Der Adventskalender ist eigentlich ein alter Hut. Bereits 1839 wurde er von Johann Hinrich Wichern für ein Hamburger Kinderheim erfunden. 1902 folgte der erste gedruckte Adventskalender, doch es dauerte noch bis zum Jahr 1958, bis der erste mit Schokolade gefüllte Kalender das Licht des Handels erblickte. Mittlerweile werden in Deutschland jährlich 80 Mio. Adventskalender produziert. Die Zielgruppe besteht längst nicht mehr nur aus Kindern. Natürlich gibt es unverändert Adventskalender mit Schokolade, ebenso aber auch mit 24 verschiedenen Gewürzmischungen, 24 unterschiedlichen Craft-Bieren oder auch 24 überraschenden Erotik-Artikeln. In puncto Befüllung mag man somit kaum noch etwas Neues erfinden können, in puncto Verpackung aber schon.
Unternehmensstart in der Garage
Papacks rund um seinen Gründer Tahsin Dag hat die Verpackung verbessert, das Kunststofftray mit seinen 24 Feldern durch eine Faserguss-Schale ersetzt, die es in unterschiedlicher Größe für Schokoladenfüllungen gibt, aber auch für die 24 Figuren des aktuellen Playmobil-Junior-Adventskalenders.
„Verbessern“ wurde Dag quasi in die Wiege gelegt. Sein Vorname Tahsin bedeutet „Verbesserung“ oder „der Verbesserer“. „Wenn ich nicht direkt Lösungen habe, so versuche ich, sie zu entwickeln“, sagt Dag. Unterschwellig war dies auch der Antrieb des Gründers, als er nach Vertriebs- und Marketingpositionen bei Brands wie Red Bull und Pro Sieben in einer Kölner Garage sein eigenes Unternehmen startete: Papacks – einerseits angelehnt an „Pax“ (Frieden), andererseits als markenfähige Kurzform für Paper Packaging. „Wenn es mir nur ums Geldverdienen gegangen wäre, so wäre ich bei dem Energy- drink-Hersteller geblieben“, so Dag heute. Die Milliarden Getränkedosen, die Red Bull jedes Jahr vertreibt, sah er regelmäßig auf Plastiktrays gepackt und eingeschweißt um die Welt reisen. Daher rührt auch der Gedanke, ein Tray aus einem umweltfreundlicheren Material zu finden. Was er entwickelte, war ein Eierkarton, der im Format dem Tray der Red-Bull-Dosen entsprach – und somit 24 Aussparungen hatte. Doch 2013 war er womöglich noch zu früh mit seiner Idee und seine Verpackungslösung fand in der Getränkeindustrie wenig Anklang. Mit einem Tray mit 24 Mulden hatte er jedoch quasi schon das Inlay für den ersten Papacks-Adventskalender geschaffen. Mittlerweise produziert Papacks jedes Jahr etwa fünf Mio. davon – und investiert stetig in zusätzliche Kapazitäten, um allen Kunden eine nachhaltige Lösung bieten zu können.
Wie ATA aus dem vorigen Jahrhundert
Hat Tahsin Dag das alles neu erfunden? Mehr als 75 Patentfamilien sprechen dafür. Andererseits verweist er selbst darauf, dass Henkel schon 1924 sein Scheuerpulver ATA in einer Pappgussflasche aus Hanffasern verkaufte. Ein Exemplar dieser Antiquität steht heute in einer Glasvase sicher aufbewahrt in einem Besprechungsraum von Papacks. Wo damals eine Kunststoffverpackung den Faserguss schon nach wenigen Jahren verdrängte, mag in Zeiten eines immer stärker werdenden Umweltbewusstseins nun das Pendel bei vielen Anwendungsmöglichkeiten wieder in Richtung Faserguss ausschlagen.
So sind es auch nicht Adventskalender, die die Wachstumsstory von Papacks schreiben. Transport- und Logistikverpackungen, Produktverpackungen und Formteile, die Gebrauchsgüter gut und sicher in ihrer Verkaufsfaltschachtel positionieren haben wenig überraschend die ersten Produktionsstätten im thüringischen Arnstadt gefüllt. Tahsin Dag hat die Faserguss-Verpackung aber wesentlich weiterentwickelt und durch endlose Versuche mit Pflanzenextrakten, Harzen und Wachsen naturbasierte Beschichtungsmöglichkeiten zur Serienreife gebracht, die den Eierkarton salonfähig für Beauty-Produkte machen, die Märkte für Spielzeuge wie auch für Lebensmittelzulassungen öffnen. Sei es die kompostierbare Kaffeekapsel, das Zuhause für Playmobil-Figuren, der Joghurtbecher oder das Refill-Inlay für Naturkosmetik.
