisbewährtes Mittel, den Klebstoffauftrag lückenlos auf allen Faltschachteln zu kontrollieren. Etwa der Sensor ULT-300 für Kaltleim oder der Sensor HLT-300 für Schmelzklebstoffe der Xtend2-Familie von Baumer hhs entdecken jeden mangelhaften Klebstoffauftrag und veranlassen, dass fehlerhafte Faltschachteln aus dem Prozess ausgeschleust werden.
Die Qualitätskontrollsysteme von Baumer hhs arbeiten nach dem „Fail-Safe-Prinzip“. Faltschachteln gelten so lange als fehlerhaft, bis sie alle vorgesehenen Sicherheits-Checks nacheinander erfolgreich durchlaufen haben. Dabei lassen sich auch zusätzlich angebrachte Sicherheitsmerkmale wie Siegel und Etiketten prüfen. Über Sensoren hinaus können in der automatischen Kontrolle zudem Laser und Kamerasysteme eingesetzt werden. Spezielle Software wiederum wertet die gelieferten Daten aus. Als weiteres wichtiges Prozesselement leisten diese Kontrollsysteme also einen entscheidenden Beitrag zum größtmöglichen Schutz vor Produktfälschern. Auch hier stellt sich natürlich die Frage, welche Lösung die individuellen Sicherheitsanforderungen am besten abdeckt. „Unsere Experten stehen Herstellern von Pharmaverpackungen bei der Entwicklung der idealen Tamper-Evidence-Lösung gerne zur Seite“, so Brandt.
Allein die auf gefälschte Medikamente zurückzuführenden Todesfälle und der hohe Anteil dieser „Arzneimittel“ am Welthandel mit Pharmaprodukten unterstreichen eindrucksvoll die Notwendigkeit, kritische Produkte mit allen verfügbaren Möglichkeiten zu schützen und den Verbrauchern die Sicherheit zu geben, dass sie sich auf die Inhalte der Arzneimittelverpackungen verlassen können.
Für Sie entscheidend
Über Baumer hhs GmbH
Die Baumer hhs GmbH, Krefeld/Deutschland, ist ein führender, international agierender Hersteller industrieller Klebstoffauftragssysteme sowie sensor- und/oder kamerabasierter Qualitätssicherungssysteme. Baumer hhs bietet seinen Kunden ein abgestimmtes Lösungsportfolio für eine Vielzahl unterschiedlicher Anforderungen an den Kaltleim- und den Heißleimauftrag inklusive Ventilen, Pumpen, Druckbehältern sowie Steuerungs- und Kontrollsystemen in automatisierten Produktionsumgebungen. Abgerundet wird das Portfolio von umfassenden Serviceangeboten von der Beratung über das Testen innovativer Anwendungen im hhs Solution-Center in Krefeld bis hin zu allen After-Sales-Services.
Die Lösungen von Baumer hhs werden unter anderem in der Produktion von Verpackungen und Briefumschlägen, in Druck und Druckweiterverarbeitung, in der Holzverarbeitung sowie in Sondermaschinen eingesetzt.