Während für die gesamte Branche der Eierkarton ein Produkt auf Altpapierbasis war, bei dem man an solche Einsatzmöglichkeiten gar nicht denken musste, hat Tahsin Dag den Faserguss weitergedacht. „Ich wusste nicht, dass es nicht geht und habe es daher einfach gemacht“, so der Kölner mit kurdischen Wurzeln. Dabei ist vom alten Eierkarton nicht viel geblieben. Papacks hat den Rohstoff zu Frischfaser gewechselt, sich eigene Anbauflächen für einjährige Nutzpflanzen wie Hanf gesichert, eine eigene Produktion aufgebaut, Sondermaschinen gebaut, die die natürlichen Beschichtungen passgenau auf die dreidimensionalen Fasergussformen aufbringen können und das erarbeitete Wissen mit externen Laboren und Auditoren geteilt, um gegenüber führenden Markenartiklern die Materialeigenschaften dokumentieren zu können.
Knox - über Knox, Unternehmensberatung
Knox ist eine Unternehmens- und Personalberatungs-Gesellschaft, deren Engagement der Verpackungs- und Druckindustrie gilt, sei es in der Produktion, im Handel oder im Dienstleistungsbereich. Das Team von Knox berät seit nahezu 20 Jahren in Deutschland, Europa und darüber hinaus Unternehmen in diesem Branchenumfeld bei strategischen Herausforderungen, insbesondere auch durch die umfängliche Betreuung und den erfolgreichen Abschluss von Unternehmenstransaktionen.
Optimistisch dank Entwicklungsvorsprung
Für all dies brauchte Tahsin Dag einen langen Atem – und beachtliche Investitionsmittel. Doch obwohl es in den vergangenen elf Jahren wiederholt so aussah, als könnte dem Unternehmen die Luft ausgehen, hat Dag beharrlich weiter am Erfolg von Papacks gearbeitet. Als vor einigen Jahren zähe Verhandlungen mit einem japanischen Großkonzern darin gipfelten, dass dieser wohl bereit war, in Papacks zu investieren, das Unternehmen aber komplett übernehmen wollte, sprang den Kölnern ein finanzstarker Business Angel aus der Region zur Seite und erwarb 49 % der Anteile an Papacks. Mit einer entsprechenden Eigenkapitalausstattung, öffentlichen Fördermitteln und der Finanzierungshilfe zweier Großbanken realisierte Dag zwei „Gigafactories“ in Thüringen, zwei weitere entstehen im europäischen Ausland. Über 50 Mio. Euro hat Papacks in seine Disruption der Faserguss-Produktion bereits investiert.
Die Firma beschäftigt 150 Mitarbeiter und erreicht in diesem Jahr einen Umsatz von rund zehn Mio. Euro. Obwohl Papacks damit noch zu den kleinen Playern der Verpackungsbranche zählt, rechnet Dag fest damit, dass ihm die Marktentwicklung in die Hände spielt: „Viele Kunststoffhersteller drängen in den Faserguss, und der Markt ist stark im Umbruch. Aber wir haben einen mehrjährigen Entwicklungsvorsprung – und keiner kann uns kopieren.“
Noch Protoyp: Einwegrasierer aus Faserguss
So zeigt sich nicht nur in der namentlichen Anlehnung seiner Produktionsstätten an Elon Musks Gigafactories, dass Dag bereit ist, groß zu denken. 2022 gründete er den Verband der European Moulded Pulp Producers Association (EMPPA) und wurde ihr erster Vorsitzender. 2024 wurde er mit dem erstmalig von der World Finance verliehenen Titel des „European Packaging CEO of the Year“ ausgezeichnet.
In der EMPPA sieht er eine Interessenvertretung von Faserguss-Produzenten, die diese Produktkategorie wieder stärker ins Rampenlicht rücken, in den Verbandsmitgliedern sieht er aber auch mögliche Lizenznehmer, die mit zusätzlichen Produktionskapazitäten die patentierte Papacks-Lösung in die Welt tragen können. So startet in den USA gerade das Joint Venture RENW, das binnen zwölf Monaten eine erste Produktionsstätte auf dem amerikanischen Kontinent realisieren will, und auch für Australien ist bereits eine erste Lizenzvereinbarung unterschriftsreif.
Kurzfristig rechnet Tahsin Dag auch mit einem deutlichen Ausbau der eigenen Produktion, mit dem Wachstum von 150 auf 300 Mitarbeitern und mit einer jährlichen Umsatzverdopplung über die nächsten Jahre, in deren Zuge Papacks auch Lösungen anbieten will, um Kunststoff-Einwegprodukte außerhalb der Verpackungswelt zu ersetzen. Demonstrativ zeigt Dag den Prototypen eines Einwegrasierers aus Faserguss. Langfristig träumt der sich selbst als Innovator und Visionär bezeichnende Unternehmer davon, dass nicht nur weitere Papacks-Gigafactories weltweit entstehen, sondern dass rund um die thüringischen Produktionsstätten ein Circular Economy Campus erwachsen kann, der Produktion, Forschung, Entwicklung und Vision um nachhaltige Werkstoffe vereint.
Warum auch nicht. Wenn es in Kalifornien ein Silicon Valley gibt, warum soll das Thüringer Becken dann nicht zu einem Molded Fiber Basin werden. Wahrscheinlich sind es auch Visionen wie diese, die einen European Packaging CEO of the Year auszeichnen.